Leitfaden und
QRC für die Physiotherapie
A
npa
ss
un
g de
r K
N
G
F
-R
ic
h
tl
in
ie
n
7
1. Drei Mal die Woche draussen gehen, ergänzt mit einem Heimprogramm (30 Minuten, 3X/Woche) mit:
a) Gehvariationen (vorwärts, seitlich, gehen auf Zehenspitzen, Objekte überschreiten, gehen während dem Drehen und
gehen starten aus einer sitzenden Position)
b) Übungen zur Steigerung der Beweglichkeit von Nacken, Knie, Hüfte
c) Übungen zur Stärkung der Beinmuskulatur.
2. Tai Chi (zwei Gruppentherapien pro Woche während fünfzehn Wochen)
3. Zuweisung zu einem Ergotherapeuten, um gewisse Gefahrenzonen zu Hause zu identifizieren und zu ändern
Basierend auf dem oben Genannten, formuliert die Guideline-Entwicklungsgruppe folgende Empfehlungen: ein
Übungsprogramm bestehend aus Gleichgewichtsübungen und Krafttraining ist effektiv um das Gleichgewicht in
Patienten mit MP zu stimulieren (51) (52). Es wurde gezeigt, dass bei gesunden älteren Personen, ein
Übungsprogramm fokussierend auf Gehen, Gelenksbeweglichkeit, Muskelkraft und Tai Chi Stürze reduzieren kann
(53).
Krafttraining
Eine randomisierte Studie konnte zeigen, dass ein Krafttrainingsprogramm mit 16 Sitzungen während 8 Wochen,
bestehend aus Widerstandstraining (60% Maximalkraft, 12 Wiederholungen) mit dem Akzent auf untere
Extremitäten und Bauchmuskulatur, ein effektives Instrument darstellt, um die Schrittlänge und Gehgeschwindigkeit
zu verbessern (54). Es ist glaubhaft, dass bei Patienten mit Parkinson ein Programm, welches fokussiert ist auf die
Verbesserung der Muskelkraft, diese auch tatsächlich verbessert werden kann (55) (56) (57) (58) (59) (60).
Basierend auf dem oben Genannten formuliert die Guideline-Entwicklungsgruppe folgende Empfehlungen:
●
Es
gibt Hinweise, dass das Gehen für Patienten mit MP verbessert werden kann durch Krafttraining der
unteren Extremitäten (54).
●
5 Studien (61) (51) (52) (62) (54) zeigten, dass ein Übungsprogramm, welches fokussiert auf die
Verbesserung der Muskelkraft (auf die untere Extremität und Rumpf) auch die Muskelkraft bei Patienten mit
MP verbessern kann (in der frühen und mittleren Phase). In der Studie von Scandalis et al. (54) wurden 16
Übungseinheiten angeboten während einer Periode von 8 Wochen. In der Studie von Toole et al. (52),
wurde 60% der Maximalkraft trainiert mit bis zu 12 Wiederholungen der Übungen.
Verbesserung der Gelenksmobilität
Verschiedene Studien zeigen, dass Übungsprogramme welche auf die Gelenksmobilität fokussiert sind und mit
einem Training von Gang und Gleichgewicht kombiniert werden, motorische Fähigkeiten (55) (57) (60) (56), ADL
(55) (57) (58) (59) (60) und mentale Funktionen (55) (57) verbessern können. Eine Studie zeigte (32), dass ein
Übungsprogramm zur Verbesserung der Gelenksmobilität und Bewegungskoordination eingebettet in ADL-
Aktivitäten, die funktionelle axiale Rotation sowie das „reaching“ (erreichen von, ergreifen, strecken nach)
verbesserte.
Es ist glaubhaft, dass ein Übungsprogramm zur Verbesserung der Gelenksbeweglichkeit kombiniert mit
aktivitätsbezogenen Übungen (z.B. Gang oder Gleichgewicht) ADL-Funktionen verbessern (55) (56) (57) (58).
Verbesserung der aeroben Kapazität
Verschiedene Studien zeigten, dass Übungsprogramme zur Verbesserung der aeroben Kapazität auch motorische
Fähigkeiten verbesserten (61) (51) (52) (62) (54) (63). Eine andere Studie (64) demonstrierte, dass ein
Übungsprogramm zur Verbesserung der aeroben Kapazität diese auch bei Patienten mit MP in der frühen Phase
verbessern kann.
Hilfsmittel
Für viele Parkinsonpatienten sind Hilfsmittel empfehlenswert. Physiotherapeuten können geeignete Informationen
und/oder Prospekte anbieten oder in Zusammenarbeit mit Ergotherapeuten eine Hausabklärung organisieren, um so
mögliche Anpassungen vor Ort vorzunehmen (Tabelle 3). Gehhilfsmittel, wie z.B. Gehstock und Rollator, können
die Selbständigkeit und Gehsicherheit verbessern. Anderseits muss berücksichtigt werden, dass das Gehen mit
Hilfsmitteln komplexer und schwieriger ist. Durch den Gebrauch von Hilfsmitteln wird das Gehen nämlich zu einer
kontinuierlichen Doppelaufgabe. Darüber hinaus sollte sich der Therapeut bewusst sein, dass schlecht angepasste
Hilfsmittel (tiefe Stöcke oder Rollatoren) die Flexionshaltung negativ beeinflussen. Von Gehböcken rät Cubo et al.
