UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK BERN
Sonderausstellung: 19. September 2008
Kulturelles Erbe – Kartenbestände in der Zentralbibliothek
85. Jahresversammlung VSA 2008 in Bern
Abbildung Umschlag
Ausschnitt aus dem Ausführungsentwurf zur Stuckierung des Bibliotheksaals der
Zentralbibliothek von Lorenz Schmid, 1792 (Burgerbibliothek Bern).
Im damals geplanten Bibliothekssaal war auch die Nutzung von Karten, Globen und
Messinstrumenten vorgesehen
.
1
Bibliothekssaal
Der entscheidende Durchbruch, der zum Umbau vom Kornhaus zur Bibliothek führte,
erfolgte 1784, als Johann Friedrich von Ryhiner (1732–1803) das Amt eines Stiftschaffners
bekleidete. Aufgrund dieses Amtes war er für die Hohe Schule und für die Bibliothek
zuständig. Die Bibliothek wurde mit einem Vorsaal (heute Hallersaal der Burgerbibliothek)
und einem Bibliotheksaal (heute Schultheissensaal der Zentralbibliothek) ausgestattet,
welcher 1794 bezogen wurde. Die Schultheissenbilder, nach denen der Saal benannt wird,
wurden erst 1857 hierher verbracht. Der Schultheissensaal folgt dem Typus der
Emporenbibliothek. Die zurückhaltende Eleganz des Saals beruht auf der geringen Saalbreite
und der zweiseitigen Beleuchtung.
[Deckenbild, Ausschnitt
]
Das Deckenbild von Ignaz Franz Keil (um 1744–1814) von 1789 stellt die Krönung der
Minerva durch Apoll dar. Auf dem Parnass sind die sieben freien Künste versammelt:
Astronomie (Ptolemäus), Musik (Tubalkain), Geometrie (Euklid), Arithmetik (Pythagoras),
Rhetorik (Cicero), Dialektik (Aristoteles) und Grammatik (Priscianus). Oben setzt Pegasus zum
Flug an.
2
[Tisch 1–2]
Bern im Kartenbild
Die Berner Karten vermittelten das bernische Selbstbewusstsein: Sie brachten die staatliche
und konfessionelle Eigenständigkeit zur Darstellung. Der Staat Bern erstreckte sich vom
Genfersee bis zur Reuss. Die Karten entfalteten eine repräsentative Wirkung, dienten aber
auch der Verwaltung der Gebiete und können damit als politisches Herrschaftsinstrument
aufgefasst werden. Gegenüber den in Bern selbst verfassten Einzelkarten (Thomas Schöpf
[1520–1577], Joseph Plepp [1595–1642], Albrecht Zollinger [1630–1694]) erreichten
Kartenblätter in Atlanten eine viel grössere Verbreitung. Als Primärkarte für die räumliche
Darstellung des bernischen Staatsgebiets wurde zur Hauptsache die Karte von Thomas
Schöpf verwendet.
[Tisch 1]
Mappa geographica illustris Helvetiorum reipublicae Bernensis : cum adjacentibus pagorum et
dynastiarum confiniis accurate delineata / à Matth. Seuttero, geogr. caesar. ; A. C. Seutter
delin.; T. C. Lotter sculps.
Ca. 1:420 000
Augsburg : Matthäus Seutter, um 1740
1 Karte : Kupferdruck ; 47 x 55 cm
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 3211 : 28
Diese Bernerkarte im Massstab von circa 1:420 000, die in den Atlanten des Augsburger
Verlegers Matthäus Seutter (1678–1757) enthalten war, wurde von Albrecht Carl Seutter
(1722–1762) gezeichnet und von Tobias Conrad Lotter (1717–1777) in Kupfer gestochen. Der
Stand Bern wird durch eine sitzende «Berna» verkörpert. Die Karte basiert auf der
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Entwicklungslinie Hans Conrad Gyger (1599–1674) – Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733)
und setzt dessen Schweizerkarte (1712) voraus.
[Tisch 1]
Nova ditionis Bernensis tabula geographica ursi effigie delineata / I. Störcklein sculp. Basil.
