Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Susanne Schneider (FDP): Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss und danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Wolf jetzt das Wort.

Sven Wolf (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren durchaus ein sehr sensibles Thema. Als ich den Antrag der FDP gelesen habe, habe ich in der Einleitung und in der Ausgangsbeschreibung wahrgenommen, dass sie das Thema mit sehr großen Worten einleitet.

Ein Wort will ich herausgreifen, das ich sehr klar und sehr wichtig finde. Sie sprechen von Deutschland als Einwanderungsland. Wenn ich mir aber jetzt, Frau Kollegin Schneider, Ihren Beitrag hierzu, den Sie gerade hier an diesem Pult gehalten haben, in Erinnerung rufe, stelle ich fest: Zumindest war Ihr Redebeitrag mehr von Populismus als von Interesse an einer ernsthaften sachlichen Debatte geprägt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Susanne Schneider [FDP]: Wenn das Populismus ist, haben Sie den Antrag nicht verstanden! – Gegenruf von den GRÜNEN: Den Redebeitrag!)

– Frau Kollegin Schneider, bei diesem Thema geht es deutlich um die Frage der Haltung. Darin sind wir uns hier hoffentlich einig. Das habe ich zumindest aus der Integrationsdebatte im Landtag mitgenommen. Es geht um die Haltung gegenüber denjenigen, die bei uns Schutz suchen, und um die Vermittlung unseres Wertekanons.

Sie beschreiben in Ihrem Antrag sehr ausführlich, was das sein könnte. Ich glaube: Wir haben einen klaren Wertekanon in der Bundesrepublik Deutschland. Er lässt sich relativ einfach an den Grundprinzipien unserer Verfassung ablesen: Demokratieprinzip, Sozialstaatsprinzip und Rechtsstaatsprinzip.

So ähnlich haben das auch viele meiner Kollegen bereits im Deutschen Bundestag formuliert. Ich will einen erwähnen, nämlich meinen Sprecherkollegen, Johannes Fechner, der sehr deutlich gemacht hat, dass die Werteordnung des Grundgesetzes Vorrang hat. Das steht außer Frage.

Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt steht aber nicht nur die Frage: „Welche Werte wollen wir vermitteln?“, sondern auch die Frage: „Welches besondere Schutzgut wollen wir vermitteln?“ Hierbei geht es insbesondere um den Schutz von Minderjährigen. Gerade wenn wir über den Schutz und die Stärkung von Mädchen reden, müssen wir das sehr differenziert tun.

Ich will die rechtliche Herleitung zu den Fragen des Familienrechts, die Sie in Ihrem Antrag ausgeführt haben, nicht noch einmal zitieren und wiederholen. Jeder Jurist, der sich mit internationalem Familienrecht befasst hat, weiß, wie komplex das ist. Fragen Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Standesämter, wie kompliziert die rechtlichen Fragen gerade beim internationalen Privatrecht sind.

Aber auch das deutsche Familienrecht ist nicht statisch, sondern es hat sich in den letzten Jahren auch sehr stark gewandelt. Auch diesen gesellschaftlichen Wandel, der im Familienrecht abgebildet wird, sollte man verstehen. Die aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg, die Sie gerade zitiert haben, zeigt durchaus auf, dass wir jetzt an einem Punkt sind, an dem wir sehr genau eine materielle Prüfung und eine rechtliche Diskussion durchführen müssen.

Der Bundesgesetzgeber muss eine sehr grundsätzliche Frage beantworten, die auch in der Rechtsprechung sehr umstritten ist: Welches Mindestalter muss es für eine Ehe in Deutschland geben? Dazu liegen sehr unterschiedliche Rechtspositionen vor. Das muss in Einklang mit der Frage gebracht werden: Sind das so grundsätzliche Positionen, dass sie gegen den sogenannten Ordre Public verstoßen und damit auch im internationalen Privatrecht zu beachten sind?

Sie sagen, Sie hätten das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg gelesen. Wenn Sie es vollständig gelesen haben, werden Sie merken, dass sich das Oberlandesgericht die Entscheidung in diesem Fall nicht leichtgemacht hat. Sehr ausführlich ist dargestellt worden, dass es nicht um eine Zwangsehe ging, über die zu entscheiden war.

