Hinterpommern
Vergessene Dörfer - Kleine Städte - Große Namen
Elsbeth Vahlefeld
EDITION POMMERN
2017
Titelbild:
Allee nach Gatz.
Aquarell Heinrich Eugen von Zitzewitz.
Autorin: Elsbeth Vahlefeld
Titel: Hinterpommern
Vergessene Dörfer - Kleine Städte - Große Namen
Elmenhorst/Vorpommern: Edition Pommern 2017
ISBN: 978-3-939680-36-9
www.edition-pommern.com
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Ein bisschen Geschichte muss sein
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Wer ist Pommer, wer ist Pole
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Europäische Akademie Külz-Kulice, eine deutsch-polnische
Begegnungsstätte
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Die Erinnerung an Gäste bleibt: Ilona Zwierz aus Stolp,
Leben zwischen zwei Welten
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Uwe Johnson und Darsewitz
– Heimat ist, wo die Erinnerung Bescheid weiß –
40
Von der Verbundenheit Ehm Welks mit Hinterpommern
– Kohl und Bohnen werden immer gebraucht –
45
Der Archäologe Otto Puchstein und Labes
52
Rudolf Virchow und Schivelbein
– Unser Pommern aber ist das gelobte Land –
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Von der Agrargesellschaft hinterpommerscher Dörfer
vor und nach 1945
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Muttrin ein typisches hinterpommersches Dorf
68
Geschichte des Dorfes Muttrin und die Familie von Zitzewitz
74
Martin von Zitzewitz und die Gedächtniskapelle in Muttrin
78
Jacob von Zitzewitz, der Kanzler aus Muttrin
82
Die letzten beiden Gutsbesitzer von Muttrin
85
Der Rittmeister: Friedrich-Karl Nicolaus Constantin von Zitzewitz 87
Der Assessor: Friedrich-Karl Wilhelm Ernst Nikolaus von Zitzewitz 95
Die wirtschaftliche Lage des Gutes Muttrin
102
Was dem Gut und was den Leuten gehörte
104
Von den Zitzewitzschen Frauen aus Muttrin
111
Wir waren im Muttriner Schloss
115
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Die Budower Kirche
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Der botanisierende Pastor Homann und das Franzosenkraut
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cHuLcHroniken
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139
Die Schule und die Schulchronik von Muttrin
143
Hermann Bohm, Mittelschullehrer, Geograph und Kartograph
151
Reinhold Schardin, Dorfschullehrer, Musiker und Bienenzüchter 156
Franz Frenzel, Hilfsschullehrer und Heilpädagoge
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mitbestimmend
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Der Landkreis Stolp – Ein Mittelpunkt pommerscher Künstler – 166
Günter Machemehl sucht Pommern, das Land! Das ferne leuchtet 170
Heinrich Eugen von Zitzewitz
– Mit dem Pinsel durch Hinterpommern –
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Trieglaff, ein Mittelpunkt pommerscher Pietisten
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Die Altlutheraner in Klein Gansen und Versin
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einst
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jetzt
Adelssitze sind Zeugnisse historischer Kulturlandschaften
204
Reisebeschreibungen und Schlössermonographien
halten die Erinnerung wach
210
Von Schloss zu Schloss in Hinterpommern
216
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Konkordanz deutsch-polnisch
225
Konkordanz polnisch-deutsch
227
Quellen- und Literaturverzeichnis
230
Abbildungsverzeichnis
238
Ortsverzeichnis
239
Personenverzeichnis
243
Dank
253
5
VORAB
„Wo bist Du geboren?“
„In Muttrin, Kreis Stolp, Pommern!“
Etwas später fragte meine Mutter wieder: „Wo bist Du geboren?“
Meine Antwort: „In Muttrin, Kreis Stolp, Pommern!“
„Ja, richtig. Merke Dir das genau.“
„Warum?“
„Wenn wir flüchten müssen und Dich verlieren sollten“, sagte meine Mutter, „Deinen
Namen weißt Du ja.“
Ja, den wusste ich, und wir mussten flüchten.
Am 8. März 1945 verließen wir für immer Muttrin.
Ich ging nicht verloren.
Im September 1971 kam ich erstmals nach Kriegsende wieder nach Muttrin zurück.
Meine Erinnerungen an Hinterpommern reichen in meine Kindheit
zurück, denn Muttrin, mein Geburtsort, liegt im Kreis Stolp, und das ist
ganz weit im Osten Hinterpommerns, fast dort, wo die Kaschuben zu Hause
sind. In dem kleinen Dorf verlebte ich die ersten Kinderjahre geborgen in
einem familiären Umfeld mit Eltern, Geschwistern, Großeltern, Tanten
und anderen Verwandten. Es war nur eine kurze Kindheit in Pommern.
Mit meiner Heimat verbindet mich etwas wehmütig Schmerzliches, das
sich in den ersten Jahren nach der Flucht im Jahre 1945 ergeben hat.
Meine Mutter traf sich in dieser Zeit sehr häufig mit ebenfalls geflüchteten
Muttrinern und nahm meine Geschwister und mich stets zu den Treffen
mit. Sie brauchte diese Treffen, sie gaben ihr einen gewissen Halt in ihrer
Einsamkeit und die Hoffnung, bald wieder nach Hause zu kommen.
Die Gespräche drehten sich regelmäßig um Muttrin und die vergangene
schöne Zeit. Immer wieder wurde gefragt: „Wann können wir wieder nach
Hause zurückmachen?“ Oder es wurden Zukunftspläne geschmiedet:
„Wenn wir erst bloß wieder zu Hause sind, dann....“ Es fiel eigentlich
nie das Wort „Heimat“, sondern es drehte sich alles um das „Zuhause“.
6
Ostsee bei Deep.