Ca. 1:800 000
[Basel] : [s.n.] [um 1700]
1 Karte : Kupferdruck ; 23 x 33 cm
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 3211 : 25 A
Die Karte des bernischen Staatsgebiets in der Gestalt eines liegenden Bären von François-Louis
Boisot (bzw. Boizot) entstand um 1690 als barocke Spielerei. Der Titel «Ursus Nujthonicus»
bedeutet sinngemäss «der üechtländische Bär». Sie wurde von Jakob Störcklein gestochen,
erschien erstmals in Basel um 1690 und wurde anschliessend wiederholt herausgegeben. Der
lateinische Begleittext (oben links) auf der Karte drückt in Worten aus, was mit dem Bild
angestrebt wird: „Auf diesem Kupferstich breitet der Bär sein Gebiet aus, welches der Schatten
des ewigen Vaters vom Himmel herab bedecken soll. Von hier sollen die Tiere eiligst weichen,
auf diesem Gebiet hält der Bär Wache. Die Furcht, die der Bär den Feinden einflösst, soll
grösser sein als ihr Neid, der Bär soll der gerechte Ruhm des schweizerischen Landes sein“.
[Tisch 2]
Inclitæ Bernatum urbis, cum omni ditionis suæ agro et provinciis delineatio chorographica :
secvndvm cvivsqve loci ivstiorem longitvdinem et latitvdinem coeli : gratia priuilegioque
cæsareo / avthore Thoma Schepfio Bris doctore medico ; Bernæ Nuitonum pingebant, et
exæsis tÿpis æneis exsculpebant, Martinus Krumm Bernensis et Johannes Martin
Dauentriensis, ambo pictores ; adiuuate Adelbergo Sauracker ciue Basiliensi verò cura
Bernhardi Jobini
Ca. 1:85 000–ca. 1:115 000
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Basel : Adelbert Saueracher 1578 ; Strassburg : Bernhard Jobin
1 Karte auf 18 Blatt : Kupferdruck ; je 46 x 65 cm
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 3211 : 6 (= Blatt 1 und Blatt 2 [mit Titelkartusche]); Ryh
3211 : 10 (= Blatt 9 und 10 [Bern, Freiburg])
Die grosse Leistung, die der Stadtarzt Thomas Schöpf 1578 mit der Herausgabe der ersten
grossen bernischen Staatskarte erbrachte, blieb bis ins 18. Jahrhundert unübertroffen. Die
18blättrige Wandkarte wurde von der bernischen Obrigkeit gefördert, entstand jedoch nicht
auf deren Auftrag hin. Schöpf hatte Freude an dieser Nebenbeschäftigung. Das Nützliche
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und Angenehme sollten eine Verbindung miteinander eingehen. Schöpf ging davon aus, dass
die Karte allen Frommen dieser Welt die Grösse Berns zeige, eines Staatswesens, das der
Kirche Schutz und vielen Verfolgten Asyl gewähre. Diese Frommen würden daher den Staat
in ihre Gebete einschliessen und ihm so Dauer verleihen. Er meinte, die Karte sei auch
nützlich für die Verwaltungstätigkeit: Die Obrigkeit regiere am besten, wenn sie ihr
Herrschaftsgebiet und die Lebensbedingungen ihrer Untertanen kenne.
[Tisch 3]
Karteninkunabeln
Die Universitätsbibliothek verfügt über einen wertvollen Bestand an Inkunabeln und alten
Drucken. Kartenfrühdrucke vor 1501 wurden als Holzschnitt oder als Kupferstich
veröffentlicht. Karteninkunabeln entstanden als unselbständige Textabbildungen, als
Buchbeilagen und als eigenständige Kartenwerke, wie z. B. die Druckausgaben des
Ptolemäus oder die Etymologiæ von Isidor von Sevilla.
[Tisch 3]
Ptolemaeus, Claudius
Cosmographia / übers.von Jacobus Angelus, hrsg. von Nicolaus Germanus
Ulm : Lienhart Holl, 1482
UB Bern ZB, Hosp. 2
Erste Ausgabe der „Geographie“ von Ptolemäus nördlich der Alpen mit eigens für diesen
Druck geschaffener Antiqua-Type des Ulmer Frühdruckers Lienhard Holl. Holls Ausgabe
enthält gegenüber der herkömmlichen Ptolemäus-Überlieferung mit 26 Länderkarten fünf
zusätzliche, zeitgenössische Karten von Spanien, Frankreich, Italien, Palästina und eine
Nordlandkarte des dänischen Geographen Claudius Clavus. Das in der Zentralbibliothek Bern
vorhandene Exemplar ist auf Pergament gedruckt und sehr schön koloriert. Es stammt aus
dem Besitz des Theologen Leonhard Hospinian (1505–1564). Nach dessen Tod ging seine
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Bibliothek an den Schwiegersohn Johannes Fädminger (um 1520–1586), der seine Sammlung
der damaligen Librerey der Hohen Schule vermachte.