Aber ich will mit Ihnen nicht über eine Einzelentscheidung eines Obergerichts diskutieren, sondern ich will deutlich aufzeigen, dass es hierbei um eine sehr komplexe rechtliche Frage geht. Deswegen ist die Initiative des Justizministers sehr zu begrüßen, dass es ihm gelungen ist, dieses Thema auf der Justizministerkonferenz zu platzieren und eine ausführliche rechtliche Diskussion zu beginnen, die dann auch in diese Arbeitsgruppe mündet. Diese Arbeitsgruppe wird mit Sicherheit Vorschläge vorlegen.

Sie haben dann auch noch – darauf sind Sie gar nicht eingegangen; ich habe das mit meinem Kollegen in der Fraktion diskutiert – eine kirchenrechtliche Frage berührt. Darüber sind Sie etwas hinweggegangen. Sie wissen: Nach der Reform des Personenstandsgesetzes gibt es unterschiedliche Positionen der Evangelischen Kirche in Deutschland und auch der katholischen Kirche. Ich würde zu äußerster Vorsicht in der Diskussion raten. Wir sollten damit sehr sensibel umgehen.

Es gibt noch weitere Aspekte, die zu diskutieren sind. Auch dabei habe ich mich mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion ausgetauscht. Es gibt jugendpolitische und frauenpolitische Fragen, die zu diskutieren sind. Wie viele Fälle gibt es tatsächlich?

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Sven Wolf (SPD): Es gibt meiner Meinung insbesondere die Frage: Wie stärken wir junge Mädchen? Ein schönes Beispiel aus Bielefeld hat mir die Kollegin Kopp-Herr geschildert, nämlich die Clearingstellen. Das alles sind Fragen. Sie merken: Das ist ein sehr komplexes Thema. Deswegen bin ich sehr gespannt auf die Diskussion in den Fachausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Hendriks.

Heiko Hendriks (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist fürwahr ein wichtiges Thema, über das wir heute sprechen. Richtig ist: Man kann diesem Thema in fünf Minuten nicht gerecht werden – und schon gar nicht den Betroffenen. Deswegen ist das ein Einstieg in eine Diskussion. Somit ist auch gut, dass die FDP-Fraktion heute dieses Thema eingebracht hat.

Vielleicht beginnen wir mit einem Grundsatz, auf den man sich verständigen kann, der in Deutschland gelten sollte, nämlich der Grundsatz, dass eine Ehe die freiwillige Verbindung zwischen zwei Erwachsenen ist.

Wenn man sich diesen Grundsatz vor Augen hält, ergibt sich daraus einerseits, dass wir Handlungsbedarf haben, weil wir eben diese fast 1.500 registrierten minderjährigen Verheirateten in Deutschland haben und weil davon rund 360 jünger als 14 Jahre sind. Wir stellen fest, dass rund 40 % davon aus Syrien kommen. Wir haben auch Fälle aus EU-Mitgliedstaaten wie Bulgarien, Polen, Rumänien und Griechenland.

An dieser Stelle übrigens auch interessant: Ca. 80 % der Betroffenen sind Mädchen, und 20 % sind Jungen. Somit ist die generelle Zielsetzung des FDP-Antrags, solche Kinderehen in Zukunft möglichst auszuschließen, richtig und klug.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die Frage ist allerdings: Sind wir nicht schon ein Stück weiter, als im FDP-Antrag beschrieben? Denn Fakt ist, dass zum Beispiel der bayerische Justizminister bereits vor drei Monaten einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung eingebracht hat, der Bundesjustizminister mittlerweile eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen hat und der Gesetzgeber arbeitet.

Vielleicht kann uns zur Orientierung auch eine Stellungnahme der Evangelischen Landeskirche weiterhelfen, hier der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie NRW vom 30. August dieses Jahres. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich:

„Wir fordern, dass in Deutschland nur Ehen volljähriger Personen als solche anerkannt werden dürfen. Eine Ehe ist ein weichenstellender Schritt für das Leben eines Menschen und umfasst soziale, kulturelle, religiöse und persönliche Aspekte. Kinder und Jugendliche müssen davor geschützt werden, in ihrem jungen Alter bereits solche Entscheidungen treffen zu müssen bzw. durch die Entscheidung von Erwachsenen in eine Ehe gedrängt zu werden.

