Konstantin der Grosse: Kaiser, Mörder, HeiliGer
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2013
in der Form in den römischen staatskult zu integrieren, in der es verlangt gewesen wäre. ihr aus dem Juden-
tum übernommener Monotheismus verbot es ihnen streng, den römischen Göttern opfer darzubringen
und den Kaiser als Gott zu verehren.
3.3 Die „KritisChe loyAlität“ Der ChristeN GeGeNüber DeM röMisCheN stAAt
Gleichzeitig lehnten die Christen es nicht prinzipiell ab, sich in den römischen staat zu integrieren. Grund-
sätzlich waren sie rom gegenüber loyal eingestellt, in einigen für sie wichtigen Fragen – wie der teilnahme
am staatskult – jedoch hatte diese loyalität ihre Grenzen. dieses spannungsverhältnis veranlasst den Kir-
chenhistoriker Karl suso Frank, von einer „kritischen loyalität“ der Christen gegenüber rom zu sprechen.
Gut biblisch lässt sich diese Form der loyalität dabei mit Hilfe des sich in Mt 22 findenden diktums Jesu auf
den Punkt bringen. dort fordert Jesus: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott ge-
hört.“ neben dieser stelle aus dem Matthäusevangelium gibt es eine ganze reihe neutestamentlicher und
anderer frühchristlicher texte, die weitere Zeugnisse für die besagte spannungsreiche kritische loyalität
geben und die sich gut als Grundlage für eine weiterführende diskussion eignen:
diskussionvorschlag: nehmen sie die in der Materialsammlung unter M2 angegebenen texte als Grundlage
und arbeiten sie heraus, inwiefern sich die Christen dem römischen staat gegenüber in „kritischer loyalität“
verhielten. Mögliche leitfragen:
● lassen die texte eine positive oder eine negative Haltung gegenüber der römischen obrigkeit erken-
nen?
● Wie argumentieren die texte bezüglich dieser Haltung?
3.4 WelChe fAsZiNAtioN übte DAs ChristeNtUM iN Der spätANtiKe AUs? (Ab 06:36)
im vierten Jahrhundert stellten die Christen keine zahlenmäßig starke Gruppe im römischen reich dar (ca.
10-15 % im osten, ca. 5 % im Westen). dennoch, so die these der dokumentation, übte das Christentum
damals eine große Faszination aus. als aufhänger für die Betrachtung dieser Faszination dient dem Film ein
Besuch der an der römischen Via appia gelegenen Calixtus-Katakombe. Begleitet wird das team dabei von
Hans-Jürgen Beste vom deutschen archäologischen institut in rom.
exKUrs „KAtAKoMbeN“
Mit dem Wort „Katakombe“ wird im vorliegenden Kontext eine unterirdische antike „Begräbnisstätte“ oder „Grab-
anlage“ (lat. coemeterium) bezeichnet. Im Unterschied zu kleineren Privatanlagen boten die meist in weichen
Tuffstein gehauenen und oft weitverzweigten und labyrinthartigen Gangsysteme Platz für die Bestattung vieler
Menschen. Ihren Namen verdanken die „Katakomben“ einer ganz bestimmten Begräbnisstätte: dem an der Via
Appia und in der Nähe der Basilika San Sebastiano gelegenen coemeterium catacumbas. Dieses coemeterium
war als einziges über die Zeiten hinweg zugänglich geblieben und stand Pate für alle anderen Grabanlagen, die
in ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise dem coemeterium catacumbas ähnelten und infolgedessen als „Kata-
komben“ bezeichnet wurden. Das Wort catacumbas hat seine Ursprünge im Griechischen und setzt sich zusam-
men aus kata (hier= bei) und kymbai (= Schluchten, Mulden). Es bedeutet ungefähr so viel wie „bei den Schluch-
ten“ oder „bei den Mulden“, was auf den antiken Flurnamen dieser Begräbnisstätten hinweist.
Die Bestattung in Katakomben war für die Christen aus verschiedenen Gründen attraktiv. Zum einen zogen sie
– wie auch in der Dokumentation erwähnt – aufgrund ihres leiblichen Auferstehungsglaubens eine Erdbestat-
tung der Feuerbestattung vor, die zumindest bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts die bei den Römern ver-
breitetere Begräbnisform war. Darüber hinaus war das Begräbnis in einer Katakombe auch weitaus kostengün-
stiger als in einem Privatmausoleum, das sich nur die wenigsten leisten konnten. So eröffnete das Katakomben-
Begräbnis die Möglichkeit, auch ärmeren Gemeindemitgliedern eine angemessene Erdbestattung zu gewäh-
ren. Auch aufgrund der in den Katakomben gefundenen bildlichen Darstellungen stellen die Katakomben
wichtige Zeugnisse des antiken christlichen Lebens dar.