[Tisch 3]
[Etymologiæ] / [Isidorus Hispalensis]
[Augsburg] : [Günther Zainer], [1472]
UB Bern ZB, Inc III 52
Die erste gedruckte Weltkarte erschien 1472 in Augsburg in einer Ausgabe der
„Etymologiae“ von Isidor von Sevilla. Entsprechend dem mittelalterlichen Weltbild zeigt die
schematische Rad- bzw. TO-Karte die Siedlungsgebiete der Nachkommen der drei Söhne
Noahs, Sem in Asien, Ham in Afrika und Japhet in Europa. Der Text der Inkunabel ist in einer
schönen Antiqua-Type gesetzt. Sie stammt aus dem Besitz des Berner Stadtarztes Barbatus,
der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gewirkt hat und von dem medizinische sowie
astronomisch-astrologische Fachbücher in die ehemalige Stadtbibliothek gelangten.
Sammlung Ryhiner
1867 gelangte der privat angelegte Sammelatlas des Berner Staatsmannes und Geographen
Johann Friedrich von Ryhiner (1732–1803) als Schenkung an die damalige Stadtbibliothek. Die
Kartensammlung Ryhiner zählt zu den wertvollsten und bedeutensten der Welt. Sie umfasst ca.
16 000 Landkarten, Pläne und Ansichten aus dem 16. bis frühen 19. Jahrhundert, wobei die
Bestände den ganzen Erdball sowie sämtliche bedeutenden Produktionszentren abdecken. In
einem Erschliessungsprojekt wurde die Sammlung zwischen 1992 und 1998 karto-
bibliographisch erfasst, restauriert und mikroverfilmt. Der gedruckte vierbändige Katalog
erschien 2003. Zwischen 2002 und 2007 wurden sämtliche Mikrofilme gescannt und im Internet
in einer mittleren Auflösung zugänglich gemacht. Seit 2008 sind die Bilder auch hochauflösend
mit der Software PHPmyGallery sowie mit Zoomify im Internet einsehbar. In einem Pilotprojekt
wurden die Bilder anschliessend mit dem Kataloganreicherungstool ADAM in den
Verbundkatalog IDS Basel/Bern integriert. Mit wenigen Ausnahmen stammen die hier
gezeigten Karten aus der Sammlung Ryhiner.
Internetlinks:
http://www.zb.unibe.ch/maps/ryhiner/sammlung
http://aleph.unibas.ch
[Tisch 4]
Nova orbis terrarum geographica ac hÿdrogr. Tabula : ex optimis in hoc opere auctorib[usl
desumpta / auct. Gul. lanssonio
1 Karte auf 4 Blatt : Kupferdruck ; 84 x 108 cm
7
[Amsterdaml : excudebat Gulielmus lanssonius alcmarianus, anno à chronato 1607
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 1101 : 61–64, Blätter oben links und oben rechts
Erstausgabe der grossen Weltkarte von Willem Janszoon Blaeu, 1607. Der Herausgeber der
Fachzeitschrift «Speculum Orbis» Peter H. Meurer schrieb 1987: «Auf diesen Bestand ist die
Fachwelt erst aufmerksam geworden, als Günther Schilder dort 1980 die Erstausgabe der
grossen Weltkarte von Blaeu 1607 fand. In seiner Gesamtheit erschlägt das in Bern
vorhandene Kartenmaterial jeden Einzelforscher. Vom Umfang und Inhalt her steht die
Sammlung Ryhiner absolut gleichwertig neben vergleichbaren, allerdings weltbekannten
Kollektionen wie dem Atlas Stosch der Österreichischen Nationalbibliothek oder der
Sammlung Moll in der Universitätsbibliothek Brünn-Brno.
[Tisch 5]
Typvs orbis terrarvm : cum privilegio / Franciscus Hogenbergus sculpsit
[Antwerpen] : [s.n.], [erschienen 1573]
1 Karte : Kupferdruck ; 34 x 50 cm
Ursprungswerk: "Theatrum oder Schawplatz des Erdbodems / durch Abrahamum Ortelium"
(Antwerpen 1573)
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 1101 : 12
8
Die Weltkarte stammt ebenfalls aus der deutschen Ausgabe des „Theatrum Orbis Terrarum“
von Abraham Ortelius und ist auf dem zwölften Falz eingeklebt. Der Sammelatlas „Globus
Terrestris I“ enthält insgesamt 39 Weltkarten aus den Jahren 1573–1778. Zuvorderst fügte
Ryhiner in jedem Band eine Übersicht nach Falznummern ein. Der Sammler liess dabei Freiraum
zum Vorwärts- und Rückwartsergänzen. Das Vorhandensein mit Bleistift eingetragener Titel
war ihm bekannt. Diese bildeten Desiderata der Sammlung.