Mit der Verheiratung von noch nicht volljährigen Personen geht oft ein Missbrauch einher. Die Kinder – zum allergrößten Teil Mädchen – werden unter Druck gesetzt, verfügbar gemacht, misshandelt und gezwungen, sich den Familienstrukturen anzupassen.“

Meine Damen und Herren, damit wird deutlich – die CDU-Fraktion schließt sich dem an –: Kinderehen verletzen elementar das Menschenrecht, und sie sind mit unserem Verständnis von Ehe nicht zu vereinbaren.

Wir müssen allerdings auch berücksichtigen: Wo sind diese Ehen geschlossen worden? Wir reden über im Ausland geschlossene Ehen, oftmals in Kulturen – das müssen wir auch anmerken –, in denen eine durch die Eltern arrangierte Ehe von Kindern oder Jugendlichen gängige Praxis ist und die Unterordnung der Ehefrau unter ihren Mann auch rechtlich festgelegt ist. Somit kann dort von einer freien Entscheidung der Mädchen oder jungen Frauen kaum die Rede sein. Sie wechseln auf Geheiß des Vaters von einer Abhängigkeit in die nächste.

Ob dann der Paragraf „Zwangsehen“ greift und somit auch § 237 Strafgesetzbuch, ist juristisch umstritten, sollte aber in der Diskussion einfach noch einmal thematisiert werden.

Meine Damen und Herren, mit Recht sieht heute bereits das Bürgerliche Gesetzbuch hohe Hürden vor, wenn zum Beispiel einer der Verlobten nicht volljährig ist. Ausnahmen können für Verlobte ab 16 Jahren gemacht werden. Aber auch dann muss ein Familiengericht dies genehmigen. Eine Entscheidung der Eltern reicht dafür nicht aus. Somit sind verschiedene Aspekte zu beachten.

Die Anerkennung von ausländischen Ehen richtet sich auch danach: Sind sie vor Ort rechtmäßig geschlossen worden? Wir können sie nach geltendem Recht nur dann annullieren, wenn sie im krassen Gegensatz zur öffentlichen Ordnung in Deutschland stehen.

Damit möchte ich schließen und sagen, dass zumindest eine Ehe mit einer Person unter 16 Jahren in keinem Fall mit unserer öffentlichen Ordnung zu vereinbaren ist.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Darüber sollten wir diskutieren und Lösungen für das Problem finden, auch im Interesse der Betroffenen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hendriks. – Für die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Hanses.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erstaunlich nah bei der CDU. In der Tat hat die FDP mit diesem Antrag ein wichtiges Thema angesprochen. Es ist teilweise von Herrn Wedel fleißig für Sie recherchiert worden, Frau Schneider, doch der Beschlussteil ist unausgegoren, viel zu schlicht und nicht zu Ende gedacht, was die Rechtsfolgen angeht. Deshalb ist es gut, dass wir uns das noch einmal genauer ansehen.

Ich hoffe, wir sind uns einig in diesem Haus, dass ein guter Platz für Kinder und Jugendliche die Schule, Jugendverbände, Jugendzentren, Jugendhilfeeinrichtungen, Clearingstellen sind und nicht das Standesamt, der Traualtar oder das Ehebett.

Wenn sich Rechte des Kindeswohls und das Persönlichkeitsrecht Einzelner gegenüberstehen, dann muss für uns der Schutz der Mädchen im Vordergrund stehen. Das ist selbstverständlich.

Bei der Umsetzung des Ordre public – Herr Kollege Wolf hat es schon angesprochen, das muss mit unserem deutschen Familienrecht übereinstimmen – müssen wir sensibel vorgehen. Ihre platten Formulierungen im Beschlussteil passen nicht dazu. Denn wir haben jetzt schon eine Praxis, was die minderjährigen Geflüchteten betrifft, mit einem sortierten Clearingverfahren der Jugendämter, mit Jugendhilfeträgern, die Erfahrungen mit der Zielgruppe haben. Die Clearingstelle in Bielefeld hat da sicherlich schon einen besonderen Erfahrungsschatz, aber auch andere sind hinzugekommen. Das ist ein besonderer Wert.

Die Rechtsfolgen hat die FDP überhaupt nicht bedacht. Sollen denn bestehende Ehen aufgehoben werden? Sollen bestehende Ehen suspendiert werden? Sollen sie gar annulliert werden? Was bedeutet das für Rentenansprüche von Ehen, die vor 40 Jahren von Minderjährigen geschlossen wurden? Das ist überhaupt nicht zu Ende gedacht. Was passiert beispielsweise, wenn Minderjährige nicht der Schulpflicht nachkommen, wo sonst die elterliche Sorge greift? Was heißt das im Sorgerecht? Wir wissen, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern nach einer Eheschließung eigentlich erlischt. All das ist nicht fertig, nicht zu Ende gedacht.

