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Begriff der menschlichen Gleichheit bereits die Festigkeit eines Volksvorurteils besitzt. Das ist aber erst
möglich in einer Gesellschaft, worin die Warenform die allgemeine Form des Arbeitsprodukts, also auch
das Verhältnis der Menschen zueinander als Warenbesitzer das herrschende gesellschaftliche Verhältnis
ist. Das Genie des Aristoteles glänzt grade darin, daß er im Wertausdruck der Waren ein Gleichheitsver-
hältnis entdeckt. Nur die historische Schranke der Gesellschaft, worin er lebte, verhindert ihn herauszu-
finden, worin denn "in Wahrheit" dies Gleichheitsverhältnis besteht.
4. Das Ganze der einfache Wertform
Die einfache Wertform einer Ware ist enthalten in ihrem Wertverhältnis zu einer verschiedenartigen Ware
oder im Austauschverhältnis mit derselben. Der Wert der Ware A wird qualitativ ausgedrückt durch die
unmittelbare Austauschbarkeit der Ware B mit der Ware A. Er wird quantitativ ausgedrückt durch die
Austauschbarkeit eines bestimmten Quantums der Ware B mit dem gegebenen Quantum der Ware A. In
andren Worten :
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Der Wert einer Ware ist selbständig ausgedrückt durch seine Darstellung als "Tauschwert". Wenn es im
Eingang dieses Kapitels in der gang und gäben Manier hieß : Die Ware ist Gebrauchswert und Tau-
schwert, so war dies, genau gesprochen, falsch. Die Ware ist Gebrauchswert oder Gebrauchsgegenstand
und "Wert". Sie stellt sich dar als dies Doppelte, was sie ist, sobald ihr Wert eine eigne, von ihrer Natural-
form verschiedene Erscheinungsform besitzt, die des Tauschwerts, und sie besitzt diese Form niemals
isoliert betrachtet, sondern stets nur im Wert- oder Austauschverhältnis zu einer zweiten, verschiedenarti-
gen Ware. Weiß man das jedoch einmal, so tut jene Sprechweise keinen Harm, sondern dient zur Abkür-
zung.
Unsere Analyse bewies, daß die Wertform oder der Wertausdruck der Ware aus der Natur des Waren-
werts entspringt, nicht umgekehrt Wert und Wertgröße aus ihrer Ausdrucksweise als Tauschwert. Dies ist
jedoch der Wahn sowohl der Merkantilisten und ihrer modernen Aufwärmer, wie Ferrier, Ganilh usw[22],
als auch ihrer Antipoden, der modernen Freihandels-Commis-Voyageurs, wie Bastiat und Konsorten. Die
Merkantilisten legen das Hauptgewicht auf die qualitative Seite des Wertausdrucks, daher auf die Äqui-
valentform der Ware, die im Geld ihre fertige Gestalt besitzt – die modernen Freihandelshausierer dage-
gen, die ihre Ware um jeden Preis losschlagen müssen, auf die quantitative Seite der relativen Wertform.
Für sie existiert folglich weder Wert noch Wertgröße der Ware außer in dem Ausdruck durch das Aus-
tauschverhältnis, daher nur im Zettel des täglichen Preiskurants. Der Schotte Macleod, in seiner Funktion,
die kreuzverwirrten Vorstellungen von Lombardstreet möglichst gelehrt herauszuputzen, bildet die gelun-
gene Synthese zwischen den abergläubigen Merkantilisten und den aufgeklärten Freihandelshausierern.
Die nähere Betrachtung des im Wertverhältnis zur Ware B enthaltenen Wertausdrucks der Ware A hat
gezeigt, daß innerhalb desselben die Naturalform der Ware A nur als Gestalt von Gebrauchswert, die
Naturalform der Ware B nur als Wertform oder Wertgestalt gilt. Der in der Ware eingehüllte innere Ge-
gensatz von Gebrauchswert und Wert wird also dargestellt durch einen äußeren Gegensatz, d. h. durch das
Verhältnis zweier Waren, worin
[22] Note zur 2. Ausg. F. L. A. Ferrier(sous-inspecteur des douanes[1*]),"Du Gouvernement con-
sidéré dans ses rapports avec le commerce", Paris 1805, und Charles Ganilh, "Des Systèmes
d'Économie Politique", 2ème éd., Paris 1821.
[1*] Unterinspektor des Zollwesens
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die eine Ware,
deren Wert ausgedrückt werden soll, unmittelbar nur als Gebrauchswert, die andre Ware
hingegen, worin Wert ausgedrückt wird, unmittelbar nur als Tauschwert gilt. Die einfache Wertform einer
Ware ist also die einfache Erscheinungsform des in ihr enthaltenen Gegensatzes von Gebrauchswert und
Wert.