[Tisch 5]
Mikrofilm und CD
Zwischen 1992 und 1998 wurde die Sammlung Ryhiner von der Firma Gubler Imaging farbig
mikroverfilmt. Ab 2002 wurden sämtliche Mikrofilme gescannt. Seit 2008 sind die Bilder
hochauflösend mit der Software PHPmyGallery sowie mit Zoomify im Internet einsehbar.
Zudem wurden die Bilder mit dem Kataloganreicherungstool ADAM in den Verbundkatalog
IDS Basel/Bern integriert.
[Tisch 6]
Berner Kataloge
Als erster hat Gottlieb Emanuel von Haller (1735–1786), Sohn des Universalgelehrten Albrecht
von Haller (1708–1777) die Karten der Schweiz systematisch erfasst. Der Staatsmann und
Geograph Johann Friedrich von Ryhiner (1732–1803) verfertigte zusätzlich zu seinem
handschriftlichen 23bändigen Kartenkatalog eine 25bändige Kartenbibliographie, mit der er
die damals bekannten Karten der ganzen Welt nachwies. Beispielhaft war auch der 1960
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erschienene Karten- und Plankatalog des Kantons Bern von Georges Grosjean (1921–2001), zu
dem es in der Schweiz nichts Vergleichbares gibt. Und mit dem Erscheinen des Katalogs zur
Sammlung Ryhiner wurde ein bedeutendes Anliegen der karto-bibliographischen Forschung
verwirklicht. Der Katalog bietet den gezielten Zugang zu einer der bedeutensten Quellen
raumbezogenen Wissens.
[Tisch 6]
Bibliothek der Schweizergeschichte und aller Theile, so dahin Bezug haben : systematisch-
chronologisch geordnet / Gottlieb Emanuel von Haller
Bern : in der Hallerschen Buchhandlung : gedruckt bey Rudolf Albrecht Haller, 1785–1788
7 Bde. ; 21 cm
Ledereinband der Zeit mit rotem Rückenschild goldgeprägtem Bibliotheksstempel
UB Bern ZB: Rar alt 195 : 1
Der Berner Historiker Gottlieb Emanuel von Haller (1735–1786), Sohn des Universalgelehrten
Albrecht von Haller (1708–1777), legte bereits 1766 ein „Verzeichnis derjenigen Landkarten,
welche über Helvetien und dessen verschiedenen Theile verfertigt worden sind“ an. Dieses
wurde 1771 durch Anton Friedrich Büsching in seinem Magazin veröffentlicht. Eine neue
Bearbeitung des Verzeichnisses erschien 1785 im ersten Band der siebenbändigen „Bibliothek
der Schweizergeschichte“.
[Tisch 6]
Mundus Universalis. Erster Band der 25bändigen Kartenbibliographie von Johann Friedrich von
Ryhiner.
25 Manuskriptbände.
BBB Bern, Mss hh XLV 134
Der Geograph Anton Friedrich Büsching (1724–1793) schätzte den gesamten Kartenbestand
seiner Zeit auf 16 000 Stück, von denen nur 10 Prozent auf irgendwelche Originalaufnahmen
zurückzuführen seien. Die Enzyklopädie von Krünitz 1793 bezifferte den Kartenbestand bereits
mit 18 000 und 1800 Originalaufnahmen. Mit seiner bisher noch nicht edierten 25bändigen
Kartenbibliographie erschloss Johann Friedrich von Ryhiner (1732–1803) die ihm damals
bekannten Landkarten. Von Ryhiner beabsichtigte, eine vollständige Sammlung
zusammenzustellen. Er konnte annehmen, dass er sein Ziel nahezu erreicht hatte. Sein
handschriftlicher Erschliessungsteil zu seiner Sammlung von mehr als 16 000 Karten, Plänen
und topographischen Ansichten umfasst auch einen 23bändigen Kartenkatalog, ein
zweibändiges Verzeichnis der Desiderata, zwei Inventarbände, ein Zuwachsverzeichnis sowie
ein Kartenautorenverzeichnis.