Auch möchte ich noch an die Bund-Länder-Arbeitsgruppe erinnern, die schon angesprochen wurde, die sich auf den Weg gemacht hat. Ich möchte den rheinland-pfälzischen FDP-Kollegen, den Justizminister, ermuntern, sich in diese Arbeitsgruppe einzubringen. Dann hoffen wir, dass wir bald Ergebnisse haben. Das werden wir selbstverständlich inhaltlich begleiten, aber bitte nicht so schlicht, wie Sie es hier darstellen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst Susanne Schneider erst einmal herzlichen Dank dafür, dass ihr das Thema hier in den Landtag geholt habt. An der Stelle möchte ich auch anfangen. Ja, es gibt selbstverständlich diese Arbeitsgruppe auf Bund-Länder-Ebene. Das ist auch okay.

Was aber auch okay ist, ist natürlich, dass wir uns hier im Landtag Nordrhein-Westfalen mit diesem Thema beschäftigen können und dass wir im Landtag Nordrhein-Westfalen auch eine Position dazu erarbeiten können. Die muss am Ende des Tages nicht unbedingt davon abweichen, was dann auch die Arbeitsgruppe erarbeitet. Aber vielleicht können wir aus Nordrhein-Westfalen auch einen entscheidenden oder wichtigen Impuls geben.

Dafür reicht der Antrag ja erst einmal so, wie er ist. Ich habe mir ihn selbstverständlich angeguckt, habe mir die einzelnen Beschlussfassungspunkte angeschaut. Da steht in erster Linie erst einmal nichts drin, wo man jetzt aufschreien müsste, dass da irgendetwas Schlimmes drin ist. Kollege Wolf wird mir vermutlich auch recht geben.

Ob da jetzt alle einzelnen Aspekte von juristischer Seite behandelt wurden, das mag dann hier der Rechtsausschuss gerne auch klären. Dem gehöre ich nicht an.

Worum ich mich hauptsächlich in dieser Thematik kümmern möchte, ist die Perspektive des Kindes, der Minderjährigen, über die wir hier sprechen. Kollege Hendriks hatte das, glaube ich, zum Abschluss gerade so formuliert „auch im Hinblick auf die Betroffenen“. Ich möchte das explizit verstärken. Wir sollten diese Sache nicht nur betrachten auch im Hinblick aus Sicht der Betroffenen, sondern ganz wesentlich auf die Betroffenen tatsächlich achten. Hier ist relativ selten das Wort Kindeswohl in den bisherigen Wortbeiträgen gefallen.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Ich habe es mindestens einmal gesagt.)

– Ja, das hat jeder irgendwie einmal gesagt, Dagmar Hanses. Das habe ich verstanden. Ich sage nur, die Gewichtung dessen war mir persönlich etwas zu wenig. Worum geht es hier? Ich lasse jetzt tatsächlich einen weiteren juristischen Part dabei aus.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Worum geht es hier: Wir haben es mit Minderjährigen zu tun, die in ihrer Kultur, in ihrem Land, aus dem sie kommen, verheiratet sind. Aus unterschiedlichen Perspektiven kann man das Ganze noch einmal betrachten, ob es eine Zwangsheirat, eine freiwillige Heirat, was auch immer, ist. Das spielt für uns sicherlich juristisch und auch moralisch eine Rolle. Für das betroffene Kind, für den oder die betroffene Minderjährige spielt das eine untergeordnete Rolle.

Fakt ist, diese Jugendlichen kommen zu uns, sind sowieso schon irgendwie in einer außerordentlich besonderen bedrohlichen Situation und werden dann aus dieser vermeintlich sicheren – ich nenne sie mal – Versorgungssituation herausgenommen. Ich will das nicht anzweifeln. Ich finde es gut und richtig, wie unsere Rechtslage in der Hinsicht in Deutschland ist.

