Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Vizepräsident Oliver Keymis: Für die Landesregierung hat Herr Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bei fast jedem Antrag zur inneren Sicherheit entgleitet auch hier die Debatte weg vom Inhalt des Antrags und hin zu einer allgemeinen Diskussion über die Sicherheitslage. Das ist auch nachvollziehbar, weil zurzeit kaum ein anderes Thema die Menschen so beschäftigt wie die Frage, wie sicher man sich in diesem Land noch fühlen kann. Das spiegelt sich auch in den Plenardebatten immer wider. Ich möchte nur auf zwei, drei Punkte eingehen, die in der Sicherheitsdebatte der letzten Wochen eine Rolle gespielt haben.

Lassen Sie mich mit der gemeinsamen Übung von Polizei und Bundeswehr beginnen. Ich will das Ergebnis vorwegnehmen: Das wird keine Marketingveranstaltung für die Truppe und die Ministerin werden. Das mag möglicherweise die Motivation der Diskussion überhaupt gewesen sein, aber die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Szenarios, in dem die Polizeien der Länder und des Bundes tatsächlich in einer Lage sind, in der sie sich von der Bundeswehr unterstützen lassen müssen, halte ich für sehr gering. Ich glaube, dass die Anschlagsszenarien in Deutschland, aber auch in Belgien und Frankreich so, wie sie stattgefunden haben, polizeilich zu bearbeiten gewesen wären.

Die Trennung in der Verfassung, auf die die Kollegin Schäffer bereits hingewiesen hat, ist sehr gut, dass die Aufgabe der Bundeswehr die Landesverteidigung und die Aufgabe der Polizei die innere Sicherheit ist.

Nichtsdestotrotz kann man sich ein Szenario vorstellen, wo eine polizeiliche Ressource endlich und möglicherweise auf die Bundeswehr zurückzugreifen ist, beispielsweise bei der Verlastung im Transport von 16.000 Bereitschaftspolizeien, die die Bundespolizei und die Länderpolizeien gemeinsam zur Verfügung haben, um beispielsweise länger andauernde Terrorlagen zu bekämpfen. Wir sollten in diese Übungen vielleicht einmal mit einspielen, dass ein solches Szenario freitags nach 13 Uhr und montags vor 9 Uhr stattfindet. Dann ist, glaube ich, die Verfügbarkeit der Bundeswehr sehr übersichtlich, was diese Aufgabe angeht.

Nichtsdestotrotz haben wir uns vereinbart, auch unter Beteiligung von Nordrhein-Westfalen eine solche Übung durchzuführen, aber als reine Stabsrahmenübung, sozusagen nur virtuell ein solches Szenario durchzuspielen, weil ich der gleichen Auffassung bin wie die Kollegin Schäffer, es wäre eine Verschwendung von vielen Ressourcen, wenn es eine praktische Übung wäre, erst recht, wenn dies dauerhaft angelegt wäre. Das zum Thema „Bundeswehr“.

Herr Biesenbach, Sie haben Prof. Neumann und die Nachrichtendienste angesprochen. Vorab: Prof. Neumann vom King‘s College ist, glaube ich, einer von zehn Wissenschaftlern in Europa, die die Situation und die Entwicklung von Salafismus, von Islamismus sehr gut einschätzen können. Im Übrigen war er nicht nur bei Ihnen, sondern am Abend vorher auch in der Staatskanzlei und hat die Präventionsarbeit Nordrhein-Westfalens in hohen Tönen gelobt.

Prof. Neumann war auch bereits zu einer Diskussion im Landeskabinett. Ich glaube, das ist ein Jahr her. Bemerkenswert ist, wie rasant die Veränderung der Bedrohungslage ist und wie sich die potentiellen Täter verändern. Die Zeit im Plenum reicht nicht aus, um das näher zu erläutern, aber Tatsache ist: Wir brauchen nachrichtendienstliche Informationen, Herr Biesenbach – da gebe ich Ihnen Recht –, auch die von ausländischen Diensten. Mal nutzen sie, mal nutzen sie auch nicht.