(65) ab. Im Falle schwerer Gleichgewichts-und Gehdefizite sollte eher ein Rollstuhl empfohlen werden, da ein
höheres Sturzrisiko mit Komorbidität zusammenhängt.
Leitfaden und QRC für die Physiotherapie
A
npa
ss
un
g de
r K
N
G
F
-R
ic
h
tl
in
ie
n
8
Im Vergleich zu gesunden, älteren Personen erleiden Parkinsonpatienten mehr Hüftfrakturen. Bei gesunden Älteren
wurde nachgewiesen, dass Hüftprotektoren (Unterhosen mit Polster auf beiden Hüften) die Anzahl der Hüftfrakturen
nach einem Sturz signifikant reduziert (66). Problematisch wird es, wenn die Effizienz der Hüftprotektoren durch
unregelmässiges Tragen der Hose reduziert wird (z.B. am frühen Morgen beim Aufstehen, nachts,..) (67). Sowohl
Pflegepersonal als auch Physiotherapeuten können zu Hüftprotektoren Informationen vermitteln. Bei gesunden Älteren
wurde nachgewiesen, dass Hüftprotektoren Hüftfrakturen (bei Stürzen) vorbeugen, wenn sie immer getragen werden.
Hauptproblem
Hilfsmittel oder Anpassungen
Gleichgewicht
Gehhilfsmittel: Stock, 2 Gehstöcke, Rollator
Transfer oder
Lagewechsel
Toilettensitz-Erhöhung, Nachtstuhl, Pflegebett (höhenverstellbar), seidenes
Tuch um das seitliche
Rutschen zu verbessern, Haltegriffe (am Bett montiert, an
der Wand neben der Toilette oder Badewanne), Badewannenbrett, Duschhocker
Fortbewegung
Gehhilfsmittel: Stock, Nordic Walking-Stöcke, Unterarmgehstöcke, Laserstock,
Rollator, Laserrollator, Gehböcke
Handrollstuhl, Elektro-Rollstuhl oder Scooter
Stürze oder
erhöhtes
Sturzrisiko
Gehhilfsmittel
Hüftprotektoren
Gutes Schuhwerk, Sturzprophylaxe innerhalb und rund um das Haus durch
Eliminierung von Sicherheitsrisiken (z.B. zu wenig Licht, rutschige Unterlagen,
Stolperfallen wie Teppiche, Kabel) und Engpässen (z.B. Entfernen von
unnötigen Möbeln). Aufheben/Bücken vermeiden durch Gebrauch von
Greifzange oder langem Schuhlöffel,..
Tabelle 3: Kernprobleme und entsprechend sinnvolle Hilfsmittel für Parkinsonpatienten
Verbesserung in der Ausführung von Transfers
Zwei kontrollierte Studien zeigen, dass kognitive „Cues“ die Ausführung beim Transfer verbessern (68) (69). Für
eine detaillierte Beschreibung der angewendeten kognitiven „Cues“ verweisen wir auf die Studie von Kamsma et al
(70). „Cues“ verbessern den Beginn des Transfers. Die Behandlung in der Studie von Nieuwboer et al (69) bestand
aus 3 Behandlungen à 30 Minuten pro Woche während 6 Wochen. Das Übungsprogramm, das zuhause ausgeführt
wurde, fokussierte unter anderem auf die Anwendung von „Cues“ zur Gangverbesserung und kognitive
Bewegungsstrategien zur Transferverbesserung. Die Aktivitäten wurden unter verschiedenen Bedingungen geübt.
Die Studie von Müller et al. zeigte, dass Patienten mit MP die Ausführung von Alltagsaktivitäten inkl. Transfers
verbessern können, indem sie ein Übungsprogramm mit „Cues“ absolvieren (71).
Frequenz und Dauer der Behandlung
Dauer und Häufigkeit der Behandlungseinheiten sowie der Ablauf der Behandlung hängen einerseits stark von den
Bedürfnissen und vom Potential des Patienten, andererseits von der Reaktion auf die Behandlung ab. Die
Behandlung jedes Patienten fokussiert auf die Hauptprobleme, welche mit dessen Bedürfnissen zusammenhängen.
Wenn der Patient seine Ziele erreicht oder der Therapeut durch die Therapie keine Veränderungen mehr erwartet
(Verbesserungen, Erhaltung oder Verhindern von Verschlechterung), wird die Behandlung abgeschlossen. Ebenfalls
beendet werden kann die Therapie, wenn der Therapeut erwartet, dass der Patient seine Behandlungsziele
eigenständig (ohne therapeutische Begleitung) erreicht. Dies sollte mit dem zuweisenden Arzt besprochen werden.
Um Aktivitäts- oder Alltagseinschränkungen zu verbessern wird eine Übungsperiode von mindestens vier Wochen
benötigt (70). Falls die Anwendung von „Cues“ sinnvoll ist, wird dies bereits in den ersten Lektionen sichtbar. Wenn
die physischen Fähigkeiten verbessert werden sollen, ist eine Übungsperiode von acht Wochen notwendig. Der
Patient kann die Übungen selbstständig zuhause ausführen, falls er gut instruiert wurde. Dabei muss die Sicherheit
des Patienten gewährleistet werden. Eine geringe Therapieintensität kann dann ausreichen (z.B. einmal wöchentlich
zur Übungsanpassung).