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im Film wird werden die Katakomben als symbole für die Widerstandskraft der frühen Christen bezeichnet.
diese, so Hans-Jürgen Beste, hätten aus verschiedenen Gründen eine große Faszination auf die damaligen
Menschen ausgeübt.
● die Christen hätten alle sozialen schichten angesprochen. im Unterschied zu vielen anderen in rom
verbreiteten Kulten habe die teilnahme am christlichen Kult allen offen gestanden.
● es sei kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht worden, beide seien gleichermaßen
zum Kult zugelassen gewesen.
● die nächstenliebe habe diese Form des Glaubens auf eine ganz neue ebene gestellt.
ergänzt werden diese Feststellungen Hans-Jürgen Bestes durch den Hinweis auf die standhaftigkeit der
Christen, welche elisabeth Herrmann-otto zufolge die römer – und vielleicht auch Konstantin selbst – stark
beeindruckte. auch im angesicht der Verfolgungen seien viele Christen nicht von ihrem Glauben abgefal-
len und hätten für ihre Überzeugung das Martyrium erlitten. ob Konstantin tatsächlich von der standhaf-
tigkeit der Christen beeindruckt war, lässt sich historisch gesehen nicht mit Gewissheit sagen, dazu fehlen
schlicht die Quellen. Was die übrigen der genannten Punkte betrifft, bedürfen sie ebenfalls der differenzie-
rung und ergänzung.
erGäNZUNGeN UND DiffereNZierUNGeN
a) Zur standhaftigkeit der Christen
dass viele Christen das Martyrium für ihren Glauben auf sich nahmen, ist sicherlich richtig. Gleichzeitig wis-
sen wir, dass viele dem Verfolgungsdruck nicht standhielten und dauerhaft oder zumindest zeitweise vom
Christentum abfielen. davon zeugt eine Vielzahl von debatten, die vor allem im vierten Jahrhundert mit
Blick auf die Frage geführt wurde, wie man mit denen umgehen sollte, die unter dem druck der Verfolgun-
gen vom Christentum abgefallen waren und nun wieder in die Kirche zurückkehren wollten. Wäre nicht
eine bedeutende Zahl der Christen abgefallen, hätten diese diskussionen keinen sinn gemacht. eine be-
rühmte auseinandersetzung stellte dabei der sogenannte „donatistenstreit“ dar, der die Kirche nordafrikas
bewegte. die nach Bischof donatus von Karthago († um 355) benannte Bewegung der donatisten sprach
sich streng gegen eine Wiederaufnahme der abgefallenen (auch lapsi oder traditores genannt) aus. die
donatisten gingen dabei sogar so weit, dass sie die sakramente, welche von später abgefallenen Priestern
gespendet worden waren, als ungültig betrachteten und sich im Zuge der auseinandersetzung um diese
Fragen von der Großkirche abspalteten. auch wenn sich der eigentliche Konflikt auf nordafrika beschränkte,
griff Konstantin als Kaiser ab 316 selbst in die debatte ein und bezog Position gegen die donatisten. dass
diese Versuche allerdings nicht sehr erfolgreich waren, zeigt der Umstand, dass noch der Kirchenvater au-
gustinus (354-430) sich zu Beginn des fünften Jahrhunderts mit dem donatismusstreit beschäftigte.
literAtUrtipps ZUM DoNAtisteNstreit
● Karl suso Frank: Grundzüge der Geschichte der alten Kirche, darmstadt 1993.
● Peter Brown: augustinus von Hippo, München 2000.
Heutzutage sind die zu den Katakomben gehörigen oberirdischen Anlagen in aller Regel nicht mehr erhalten.
Beispiele für diese Form der Grabanlage finden sich vor allem in Rom (ca. 70 Katakomben), zudem aber auch
in Neapel, in Latium und auf Sizilien und Malta.
Quelle und Lesetipp:
● norbert Zimmermann: art. „Katakomben“, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hrsg. von Hu-
bert Cancik / Helmuth schneider /
Manfred landfester, stuttgart 1999.