Entscheidend ist, dass vorhandenes Wissen, vorhandene Kompetenz und vorhandene Informationen gebündelt werden und wir eine gute Informationsbasis zur Bekämpfung des Terrorismus haben. Das, glaube ich, haben wir mit dem gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin erreicht, wo die Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes sehr gut zusammenarbeiten.

Sie möchten jetzt gerne ein neues Messingschild beim Verfassungsschutz anschrauben, nämlich ein Kompetenzzentrum. Das kann man tun, weil ich wirklich glaube, dass man aufgrund der Veränderung der Radikalisierung, nämlich weg von der Face-to-face-Radikalisierung, hin zu einer digitalen Radikalisierung gerade im Salafismus bis hin dazu, dass die Anschlagsplanung, Anschlagsverabredung digital stattfindet, auch diese Formen noch mehr digital bekämpfen muss.

Meiner Meinung nach muss man, bevor man das Messingschild an irgendeine Tür schraubt, erst einmal überlegen, wie man es konzeptionell macht. Da sind wir in Diskussionen, insbesondere mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, weil das eine Aufgabe ist, die nicht 16 Verfassungsämter der Länder und des Bundes getrennt voneinander machen müssen, wahrscheinlich auch nicht sollten. Man muss zu einer Zusammenarbeit kommen, die möglicherweise so aussieht, dass man Schwerpunkte untereinander aufteilt, um bestimmte Phänomene des digitalen Terrorismus nicht gemeinsam, sondern einzeln anzugehen.

Zu guter Letzt komme ich zu der Diskussion um „Wegweiser“. Wir sind vor zwei Jahren mit dem Projekt „Wegweiser“, also junge Menschen vor dem Abgleiten in den Salafismus zu bewahren, einen neuen Weg gegangen, den es so in der Bundesrepublik und in Europa noch nicht gegeben hat. Herr Biesenbach, es ist ziemlich genau auf den Tag acht Jahre her, als Herr Laschet hier im Plenum Bootcamps für straffällige Kinder angekündigt hat. Gerade einmal acht Jahre!

Jetzt ist die CDU dabei, den Nutzen von Prävention zu erkennen. Das ist eine gute Einsicht, eine späte Einsicht, aber immer noch besser als gar keine Einsicht. Aber ich glaube, dass die CDU noch nicht restlos den Sinn von Prävention verstanden hat. Der Sinn von Prävention ist, frühzeitig Gefahren und Risiken zu erkennen und dagegen zu arbeiten. Wir schaffen es mit dem Programm „Wegweiser“, vielen, die drohen, abzugleiten, eine Tür aufzumachen, aber bedauerlicherweise – das wird bei Präventionsprojekten immer so sein – werden nicht alle durch die Tür gehen. Aber wir sind erfolgreich.

Als Maßstab will ich nehmen, dass Delegationen aus den USA, aus Belgien, aus den Niederlanden, aus anderen Staaten Europas nach Nordrhein-Westfalen kommen, um sich dieses Präventionsprojekt anzuschauen. Neben der Repression, wo wir gut aufgestellt sind, und wo ich – herzlichen Dank an die regierungstragenden Fraktionen – deutlich mehr Personal zur Verfügung gestellt bekommen habe, um die Ressourcen aufzubauen, ist die Prävention mindestens genauso wichtig, wenn wir tatsächlich wirksam und nachhaltig auf Dauer diese Form des Terrorismus bekämpfen wollen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger.

Wir haben keine weiteren Wortmeldungen vorliegen und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/12835 an den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Der Entschließungsantrag Drucksache 16/12946 soll entsprechend überwiesen werden. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist so überwiesen und der Tagesordnungspunkt 2 beendet.

Ich rufe auf – jetzt erschrecke bitte niemand – den Tagesordnungspunkt 1. Das tue ich nicht, weil er so schön war, sondern, weil ich etwas vergessen habe. Mea culpa! Wir müssen natürlich überweisen; denn wenn wir nicht überweisen, können wir gar nicht weiter über den Haushalt beraten, und das wäre unangenehm. Daran will ich überhaupt nicht schuld gewesen sein.