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Das Arbeitsprodukt ist in allen gesellschaftlichen Zuständen Gebrauchsgegenstand, aber nur eine histo-
risch bestimmte Entwicklungsepoche, welche die in der Produktion eines Gebrauchsdings verausgabte
Arbeit als seine "gegenständliche" Eigenschaft darstellt, d. h. als seinen Wert, verwandelt das Arbeitspro-
dukt in Ware. Es folgt daher, daß die einfache Wertform der Ware zugleich die einfache Warenform des
Arbeitsprodukts ist, daß also auch die Entwicklung der Warenform mit der Entwicklung der Wertform
zusammenfällt.
Der erste Blick zeigt das Unzulängliche der einfachen Wertform, dieser Keimform, die erst durch eine
Reihe von Metamorphosen zur Preisform heranreift.
Der Ausdruck in irgendwelcher Ware B unterscheidet den Wert der Ware A nur von ihrem eignen Ge-
brauchswert und setzt sie daher auch nur in ein Austauschrerhältnis zu irgendeiner einzelnen von ihr
selbst verschiednen Warenart, statt ihre qualitative Gleichheit und quantitative Proportionalität mit allen
andren Waren Waren darzustellen. Der einfachen relativen Wertform einer Ware entspricht die einzelne
Äquivalentform einer andren Ware. So besitzt der Rock, im relativen Wertausdruck der Leinwand, nur
Äquivalentform oder Form unmittelbarer Austauschbarkeit mit Bezug auf diese einzelne Warenart Lein-
wand.
Indes geht die einzelne Wertform von selbst in eine vollständigere Form über. Vermittelst derselben wird
der Wert einer Ware A zwar in nur einer Ware von andrer Art ausgedrück. Welcher Art aber diese zweite
Ware, ob Rock, ob Eisen, ob Weizen usw., ist durchaus gleichgültig. Je nachdem sie also zu dieser oder
jener andren Warenart in ein Wertverhältnis tritt, entstehn verschiedne einfache Wertausdrücke einer und
derselben Ware[22a]. Die Anzahl ihrer möglichen Wertausdrücke ist nur beschränkt durch die Anzahl
von ihr verschiedner Warenarten. Ihr vereinzelter Wertausdruck verwandelt sich daher in die stets verlän-
gerbare Reihe ihrer verschiednen einfachen Wertausdrücke.
[22a] Note zur 2. Aufl. Z. B. bei Homer wird der Wert eines Dings in einer Reihe verschiedner
Dings ausgedrückt.
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B) Totale oder entfaltete Wertform
z Ware A = u Ware B oder = v Ware C oder = w Ware D oder = x Ware E oder = etc.
(20 Ellen Leinwand = 1 Rock oder = 10 Pfd. Tee oder = 40 Pfd. Kaffee oder = 1 Quater Weizen oder = 2
Unzen Gold oder = 1/2 Tonne Eisen oder = etc. )
1. Die entfaltete relative Wertform
Die Wert einer Ware, der Leinwand z. B., ist jetzt ausgedrückt in zahllosen andren Elementen der Wa-
renwelt. Jeder andre Warenkörper wird zum Spiegel des Leinwandwerts[23]. So erscheint dieser Wert
selbst erst wahrhaft als Gallerte unterschiedsloser menschlicher Arbeit. Denn die ihn bildende Arbeit ist
nun ausdrücklich als Arbeit dargestellt, der jede andre menschliche Arbeit gleichgilt, welche Naturalform
sie immer besitze und ob sie sich daher in Rock oder Weizen oder Eisen oder Gold usw. vergegenständli-
che. Durch ihre Wertform steht die Leinwand daher jetzt auch in gesellschaftlichem Verhältnis nicht mehr
zu nur einer einzelnen andren Warenart, sondern zur Warenwelt. Als Ware ist sie Bürger dieser Welt.
Zugleich liegt in der endlosen Reihe seiner Ausdrücke, daß der Warenwert gleichgültig ist gegen die be-
sondre Form des Gebrauchswerts, worin er erscheint.
[23] Man spricht deshalb vom Rockwert der Leinwand, wenn man ihren Wert in Röcken, von ih-
rem Kornwert, wenn man ihn in Korn darstellt etc. Jeder solche Ausdruck besagt, daß es ihr Wert
ist, der in den Gebrauchswerten Rock, Korn usw. erscheint. "Das der Wert jeder Waren ihr Ver-
hältnis im Austausch bezeichnet, können wir ihn bezeichnen als...Kornwert, Tuchwert, je nach
der Ware, mit der sie verglichen wird ; und daher gibt es tausend verschiedene Arten von Werten,
so viele, wie Waren vorhanden sind, und alle sind gleich real und gleich nominell." ("A Critical
Dissertation on the Nature, Measures, and Causes of Value ; chiefly in reference to the writings of
Mr. Ricardo and his followers. By the Author of Essays on the Formation etc. of Opinions", Lon-
don 1825, p. 39.) S. Bailey, der Verfasser dieser anonymen Schrift, die ihrer Zeit viel Lärm in