Ich ziehe dieses Kind aus der vermeintlich sicheren Versorgungssituation heraus. Ich meine, dass wir einen großen Schwerpunkt darauf legen müssen: Was macht das mit dem Kind? Was macht das mit dem jungen Mädchen, dem 14-, 15-jährigen Mädchen? Das 14-, 15-jährige Mädchen ist plötzlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtling hier in Deutschland. Sie kommt in Begleitung – das Thema Zwangsheirat lasse ich außen vor –, kommt in Begleitung mit dem Ehepartner zu uns und ist dann plötzlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, kommt in eine Familie, wird dort betreut, hat dann plötzlich noch eine ganz andere Situation. Die vermeintliche Bezugsperson ist dann an der Stelle nicht mehr greifbar.

Ich glaube, dass wir uns darum kümmern müssen, dass wir da wirklich eine ausgezeichnete Struktur brauchen. Ich bin gespannt – ich kenne in Bielefeld die genauen Strukturen nicht, liebe Frau Kampmann. Das schaue ich mir dann gerne an der Stelle auch noch einmal an. Was können wir davon lernen? Welche Möglichkeiten haben wir, dem Kind zu helfen, in dieser besonderen Situation klarzukommen und dann auch perspektivisch – wir haben gestern viel über den Integrationsplan gesprochen – in Deutschland eine entsprechende vernünftige und sinnvolle Basis zu schaffen.

Wichtig ist mir, dass wir nicht nur auf die Perspektive der Kinder und Jugendlichen achten, die zwangsverheiratet zu uns gekommen sind, sondern auch derjenigen, die in ihrem Land freiwillig verheiratet werden.

(Zuruf von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Die Situation ist vergleichbar, und wir müssen beide Punkte auch tatsächlich beachten.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

– Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Es gibt natürlich viel mehr zu beachten. Wir haben die ganzen Punkte gestern im Integrationsplan und auch in den ganzen Flüchtlingsdebatten, die wir in den letzten Monaten und Jahren hier hatten, immer wieder erwähnt. Es gibt ganz viele andere Voraussetzungen. Wir haben uns hier einen kleinen Punkt herausgesucht mit den Kinderehen. Ich bin gespannt, wie die weiteren Beratungen in den Ausschüssen verlaufen werden, und hoffe, dass wir vielleicht sogar zu einem gemeinsamen Impuls dann hier aus Nordrhein-Westfalen Richtung Bund kommen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Kutschaty.

Thomas Kutschaty, Justizminister: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es gut, dass wir uns bei diesem sehr sensiblen Thema, glaube ich, einig sind: Kinder gehören nicht vor den Traualtar, sondern auf die Schulbank. Das ist schon einmal die ganz wichtige Botschaft der Einigkeit bei der grundsätzlichen Aussage.

Der Vorrang des Kindeswohls sowie die Geschlechtergleichbehandlung sind aus meiner Sicht die ganz wichtigen Grundsäulen unserer Gesellschaft, auch meines, aber auch unserer aller Werteverständnisses. Deswegen ist es sehr wichtig, darüber auch hier zu diskutieren.

Es ist auch sehr schön, wenn zwei Menschen die Ehe miteinander eingehen wollen, sich Liebe bis in den Tod versprechen wollen. Aber dieses Versprechen bedarf auch der Erkenntnisfähigkeit der Reichweite einer solchen Entscheidung. Kinder können und brauchen so etwas noch nicht zu erkennen. Deswegen haben sie auch ein Recht auf Kindheit. Es ist unsere staatliche Aufgabe, auch dafür zu sorgen, dass Kinder auch solche Rechte haben.

Frau Schneider, die Landesregierung hat sich sehr früh mit diesem Thema beschäftigt. Frau Kollegin Steffens, Frau Kollegin Kampmann und ich sind sehr schnell aktiv geworden, als wir im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszuzug die Zahlen hier in Nordrhein-Westfalen auch gehört haben. Aber ich möchte an dieser Stelle auch deutlich machen: Es ist nicht nur ein Thema von Flüchtlingskindern, die hier zu uns gekommen sind.

Herr Hendriks hat es gesagt: Es gibt solche Regelungen auch in EU-Staaten. In den USA gibt es Staaten, da können Sie auch mit 14 oder 15 Jahren schon heiraten. Wir müssen natürlich auch schauen, wie das internationale Privatrecht, Familienrecht denn insgesamt in Einklang zu bringen ist.

Was heißt das denn in Ihrem Antrag, Frau Schneider, wenn Sie sagen: Wir wollen solche Ehen unter 18 nicht anerkennen. Sind Sie dann sofort nichtig? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Ich meine jetzt nicht nur in der Frage Verhältnis Anerkennung deutscher Ehen im Ausland, sondern auch bei der Frage: Was bedeutet das denn für die Ehepartner?