[Tisch 6]
Kantonaler Karten- und Plankatalog Bern = Catalogue cantonal bernois de cartes et plans /
bearb. von Georges Grosjean ; hrsg. von d. Kantonalen Kartographiekommission Bern
Bern : Staatl. Lehrmittelverlag, 1960
XXVI, 534 S. ; 24 cm
(Landesvermessung und Kartographie des Kantons Bern ; Tl. 2)
UB Bern ZB: H LIII 148
10
Der Kantonale Karten- und Plankatalog Bern von Georges Grosjean (1921–2001) ist eine
Gesamtbibliographie des bernischen Karten- und Planmaterials, sowohl des reproduzierten wie
auch der in den Archiven und auf Amtsstellen liegenden Originalzeichnungen. Zu allen
Objekten wird jeweils der Standort angegeben. Die Bestandesaufnahme erfolgte zwischen
1952 und 1954, mit Ergänzungen bis 1958, durch 47 Exploratoren der Kantonalen
Kartographiekommission. Der Katalog ist nach Sachgebieten geordnet und durch ein
topographisches Register, ein Personenregister und ein Schlagwortverzeichnis erschlossen.
[Tisch 6]
Sammlung Ryhiner : Karten, Pläne und Ansichten aus dem 16. bis 19. Jahrhundert = Ryhiner
Collection : maps, plans and views from the 16th to the 19th century / hrsg. von Thomas Klöti ;
Stadt- und Universitätsbibliothek Bern
Bern : Stadt- und Universitätsbibliothek, 2003.
4 Bde.
UB Bern ZB: RAB 5295 : 1–4
Die Sammlung Ryhiner gehört zu den Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Bern. Die
karto-bibliographische Erschliessung bildete Teil eines viereinhalbjährigen Forschungsprojekts,
welches 1998 abgeschlossen wurde. Der zweisprachige, vierbändige Katalog erschien zum 200.
Todesjahr des Sammlers Johann Friedrich von Ryhiner (1732–1803). Er umfasst 16 528
Katalognummern und einen Registerband mit Orts- und Sachregister, Namenregister,
Titelregister sowie die Liste der Ursprungswerke und die Gliederung der Sammlung. Mit der
Herausgabe wurde der Forschung sowie allen Kartenliebhabern ein bedeutendes Hilfsmittel
zur Verfügung gestellt.
[Tisch 7]
Samuel Engel: Nordostpassage
Der Berner Ökonom und Geograph Samuel Engel (1702–1784) wirkte von 1736 bis 1748 als
Oberbibliothekar der Stadtbibliothek Bern und von 1748 bis 1754 als Landvogt in Aarberg. Er
untersuchte eingehend die Frage, ob Russland und Amerika durch eine Landbrücke
zusammenhängen, was er schliesslich verneinte. Er stützte sich bei seinen Forschungen
besonders auf Karten, die er kritisch würdigte. Samuel Engel trat der verbreiteten Meinung
entgegen, dass das Meer im hohen Norden nicht schiffbar sei. Sein Vorschlag lautete, im Juni
von einem Ort zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja aufzubrechen und ungefähr den
achtzigsten Breitengrad einzuhalten. Nach seiner Berechnung müsste bei gutem Wetter die
Meeresstrasse zwischen Asien und Amerika gegen Ende Juli erreicht werden. Die Möglichkeit
einer Nordostpassage für den Seeverkehr wurde schliesslich im 19. Jahrhundert bestätigt.
1878/1879 gelang dem Schweden Nils Adolf Erik Nordenskjöld (1832–1901), der sich wie
Johann Friedrich Ryhiner (1732–1803) auch als Kartensammler betätigte, die
Nordostdurchfahrt.
[Tisch 7]
Carte de la partie septentrionale et orientale de l'Asie, qui comprend la grande Tartarie, le
Kamschatka et Jesso avec la mer glaciale et ses côtes / dressée en 1764 par Mr. *** [i.e.
Samuel Engel] ; Iaquier del. ; Chovin sculp.
11
Lausanne : Antoine Chapuis, 1764
1 Karte : Kupferdruck ; 47 x 68 cm
Ursprungswerk: Kartenbeilage in «Mémoires et observations géographiques et critiques sur
la situation des pays septentrionaux de l'Asie et de l'Amérique» von Samuel Engel
Lausanne : Antoine Chapuis, 1765
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 1301 : 4
Die Asienkarte wurde von Samuel Engel entworfen, von M. Jaquier gezeichnet und von
Jacques-Antony Chovin (1720–1776) in Kupfer gestochen. Die Asienkarte von Engel (1764), der
aus Bescheidenheit mit „***“ zeichnete, erschien als Kartenbeilage in den französisch- und
deutschsprachigen Ausgaben seiner Schrift „Mémoires et observations géographiques et
critiques sur la situation des pays septentrionaux de l’Asie et de l’Amérique“ (1765 ff.).
