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[39] "Denn zweifach ist der Gebrauch jedes Guts. – Der eine ist dem Ding als solchem eigen, der
andre nicht, wie einer Sankale, zur Beschuhung zu dienen und austaushbar zu sein. Beides sind
Gebrauchswerte der Sandale, denn auch wer die Sandale mit dem ihm Mangelnden, z. B. der
Nahrung austauscht, benutzt die Sandale als Sandale. Aber nicht in ihrer natürlichen Gebrauchs-
weise. Denn sie ist nicht da des Austausches wegen."(Aristoteles,"De Rep.", l.I, c. 9.)
[1*] "Natürlichkeit" – [2*] "Verwandtschaft" – [3*] "ewigen Billigkeit" – [4*] "ewigen Gege n-
seitigkeit" – [5*] "ewigen Wahrheiten" – [6*] "ewigen Gnade", dem "ewigen Glauben", dem
"ewigen Willen Gottes"
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ist. Ob sie andren nützlich, ihr Produkt daher fremde Bedürfnisse befriedigt, kann aber nur ihr Austausch
beweise.
Jeder Warenbesitzer will seine Ware nur veräußern
gegen andre Ware, deren Gebrauchswert sein Bedürf-
nis befriedigt. Sofern ist der Austausch für ihn nur individueller Prozeß. Andrerseits will er seine Ware als
Wert realisieren, also in jeder ihm beliebigen andren Ware von demselben Wert, ob seine eigne Ware nun
für den Besitzer der andren Ware Gebrauchswert habe oder nicht. Sofern ist der Austausch für ihn allge-
mein gesellschaftlicher Prozeß. Aber derselbe Prozeß kann nicht gleichzeitig für alle Warenbesitzer nur
individuell und zugleich nur allgemein gesellschaftlich sein.
Sehn wir näher zu, so gilt jedem Warenbesitzer jede fremde Ware als besondres Äquivalent seiner Ware,
seine Ware daher als allgemeines Äquivalent aller andren Waren. Da aber alle Warenbesitzer dasselbe
tun, ist keine Ware allgemeines Äquivalent und besitzen die Waren daher auch keine allgemeine relative
Wertform, worin sie sich als Werte gleichsetzen und als Wertgrößen vergleichen. Sie stehn daher über-
haupt nicht gegenüber als Waren, sondern nur als Produkte oder Gebrauchswerte.
In ihrer Verlegenheit denken unsre Warenbesitzer wie Faust. Im Anfang war die Tat. Sie haben daher
schon gehandelt, bevor sie gedacht haben. Die Gesetze der Warennatur betätigten sich im Naturinstinkt
der Warenbesitzer. Sie können ihre Waren nur als Werte und darum nur als Waren aufeinander beziehn,
indem sie dieselben gegensätzlich auf irgendeine andre Ware als allgemeines Äquivaent beziehn. Das
ergab die Analyse der Ware. Aber nur die gesellschaftliche Tat kann eine bestimmte Ware zum allgemei-
nen Äquvalent machen. Die gesellschaftliche Aktion aller andren Waren schließt daher eine bestimmte
Ware aus, worin sie allseitig ihre Werte darstellen. Dadurch wird die Naturalform Ware gesellschaftlich
gültige Äquivalentform. Allgemeines Äquivalent zu sein wird durch den gesellschaftlichen Prozeß zur
spezifisch gesellschaftlichen Funktion der ausgeschlossenen Ware. So wird sie – Geld.
"Illi unum consilium habent et virtutem et potestatem suam bestiae tradunt. Et ne quis possit eme-
re aut vendere, nisi qui habet characterem aut nomen bestiae, aut numerum nomisis
ejus."[1*](Apokalypse)
Der Geldkristall ist ein notwendiges Produkt des Austauschprozesses, worin verschiedenartige Arbeits-
produkte einander tatsächlich gleichgesetzt
[1*] "Die haben eine Meinung und werden ihre Kraft und Macht geben dem Tier, daß niemand
kaufen oder verkaufen kann, er habe denn das Malzeichen, nämlich den Namen des Tiers oder die
Zahl seines Namens."