Frau Hanses hatte ein sehr schönes Beispiel genannt. Ich möchte das noch einmal verdeutlichen. Was ist denn, wenn Sie eine Ehe zwischen Minderjährigen geschlossen haben und die Ehepartner sind heute 50 und 54 Jahre alt und leben seit Jahrzehnten zusammen?

Nach Ihren Vorstellungen wäre diese Ehe rückwirkend nichtig und aufgehoben. Welche Folgen hat das denn im Zusammenhang mit Erbansprüchen, mit Unterhaltsansprüchen? Muss der Finanzminister die Steuerbescheide wegen der gemeinsamen Veranlagung rückwirkend aufheben? Das haben Sie alles nicht durchdacht. Deswegen ist es sehr vernünftig, einen Konsens hinzubekommen.

Das kann man aber leider, so gerne wir das schnell machen wollen, nicht aus dem Ärmel schütteln. Wir haben deshalb auf der Justizministerkonferenz im Frühjahr dieses Jahres angeregt, dass sich die Justizministerinnen und Justizminister dieses Themas annehmen. Ich habe das dort eingebracht, habe sofort große Zustimmung anderer Länder bekommen. Insbesondere der Kollege aus Bayern hat ähnliche Problemlagen geschildert. Kollege Bausback aus Bayern und ich haben gemeinsam beschlossen, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, um die schwierigen Folgefragen mit abschätzen zu können. Diese Arbeitsgruppe hat jetzt getagt. Die Arbeitsgruppe hat sich vorgenommen, bis zum Ende des Jahres auch unter Beteiligung des Bundesministers einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Die Grundausrichtung unserer Überlegungen in der Arbeitsgruppe ist es, zu sagen, wir wollen auch für im Ausland geschlossene Ehen im Wesentlichen die deutschen Rechtsvorschriften Anwendung finden lassen, nämlich grundsätzlich Ehe erst ab dem 18. Lebensjahr, in begrenzten Ausnahmesituationen auch ab dem 16. Lebensjahr. Diese Ausnahmen sind in Deutschland zulässig. Ich finde, wenn wir sie in Deutschland für zulässig erachten, dann müssen wir sie auch für im Ausland geschlossene Ehen für zulässig erachten. Ich kann Ihnen allerdings sagen: In Deutschland ist die Zahl der Ausnahmegenehmigungen durch die Gerichte erfreulich gering. Im Jahre 2014 hat es lediglich 69 Eheschließungen mit einem minderjährigen Ehepartner in Deutschland gegeben. Sie sehen also, wie restriktiv man damit umgeht.

Ich glaube, das Ganze kann man nicht so schnell, wie wir das möchten, regeln. Wichtig ist – das ist ganz entscheidend –, dass wir uns um die tatsächlichen Probleme der minderjährigen Flüchtlinge, die jetzt zu uns gekommen sind, kümmern. Da gibt es – das ist gerade schon angedeutet worden – eine ganze Menge Hilfsangebote. Unsere Vormundschaftsgerichte, die sich jeden einzelnen Fall anschauen, gehen sehr sensibel mit diesem Bereich um und schauen, wie man im Augenblick solche Fälle regelt. Deswegen lassen Sie uns schauen, wie wir eine tatsächliche Hilfe für die überwiegenden Mädchen erreichen können, aber mit Gründlichkeit dann auch das Gesetzgebungsverfahren in Angriff nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. – Ich schließe die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 6.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/12848 an den Rechtsausschuss. Der bekommt die Federführung. Die Mitberatung geht an den Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend und an den Integrationsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte das jemand nicht tun oder sich enthalten? – Beides nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

7 Olympische Spiele 2028 in Nordrhein-Westfalen – Ein Signal des Aufbruchs zum deutschen Sportland Nr.1!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/12792
In Verbindung mit:

Olympische Sommerspiele in Nordrhein-Westfalen – Bewerbung einer Städteregion „Rhein-Ruhr Olympic City“ prüfen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/12851

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Müller das Wort.