„Pommern und die Ostsee [...] waren für mein ganzes Schaffen mitbestimmend
und ich zehre noch jetzt an den Erlebnissen, die ich dort hatte. Hier gibt es nichts,
was damit zu vergleichen wäre.“
(Lyonel Feininger, New York, 1951)
7
Dieses Zuhause, das waren nahe stehende Menschen, besondere
Begebenheiten, war die Wohnung, war die Landschaft und waren Feste,
die man früher gefeiert hatte. Begleitet wurden die Gespräche immer mit
vielen Tränen, und die Erwachsenen sangen das wehmütige Pommernlied:
„Wenn in stiller Stunde Träume mich umwehn,/bringen frohe Kunde
Geister ungesehn,/reden von dem Lande meiner Heimat mir,/hellem
Meeresstrande, düsterm Waldrevier.“ Das Lied hat fünf Strophen und alle
wurden sie mit Inbrunst, aber auch mit teils versagender Stimme gesungen.
Für mich haben sich die um ihre Heimat weinenden Erwachsenen, meistens
waren es Frauen, stark eingeprägt, und Muttrin wurde immer mehr zu einem
Ort, an dem alles besser und schöner war als in Elmshorn, dem Wohnort
in Schleswig-Holstein, in den es uns nach der Flucht „verschlagen“ hatte.
Dort lebten wir zwar, aber es war nicht unser „Zuhause“; unsere Sehnsucht
und unsere Gespräche drehten sich immerzu um „Muttrin“. Deshalb weiß
meine Erinnerung hier Bescheid. Dass das heutige Muttrin, das nun auf
Polnisch Motarzyno heißt, mit meinem Erinnerungs-Muttrin kaum etwas
gemein hat, steht auf einem anderen Blatt. Eine Angehörige der Familie
von Zitzewitz, deren Familie mehrere Jahrhunderte in Muttrin ansässig
war, sagte nach einem Besuch ihres Heimatortes und nach einem Rundgang
durch das dortige Schloss im Jahre 2002: „Muttrin stirbt!“ Ich möchte das
etwas relativieren: Muttrin stirbt nicht tatsächlich, aber als einstige Heimat
verblasst es immer mehr und ist nur noch in der Erinnerung weniger
Menschen vorhanden.
Irgendwann habe ich angefangen, Material über meinen Heimatort
Muttrin und über die Familie von Zitzewitz zu sammeln. Muttrin war
fast 600 Jahre im Besitz der Familie von Zitzewitz, die zu den ältesten
Adelsgeschlechtern Pommerns gehört. Überreichlich sind Informationen
zusammengekommen, die ich von ehemaligen Muttrinern erhielt oder die
ich mir aus einschlägiger Literatur besorgt habe. Dabei bin ich auf Details
gestoßen, die bereits von der Nachwelt völlig vergessen irgendwo im Dunkel
der Geschichte lagern. Und seit 1971 bin ich dann wiederholt nach Muttrin
gefahren und habe nach Spuren meiner Vorfahren und meiner eigenen
Kindheit gesucht. Darüber will ich schreiben.
Ein weiterer Ort in Hinterpommern, der mir viel bedeutet, ist Külz.
Dieser Ort liegt an der Landstraße, die von Naugard nach Regenwalde führt.
Külz ist ein Dorf, das außer einer Kirche aus deutscher Zeit und einigen
älteren, ebenfalls aus deutscher Zeit stammenden Wohnhäusern für Fremde
nichts Sehenswertes zu bieten hat. Einzig das ehemalige Gutshaus der
8
Familie von Bismarck fällt auf. Es erregt die Neugier der Vorbeifahrenden.
Hier hatte von 1995 bis 2013 die Europäische Akademie, eine deutsch-
polnische Begegnungsstätte, ihr Domizil. In den fast zwanzig Jahren
ihres Bestehens fanden hier Seminare und Tagungen sowie Begegnungen
zwischen Deutschen und Polen statt. Einwohner aus Kulice, so heißt Külz
heute, hauptsächlich Frauen, fanden in der Akademie eine, wenn auch
nur geringfügige, Beschäftigung. Die wenigen örtlichen Honoratioren,
Lehrer und der katholische Pfarrer, hielten ständig Kontakt zu Lisaweta
von Zitzewitz, der Leiterin der Akademie, einer Slawistin und engagierten
„Versöhnlerin“ zwischen Deutschen und Polen. Ihr Anliegen, den Besuchern
die Geschichte und Kultur Deutschlands und Polens näher zu bringen, für
gegenseitiges Verständnis zu werben und zu einer dauerhaften Aussöhnung
zwischen den einst verfeindeten Nationen beizutragen, hat sie trotz aller
Schwierigkeiten verwirklichen können. In Seminaren und Tagungen,
insbesondere aber bei Exkursionen in die angrenzenden Regionen, ist mir
Hinterpommern mit seiner deutschen Vergangenheit, aber auch mit seiner
polnischen Gegenwart ans Herz gewachsen.
Muttrin heißt heute auf Polnisch Motarzyno und Külz hat den polnischen
Namen Kulice erhalten. Nach 1945 haben die polnischen Behörden
die Ortsbezeichnungen in den von ihnen eingenommenen Gebieten
systematisch umbenannt. Das ist verständlich. Es hat aber dazu geführt,
dass in deutschsprachigen Abhandlungen, auch in Straßenkarten, häufig
nur der polnische Name verwandt wird, allenfalls wird der alte deutsche
Name in Klammern gesetzt oder mit einem Schrägstrich kenntlich gemacht.
Ich verwende überwiegend die deutschen Ortsnamen. Eine angefügte
Wortkonkordanz deutscher und polnischer Ortsbezeichnungen soll Lesern
und Leserinnen eine Orientierungshilfe sein.
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