Engel befasste sich intensiv mit der Frage der Nordostpassage. Zur Erschliessung dieses
Seeweges waren Kenntnisse der Küsten und der Ausdehnung Asiens erforderlich. Er
wiederholte seine bereits früher geäusserte These, dass die aus Russland stammende Angabe,
das Ostende Asiens erstrecke sich bis mindestens zum 205. Längengrad, nicht stimme. In
seinem Buch vertrat Engel die Ansicht, dass das Ostkap des Kontinents maximal bis 176 ½ Grad
östlicher Länge reiche und damit um fast 30 Grad weiter westlich liege, als dies in Gerhard
Friedrich Müllers (1705–1783) Veröffentlichungen sowie in seiner Asienkarte von 1754 zum
Ausdruck komme.
[Tisch 7]
Carte des parties Nord et Est de L'Asie : qui comprend les côtes de la Russie asiatique, le
Kamschatka, le Jesso, et les isles du Japon / dressée en 1764 par M*** [i.e. Samuel Engel]
Nouvelle édition réduite par M. de Vaugondy
Ca. 1:25 000 000
[Paris], 1772
1 Karte : Kupferdruck ; 28 x 35 cm
Mit 4 Nebenkarten
12
In: Denis Diderot's Encyclopédie; ou, Dictionnaire raisonné des sciences. Supplement, vol. 3
(Paris, 1779).
UB Bern ZB, Lexica 20, Pl. 12
Der Berner Beitrag zur Nordostpassage befruchtete die wissenschaftliche Diskussion. Didier
Robert de Vaugondy (1723–1786) griff die Anregungen Engels auf und veröffentlichte 1768
einen Beitrag, in dem er den nordöstlichen Teil Asiens ebenfalls gegenüber den russischen
Karten verkürzte, jedoch um zehn Längengrade weniger als der Berner Gelehrte. Zwischen
Engel und Robert de Vaugondy kam es zu einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit, wobei
der Berner von seiner extremen Verkürzung Asiens nun etwas abwich. Auf Grund seines
hohen Ansehens wurde Samuel Engel zur Mitarbeit an den Supplementbänden der
Enzyklopädie von Denis Diderot (1712–1784) und Jean le Rond d’Alembert (1717–1783)
herangezogen. Unter anderem verfasste er die ausführlichen Artikel „Asie septentrionale“
und „Passage par le Nord“.
[Tisch 8-11]
Der Weg zur modernen Landkarte
Die Schweiz kam im 18. Jahrhundert, mit Ausnahme der allerletzten Jahre, nicht über Ansätze
zu neuer Vermessung und Kartographie hinaus. Als Micheli du Crest (1690–1766) dem Stand
Bern und der eidgenössischen Tagsatzung 1754 vorschlug, eine Karte der Schweiz auf
trigonometrischer Grundlage zu erstellen, fand er kein Gehör. Die ersten wissenschaftlichen
Basismessungen führte Johann Georg Tralles (1763–1822)1788 bei Thun, 1791 bei Aarau und
13
1791 bzw. 1797 im Grossen Moos durch. Die erste neu aufgenommene und einheitliche Karte
der Schweiz bildete schliesslich der „Atlas Suisse“ (1796–1802) des Aarauer Auftraggebers
Johann Rudolf Meyer (1739–1813).
[Tisch 8]
Prospect geometrique des montagnes neigées, dittes Gletscher, telles qu'on les découvre en
tems favorable : depuis le chateau d'Arbourg, dans les territoires des Grisons du canton
d'Vry, et de l'Oberland du canton Berne / fait au chat.au d'Arbourg en janv.r 1755 par
l'auteur [i. e. J. B. Micheli du Crest] de la methode d'un therm.e vniversel 3.e correction ;
gravé par Tob. Conr.
Lotter, à Augsbourg
[S.l.] : [s.n], 1755
1 Ansicht : Kupferdruck ; Bildgrösse 20 x 65 cm
Erläuterungen: "Memoire pour l'explication du prospect des montagnes neigées que l'on voit
du château d'Arbourg" (4 S. ; 26 cm)
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 3209 : 16 A [Ansicht] und 16 B [Erläuterungen]
Das Alpenpanorama von Micheli du Crest : Frucht eines Versuches zur Vermessung der
Schweiz im Jahre 1754 / Martin Rickenbacher.