Holger Müller (CDU): Olympische und Paralympische Spiele 2028 in Nordrhein-Westfalen – Unser Antrag soll ein Signal zum Aufbruch in NRW und vor allem im Sport in NRW sein. Und schon sind sie wieder da, die Berufsbedenkenträger, und kramen in ihrer Wiedervorlagemappe, nur nichts Konstruktives, gegen alles. Und wer ist dabei? – Auch die SPD-Landtagsfraktion. Sie sagte am 3. August – wer immer es auch war –: Das ist bei uns überhaupt kein Thema. Die SPD hält die Idee für realitätsfern. – Und auch Herr Vesper vom DOSB äußert sich sehr zurückhaltend.

Aber aus dem Dunkel der SPD steigt ein Licht auf. Ministerpräsidentin Frau Kraft sagte am 13. August: Das ist ein großer Traum. – Und Sportministerin Kampmann sagte:

„Für eine Sportministerin könne es nichts Schöneres geben als Olympiabewerbung im eigenen Land.“

(Beifall von der CDU)

Ich bin wirklich gerührt und freue mich, dass Sie das so sehen.

(Martin Börschel [SPD]: Schließen Sie sich an, und gut ist!)

– Sie sollen sich anschließen, denn die CDU ist ja dafür. Bisher haben Sie noch nicht offiziell verlautbart. Dazu komme ich aber noch. Keine Sorge, keine Panik.

Dann stellt sich natürlich die Frage, wie realistisch eine solche Bewerbung ist.

Wir sind schon heute in der Lage, täglich über 600.000 Sitzplätze in den Sportstädten in Nordrhein-Westfalen anzubieten.

Wir haben neun Veranstaltungshallen mit einer Zuschauerkapazität von über 5.000, Lanxess Arena 18.000, ISS Dome 13.000, König-Pilsener-Arena in Oberhausen 12.650, Gerry Weber in Halle 12.300, Westfalenhalle Dortmund 12.000 und noch weitere in Bonn, Essen und Lemgo.

Und es stehen insgesamt mehr als zehn Stadien mit über 25.000 Zuschauerplätzen zur Verfügung.

Das IOC verlangt eine Hotelbettengarantie von 42.000 Zimmern. NRW hat schon jetzt über 300.000, und im Rhein-Ruhr-Kreis sind es 147.000.

Für die sogenannten Indoorsportarten bieten wir schon heute 704.000 m² Messeflächen an. Als ein Beispiel nenne ich die Halle in Paris, die mit 470.000 m² sehr groß ist. Es wird also sicherlich noch etwas zu tun sein, aber wir haben eigentlich alles da.

Deshalb stellt sich die Frage, wenn wir schon fast alles haben, wie unsere Chancen sind. Es gibt natürlich einige Punkte, die wir nicht wollen. Wir wollen keine Gigantomanie. Wir wollen beweisen, dass auch Demokratien in der Lage sind, solche Großveranstaltungen zu organisieren.

(Beifall von der CDU – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Weiß das IOC von Ihren Plänen?)

Wir wollen die Menschen begeistern und mitnehmen – wie 1972 in München, wie 1974 bei der WM und wie 2006 ebenfalls bei der WM.

Wir wollen günstige Eintrittspreise – insbesondere, damit das größte Sportfest der Welt auch ein Fest für die Familien sein wird.

Dass es natürlich nachhaltig und umweltfreundlich sein muss, ist doch wohl klar.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

– Bitte?


(Josefine Paul [GRÜNE]: Nein, nein, nein! Reden Sie ruhig weiter!)

– Ich hätte aber gerne auf Ihren Zwischenruf gewartet.

Natürlich brauchen wir ein Umdenken im IOC. Das IOC in seiner derzeitigen Verfassung würde eine Bewerbung heute nicht machen. Aber vielleicht gibt es dieses Umdenken. Möglicherweise können wir es sogar mit initiieren.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Toi, toi, toi!)

Noch etwas möchte ich sagen, damit das Argument der Steuerverschwendung zurückgewiesen wird: Bis 2017 muss man ja erst einmal nur ein Konzept und ein Grundlagenpapier erarbeiten. Der Vater der Idee, Herr Mronz, hat uns gegenüber versichert, dass dafür bis 2017 keine Steuergelder anfallen.

SPD und Grüne, geben Sie sich also einen Ruck, und springen Sie über Ihren bisherigen Schatten – auch wenn der Zug schon fährt. Für Sie halten wir natürlich an.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Schönen Dank, Frau Präsidentin. Ich weiß nicht, ob ich Sie am Anfang begrüßt habe.



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