81
Der Computer hat unsere Welt verändert – darüber besteht kein Zweifel. Seit den
1970erJahren verbreiten sich Bildschirmarbeitsplätze in Büros aller Art,
und seit
der Jahrhundertwende bewegen sich vor allem Jugendliche kaum mehr ohne ihre
elektronischen Begleiter am Ohr oder in der Hosentasche. Diese bloss äusseren
Anzeichen verweisen aber auf eine viel tiefer reichende Veränderung, nämlich auf
unseren verstärkten Umgang mit virtuellen Grössen: Information, Musik, Bilder
usw. Diese neue Technik wiederum lässt sich sehr vielseitig einsetzen, für Beruf
und Freizeit, für Kontakte zu anderen Menschen, aber auch umgekehrt zur Ab
schottung in einer völlig privaten Musikwolke. Die neue Informationstechnik kann
vielfältigsten
Zwecken dienen, positiven und negativen.
Diese Entwicklung überlagert alle Gruppen in unserer Gesellschaft mehr oder
weniger intensiv, am intensivsten wohl die Jugendlichen. Und diese stehen gross
mehrheitlich in Ausbildung, weshalb sich Schulen aller Stufen und Typen zwingend
mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie sie am zweckmässigsten mit der In
formatik umgehen.
Besonders wichtig sind solche Überlegungen für jene Schulstufen und typen,
bei denen intellektuelle Fähigkeiten und Informationen im Zentrum stehen, wo
also junge Leute auf Berufstätigkeiten
vorbereitet werden, bei denen es um Wissen,
Überblick und Innovation geht. Ihr Weltverständnis muss daher heute nicht nur
die klassischen Geistes und Naturwissenschaften, sondern auch grundlegende
Aspekte der Informatik umfassen. Dabei steht aber – etwa aus Sicht des Gym na
siums – nicht Informatikanwenderwissen im Vordergrund, mit dem die meisten
Schülerinnen und Schüler inzwischen bereits ins Gymnasium eintreten.
Im Zentrum
eines gymnasialen Informatikunterrichts für alle Studierenden muss der Zugang zu
jenen neuartigen, wissenschaftlich und gesellschaftlich relevanten Phänomenen
geöffnet werden, die mit dem Computer direkt verbunden sind. Dazu gehören die
Formulierung automatischer Prozesse (Programmierung), die Organisation grosser
4.1
Unsere Welt hat sich verändert
Informatikdenken in anderen Disziplinen
82
Informatikdenken in anderen Disziplinen
Datenmengen, das Arbeiten
mit Simulationsmodellen, das Wissen um – durchaus
existierende – Grenzen der Berechenbarkeit sowie ein Bewusstsein gegenüber den
in der Informationswelt neuartigen Gefahren und dem nötigen Datenschutz.
Ein solches Informatikgrundverständnis ist heute notwendig als Basis sowohl
für jede Art von Hochschulstudium als auch für die meisten höher qualifizierten
Berufstätigkeiten. Im vorliegenden Kapitel sollen verschiedene Aspekte einer sol
chen Informatik für alle auf der Stufe der höheren Allgemeinbildung (Gymnasium)
vorgestellt werden.
83
Informatikdenken in anderen Disziplinen
Computer sind in unserem Alltag deshalb so schnell allgegenwärtig geworden, weil
sie dem Menschen erstmals ein universelles
Arbeitsinstrument bieten, mit dem er
verschiedenste Objekte seiner Denktätigkeiten – Texte, Bilder, Musik, Messdaten
usw. –, in einer einheitlichen Umgebung konsumieren, festhalten (speichern), ver
ändern und gestalten sowie auch an andere weiterschicken und verbreiten kann.
Aber nur ein kompetenter Umgang mit diesen Möglichkeiten kann unser Leben
echt bereichern und viele Aufgaben vereinfachen. Computernutzer, denen die not
wendigen fachlichen Kompetenzen fehlen, werden durch Computer oft einge
schüchtert oder setzen die Technik unsachgemäss ein. Damit
riskieren sie allenfalls
auch massive materielle und immaterielle Schäden für sich oder für Dritte.
Um die Angebote der Informatik nutzbringend anwenden zu können und nega
tive Effekte und Verluste, die wir alle in der einen oder anderen Form schon selbst
erlebt haben, zu verhindern oder mindestens zu reduzieren, müssen die oben an
gesprochenen Kompetenzen als Lernziele für verschiedene Bildungsstufen formu
liert werden. Zu diesen Lernzielen gehört auf der Gymnasialstufe sicher die Fähig
keit, zwei extrem gegensätzliche Eigenschaften von Computersystemen richtig
einordnen zu können, nämlich einerseits ihre Einfachheit und andererseits ihre
Komplexität, eine typische Dichotomie:
1 Einfachheit
Dank intuitiv zu bedienenden, interaktiven grafischen Nutzeroberflächen wur
de die Nutzung des Computers so einfach und natürlich
wie die eines Telefons
oder eines Fernsehers, oft sogar noch einfacher.
2 Komplexität
Jeder Computer arbeitet intern aufgrund von Programmen, das heisst von Be
fehlsfolgen für seine digitale Elektronik, die nach Bedarf wiederholt, variiert
oder auch abgebrochen werden können. Diese lassen sich praktisch unbe
4.2
Informatikverständnis – wichtig
auch für Nichtinformatiker