Beilage: Abbildung des Originalpanoramas und Berechnung des Panoramas von der Aarburg
aus dem digitalen Höhenmodell DHM25
Murten : Verlag Cartographica Helvetica, 1995
2 Panoramen, Blattgrösse 52 x 75 cm.
UB Bern ZB, Kart 616
Die 1754 gezeichnete Alpenansicht des Genfers Micheli du Crest, der seine letzten 20 Jahre als
politischer Staatsgefangener auf der Festung Aarburg verbrachte, wurde 1755 in Augsburg in
Kupfer gestochen und publiziert. Das Werk gilt als erstes wissenschaftliches Alpenpanorama.
Micheli konnte während seiner Haft keine mathematischen Instrumente wie Winkelmessgeräte
oder gar Fernrohr benutzen. Er musste sich mit den einfachsten Mitteln behelfen. Es lässt sich
nachweisen, dass er mit seiner fast primitiv anmutenden Methode zur Höhenbestimmung
relativ nahe an die heute gültigen Werte herangekommen wäre, wenn er erstens die richtigen
Distanzen zu den Berggipfeln gekannt und zweitens bei der Berechnung nicht nur die
Erdkrümmung, sondern auch die Strahlenkrümmung (sogenannte Refraktion) als physikalische
Grösse berücksichtigt hätte.
[Tisch 9]
14
Plan perspectif d'une grande partie des cantons de Lucerne, d'Uri, de Schweitz, d'Under-
Walden, de Zoug, et de Glaris : avec la frontiere de celui de Berne / d'apres le déssein
géométrique fait par M. Pfiffer, lieutenant-général des armées du roi ; dessiné par B. A.
Dunker ; gravé par Née et Masquelier
[Paris] : [Lamy], en 1777
1 Vogelschaukarte : Kupferdruck ; 34 x 62 cm
Ursprungswerk: "Tableaux topographiques, pittoresques, physiques, historiques, moraux,
politiques, littéraires de la Suisse" von B. F. Zurlauben (Paris, 1777–1788)
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 3209 : 11
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 3209 : 12 (Toponomastisches Beiblatt)
Das Relief der Urschweiz von Franz Ludwig Pfyffer (1716–1802) entstand zwischen 1762 und
1786. Es ist südostorientiert, ungefähr 3,9 x 6,6 m gross und stellt einen Ausschnitt der
Innerschweiz von knapp 4100 km
2
dar, was etwa einem Zehntel der Schweiz entspricht.
Bereits vor der Fertigstellung wurde dieses Relief vom Berner Künstler Balthasar Anton Dunker
(1746–1807) als Vogelschaukarte gezeichnet. Das mit 1777 datierte Blatt erschien im
berühmten Werk «Tableaux topographiques, pittoresques, physiques, historiques, moraux,
politiques, littéraires de la Suisse» von Beat Fidel Zurlauben (1720–1799). Das Kartenbild ist
nicht beschriftet, denn es gibt ein gleich grosses Beiblatt mit der Nomenklatur. Interessant ist
der Hinweis, dass Dunker nach den «geometrischen Zeichnungen» von Pfyffer gearbeitet habe.
Zusätzlich zum Relief musste ihm eine Originalkarte Pfyffers zur Verfügung gestanden haben.
Das Relief galt nicht nur als topographische, sondern auch als kulturell herausragende
Leistung.
[Tisch 10]
Plan der Dreyecke für die Bestim[m]ung der Höhen einiger Berge des Canton Bern
Bern : im Verlage der litterarischen und typographischen Gesellschaft, 1790
1 Karte : Kupferdruck ; 35 x 39 cm
In: Bestimmung der Höhen der bekanntern Berge des Canton Bern / von Johann Georg Tralles
UB Bern ZB: Nat 904
15
Die Basismessungen bei Thun dienten dem Berner Mathematik- und Physikprofessor Johann
Georg Tralles (1763–1822), der sich vornehmlich mit geodätischen Arbeiten befasste, als
Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhen der bekannteren Berge des Berner Oberlandes.
Die südorientierte Triangulationskarte („Plan der Dreyecke“) erschien als Buchbeilage.
[Tisch 10]
Umriss von der Gegend der Standlinie bey den drey Seen im Canton Bern zur Landes-
Vermessung der Schweiz / von Herrn Profess. Tralles
Erschienen in: Allgemeine Geographische Ephemeriden, 3. Stück, 1798
[S.l.] : [s.n.], 1798
1 Karte : schwarz-weiss ; 17 x 21 cm
UB Bern ZB, J.L. 163
16
Im September 1791 finanzierte Ferdinand Rudolph Hassler, als Privatschüler bei Professor
Johann Georg Tralles, die Messung einer Basis im Grossen Moos nordwestlich von Bern. Diese
Basis, mit den Basisendpunkten in Sugiez und Walperswil, war als Längengrundlage für die
zukünftige Landesvermessung des Kantons Bern und anschliessend der ganzen Schweiz
vorgesehen. 1797 wurde die Messung mit 7,8 m langen Eisenstangen wiederholt. Tralles
konnte die Oekonomische Gesellschaft Bern von der Notwendigkeit der Erstellung einer
genauen Landkarte des Kantons überzeugen. 1792 wurde bei Jesse Ramsden (1735–1800) in
London ein grosser Theodolit bestellt, der allerdings erst 1797 geliefert wurde. Obwohl keine
Karte zustande kam, handelte es sich um eine wesentliche Vorarbeit.
