„einen Menschenraub begehen, für den üblen Täter noch ein



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Plagiat
Ein Plagiat: da denken wir an gestohlene literarische Texte und Popmelodien, an imitierte Markenuhren und –textilien und neuerdings noch an Diplom- und Doktorarbeiten, die ein Examenskandidat statt aus den Brüsten seiner Alma Mater dreist aus dem Internet herunterlädt. Ursprünglich deutete das Wort auf unvergleichlich Übleres, auf Menschenraub und Menschenhandel, Piraterie und Geiselnahme. Hinter dem „Plagiat“ steht zunächst ein seltenes lateinisches plagium, das erstmals in Augusteischer Zeit im Sinne einer Großwildjagd mit Hunden und Netzen begegnet und im 2. Jahrhundert n. Chr. auf den juristischen Tatbestand des Menschenraubs übertragen wurde; der dazu gehörige plagiarius erscheint bei Cicero sogleich im Sinne eines politischen Bauernfängers. In der Spätantike ist für die üble Tat noch das Verb plagiare, „einen Menschenraub begehen“, für den üblen Täter noch ein plagiator, ein notorischer „Menschenräuber“, hinzugekommen.

Ein plagium ist buchstäblich eine „Netzerei“, ein plagiarius ein „Netzer“; darin steckt eine lateinische plaga, die im Großen einen weit ausgedehnten Landstrich oder Himmelsstrich, im Kleinen das gleicherweise breit ausgespannte weitmaschige „Netz“ bezeichnet, wie die Jäger es zur Jagd auf Eber und Hirsche gebrauchten. In seiner „Liebesfibel“ nimmt Ovid das Bild auf: Die Mädchen ließen sich, ermuntert er den Liebenden, doch allesamt fangen, „und du wirst sie fangen; spann du nur deine Netze aus! – tu modo tende plagas!“ Eine Pompejanische Wandinschrift nennt die Liebesgöttin Venus eine plagiaria, eine bestrickende „Menschenfängerin“. Doch im Ganzen deuten die Ableitungen plagium und plagiarius in späterer Zeit durchweg auf widerrechtliche Versklavung und Hehlerei, Entführung und Erpressung.

Damit sind wir auf dem Weg von der Eberjagd zum Plagiat aber erst auf halber Strecke. Das Missing Link zwischen der Versklavung einer freien Bürgers und der Aneignung, sozusagen der Versklavung geistigen Eigentums finden wir im 1. Jahrhundert n. Chr. bei dem großen Spötter Martial, im ersten Buch seiner Epigramme, unter Nr. 52. Irgendein Versemacher hatte Martials Gedichte an der Party irgendeines Quintianus unverfroren als die seinen vorgetragen, und nun ersucht Martial diesen Quintianus für den Wiederholungsfall förmlich um Rechtsbeistand für seiner derart „versklavten“ Geisteskinder:
„… Wenn sie sich über diesen Sklavendienst beklagen

und der Bursche sich dann noch ihren Herrn nennt,

sag, sie seien die Meinen, Freigelass’ne!

Ruf das drei- oder viermal in die Runde,

und bring so diesem Menschenräuber Scham bei! – impones plagiario pudorem!“
Gleich im folgenden Epigramm nimmt Martial wohl den gleichen Plagiator – hier nennt er ihn Fidentinus – noch einmal ins Visier, und schon vorher im gleichen Buch, unter Nr. 38. hatte er auf ebendiesen Fidentinus ein geschliffenes, raffiniertes Distichon abgeschossen:
„Das du da rezitierst, das Buch, Fidentinus, ist meines;

doch so schlecht rezitiert, fängt es an, deines zu sein.“


Über das einprägsame Bild, in dem Martial seine in die Öffentlichkeit entlassenen Verse als seine freigelassenen Sklaven für sich in Anspruch nimmt und jenen unverschämten Versedieb folgerecht als einen plagiarius, ihren „Entführer“ und „Kidnapper“, an den Pranger stellt, ist das „Plagiat“ zu seiner heute geläufigen Bedeutung gekommen. In der Neuzeit erscheint das Wort ausschließlich noch in diesem Sinne eines geistigen Diebstahls. Im späten 16. Jahrhundert ist aus dem plagiarius ein französischer plagiere und dann ein plagiaire geworden, im späten 17. Jahrhundert aus einem plagiatum, einem derart „entführten, gekidnappten (Geisteskind)“ ein französisches plagiat. Als im 18. Jahrhundert das – nun wieder lateinisch ausgesprochene, nun wieder sächliche – „Plagiat“ im Deutschen heimisch wurde und im 19. Jahrhundert der prägerische plagiator aus dem Lateinischen hinzukam, war von Martials Urheberrecht an dem reizvollen Bild längst nicht mehr die Rede. Aber da ruft keiner mehr nach einem Rechtsbeistand: In der Wortgeschichte sind Plagiate gang und gäbe.
Klaus Bartels
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