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und daher tatsächlich in Waren verwandelt werden. Die historische Ausweitung und Verteifung des Aus-
tausches entwickelt den in der Warennatur schlummernden Gegensatz von Gebrauchswert und Wert. Das
Bedürfnis, diesen Gegensatz für den Verkehr äußerlich darzustellen, treibt zu einer selbständigen Form
des Warenwerts und ruht und rastet nicht, bis sie endgültig erzielt ist durch die Verdopplung der Ware in
Ware und Geld. In demselben Maße aber, worin sich die Verwandlung der Arbeitsprodukte in Waren,
vollzieht sich die Verwandlung von Ware in Geld.[40]
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Der unmittelbare Produktenaustausch hat einerseits die Form des einfachen Wertausdrucks und hat sie
andrerseits noch nicht. Jene Form war x Ware A = y Ware B. Die Form des unmittelbaren Produktenaus-
tausches ist: x Gebrauchsgegenstand A= y Gebrauchsgegenstand B.[41] Die Dinge A und B sind hier
nicht Waren vor dem Austausch, sondern werden es erst durch denselben. Die erste Weise, worin ein
Gebrauchsgegenstand der Möglichkeit nach Tauschwert ist, ist sein als Nicht-Gebrauchswert, als die un-
mittelbaren Bedürfnisse seines Besitzers überschießendes Quantum von Gebrauchswert. Dinge sind an
und für sich dem Menschen äußerlich und daher veräußerlich. Damit diese Veräußerung wechselseitig,
brauchen Menschen nur stillschweigend sich als Privateigentümer jener veräußerlichen Dinge und eben
dadurch als voneinander unabhängige Personen gegenüberzutreten. Solch ein Verhältnis wechselseitiger
Fremdheit existiert jedoch nicht für die Glieder eines naturwüchsigen Gemeinwesens, habe es nun die
Form einer patriarchalischen Familie, einer altindischen Gemeinde, eines Inkastaates usw. Der Waren-
austausch beginnt, wo die Gemeinwesen enden, an den Punkten ihres Kontakts mit fremden Gemeinwe-
sen oder Gliedern fremder Gemeinwesen. Sobald Dinge aber einmal im auswärtigen, werden sie auch
rückschlagend im innern Gemeinleben zu Waren. Ihr quantitatives Austauschverhältnis ist zunächst ganz
zufällig. Austausch-
[40] Danach beurteile man die Pfiffigkeit des kleinbürgerlichen Sozialismus, der die Warenpro-
duktion verewigen und zugleich den "Gegensatz von Geld und Ware", also das Geld selbst, denn
es ist nur in diesem Gegensatze, abschaffen will. Ebensowohl könnte man den Papst abschaffen
und den Katholizismus bestehen lassen. Das Nähere hierüber sieh in meiner Schrift "Zur Kritik
der Pol. Oekonomie", p. 61 sqq.[1*]
[41] Solange noch nicht zwei verschiedne Gebrauchsgegenstände ausgetauscht, sondern, wie wir
das bei Wilden oft finden, eine chaotische Masse von Dingen als Äquivalent für ein Drittes ange-
boten wird, steht der unmittelbare Produktenaustausch selbst erst in seiner Vorhalle.
[1*] Siehe Band 13 unserer Ausgabe, S.66ff.
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bar sind sie durch den Willensakt ihrer Besitzer, sie wechselseitig zu veräußern. Indes setzt sich das Be-
dürfnis für fremde Gebrauchsgegenstände allmählich fest. Die beständige Wiederholung des Austausches
macht ihn zu einem regelmäßigen gesellschaftlichen Prozeß. Im Laufe der Zeit muß daher wenigstens ein
Teil der Arbeitsprodukte absichtlich zum Behuf des Austausches produziert werden. Von diesem Augen-
blick befestigt sich einerseits die Scheidung zwischen der Nützlichkeit der Dinge für den unmittelbaren
Bedarf und ihrer Nützlichkeit zum Austausch. Ihr Gebrauchswert scheidet sich von ihrem Tauschwerte.
Andrerseits wird das quantitative Verhältnis, worin sie sich austauschen, von ihrer Produktion selbst ab-
hängig. Die Gewohnheit fixiert sie als Wertgrößen.
Im unmittelbaren Produktenaustausch ist jede Ware unmittelbar Tauschmittel für ihren Besitzer, Äquiva-
lent für ihren Nichtbesitzer, jedoch mur soweit sie Gebrauchswert für ihn. Der Tauschartikel erhält also
noch keine von seinem eignen Gebrauchswert oder dem individuellen Bedürfnis der Austauscher unab-
hängige Wertform. Die Notwendigkeit dieser Form entwickelt sich mit der wachsenden Anzahl und Man-
nigfaltigkeit der in den Austauschprozeß eintretenden Waren. Die Aufgabe entspringt gleichzeitig mit den
Mitteln ihrer Lösung. Ein Verkehr, worin Warenbesistzer ihre eignen Artikel mit verschiednen andren
Artikeln austauschen und vergleichen, findet niemals statt, ohne daß verschiedne Waren von verschiednen
Warenbesitzern innerhalb ihres Verkehrs mit einer und derselben dritten Warenart ausgetauscht und als
Werte verglichen werden. Solche dritte Ware, indem sie Äquivalent für verschiedne andre Waren wird,
erhält unmittelbar, wenn auch in engen Grenzen, allgemeine oder gesellschaftliche Äquivalentform. Diese
allgemeine Äquivalentform entsteht und vergeht mit dem augenblicklichen gesellschaftlichen Kontakt,
der sie ins Leben rief. Abwechselnd und flüchtig kommt sie dieser oder jener Ware zu. Mit der Entwick-
lung des Warenaustausches heftet sie sich aber ausschließlich fest an besondere Warenarten oder kristalli-
siert zur Geldform. An welcher Warenart sie kleben bleibt, ist zunächst zufällig. Jedoch entscheiden im
großen und ganzen zwei Umstände. Geldform heftet sich entweder an die wichtigsten Eintauschartikel
aus der Fremde, welche in der Tat naturwüchsige Erscheinungsformen des Tauschwerts der einheim i-
schen Produkte sind, oder an den Gebrauchsgegenstand, welcher das Hauptelement des einheimischen