[Tisch 10]
A Diagram of the Triangulation for the Survey of the Coast of the United States, made in 1817
and 1833, and the Secondary Triangles made in 1833 & 1834 in Connecticut & upon Long
Island.
[S.l.] : [s.n.], 1834
1 Karte : schwarz-weiss, ; 37 x 50 cm
In: F. R. Hassler: Principal Documents relating to the survey of the United States since 1816.
New York, 1834.
UB Bern ZB: Nat I 137
Hasslers erste zwei Basislinien für die amerikanische Küstenvermessung wurden 1816 bei
Cherry Hill sowie in der Bucht von Gravesend, nahe der heutigen Halbinsel Coney Island, New
York gemessen. Die längste und genaueste Basislinie entstand 1834 auf der Insel Fire Island. An
diese Basislinien wurde die Triangulation erster und anschliessend zweiter Ordnung
angeschlossen.
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Von 1816 bis 1818 und von 1834 bis 1843 leitete Hassler als Superintendent des U.S. Coast
Survey die Vermessungsarbeiten, an die sich topographische und hydrographische Arbeiten
anschlossen.
[Tisch 11]
C
arte d'une partie très interessante de la Suisse : à l'usage des voyageurs : elle renferme
principalement une partie du canton de Berne et du Valais et les glaciers qui dominent les
frontières d'Italie / levée et dessinée trigonométriquement et géométriquement par J. H.
Weiss, aux dépens de J. R. M[eyer]
Arau [Aarau] : [Johann Rudolf Meyer], 1796
1 Karte : Kupferdruck ; 66 x 47 cm
UB Bern ZB, Sammlung Ryhiner: Ryh 3211 : 35
Die südostorientierte Karte „Carte d’une partie très interessante de la Suisse“ 1:120 000 von
Johann Heinrich Weiss (1758–1826) aus Strassburg entstand 1796 als Vorarbeit zum „Atlas
Suisse“, der vom Aarauer Seidenbandfabrikanten Johann Rudolf Meyer (1739–1813) auf eigene
Kosten herausgegeben wurde. Das abgebildete Gebiet stimmt mit dem vorgängig erstellten
Relief der Berner und Walliser Hochalpen überein, mit dem Joachim Eugen Müller (1752–1833)
aus Engelberg die schweizerische Gebirgswelt weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt
machte. Im Vorausblatt zum „Atlas Suisse“ sind die Gebirge wirklichkeitsnah dargestellt. Für
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die Gletscherdarstellung wurde eine zweite Druckfarbe verwendet. Die Grenzbänder sind
hingegen noch handkoloriert.
[Tisch 11]
Dufour : [1780–1875] / Sambal Oelek [i.e. Andreas Müller]
Zürich : Verlag bbb Edition Moderne, cop. 1998
56 S. ill. ; 32 cm
UB Bern ZB, RAC 533
Unter dem Pseudonym Sambal Oelek textete und zeichnete der diplomierte ETH-Architekt
Andreas Müller ein wissenschaftliches Comicalbum über Guillaume-Henri Dufour. Er zeigt in
einer Szene, wie die Kommission für Landesaufnahme, welche vom 4. bis 9. Juni 1832
erstmals zusammentraf, am 6. Juni 1832 im Bibliothekssaal der Stadtbibliothek Bern tagt, um
ein umfassendes Konzept für die Vermessung und Kartierung des gesamten schweizerischen
Territoriums inklusive Alpen auszuarbeiten. Die Kommission setzte sich zusammen aus
Johann Ludwig Wurstemberger (1783–1862), Hans Conrad Finsler (1765–1839), Prof. Friedrich
Trechsel (1776–1849), Heinrich Pestalozzi (1790–1857), Johann Kaspar Horner (1774–1834)
und Antoine-Joseph Buchwalder (1792–1883).
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Texte: Dr. Thomas Klöti, Leiter Sammlung Ryhiner
© Universitätsbibliothek Bern
Universitätsbibliothek
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E-Mail:
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