Aus diesem Grunde bitte ich um Ihr Einverständnis damit, dass ich den Tagesordnungspunkt 1 noch einmal aufrufe und zu den Abstimmungen komme.

Erstens stimmen wir über die Überweisung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2017 ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/12500 sowie der Mittelfristigen Finanzplanung 2016 bis 2020 mit dem Finanzbericht 2017 des Landes Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12501 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an die zuständigen Fachausschüsse mit der Maßgabe, dass die Aussprache des Personalhaushalts einschließlich aller personalrelevanten Ansätze im Haushalts- und Finanzausschusses unter Beteiligung seines Unterausschusses Personal erfolgt. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Zweitens stimmen wir über die Überweisung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2017 ab. Hier empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/12502 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich danke Ihnen dafür, schließe den Tagesordnungspunkt 1 und rufe auf:

3 Landesregierung muss den Runderlass „Unterricht für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler“ unverzüglich zurücknehmen!

Antrag
der Fraktion der CDU und


der Fraktion der FDP
Drucksache 16/12466

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Vogt das Wort.

Petra Vogt (CDU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im vergangenen Jahr hat eine zuvor nicht gekannte Zahl von Flüchtlingen unser Land erreicht. Bereits im letzten Sommer war klar, dass aufgrund der Altersstruktur der Flüchtlinge diese Entwicklung große Auswirkungen auf das nordrhein-westfälische Schulsystem haben wird.

Die CDU-Fraktion hat daher bereits im September vergangenen Jahres ein Gesamtkonzept zur Flüchtlingsbeschulung vorgelegt, das in einer Expertenanhörung sehr positive Resonanz fand. SPD und Grüne erklärten dazu anfangs, ein Konzept sei nicht erforderlich, da man seit Jahren so viele hervorragende Einzelintegrationsmaßnahmen hätte. Mit der Schulwirklichkeit hatte das schon damals nichts gemein.

Als der öffentliche Druck stieg, haben dann SPD und Grüne einen Integrationsplan vorgelegt. In Anbetracht der Tatsache, dass das Thema „Integration“ ein so wichtiges ist, haben wir als CDU-Fraktion unsere Bereitschaft erklärt, an diesem Integrationsplan mitzuarbeiten, und auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dann die für uns wichtigen Aspekte aus unserem Gesamtkonzept zur Flüchtlingsbeschulung dort einzubringen.

Daher verzögerte es sich immer weiter. Wir haben unser Konzept weiter geschoben. Sie wissen alle, wie die Entwicklung war. Der Integrationsplan wurde gestern hier verabschiedet. Wir als CDU-Fraktion hätten uns einige Punkte deutlich anders vorgestellt.

Vor den Sommerferien, als es aber noch die Diskussionen zu diesem Plan gab, kam dann für alle Beteiligten völlig überraschend ein neuer Erlass zum Unterricht für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler an unsere Schulen. So sollen diese Schülerinnen und Schüler ohne vorbereitenden Deutschunterricht von Anfang an am normalen Unterricht teilnehmen.

Jetzt frage ich Sie, Frau Ministerin Löhrmann: Wie sollen diese Kinder am Unterricht teilnehmen, wenn sie kein Wort Deutsch verstehen? Ich glaube, es erklärt sich von allein, dass das nicht möglich ist. Große Aufregung bei allen Beteiligten!

Es wäre wichtig gewesen, den heutigen Antrag vor den Sommerferien zu diskutieren, wie wir das gemeinsam mit der SPD beantragt haben.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: FDP!)

– FDP. Entschuldigung. Sie haben recht.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Große Koalition!)

– Nein. Ich war schon beim nächsten Satz. Da kommen SPD und Grüne vor. Daher war das vorauseilend.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Sie haben heute Nacht geträumt!)

– Nein, das träume ich nicht.

Sie von SPD und Grünen haben das mit der Begründung abgelehnt: Es ändert sich mit diesem Erlass eigentlich nichts. Deswegen ist es auch gar nicht wichtig, dass wir ihn vor den Sommerferien in diesem Hause diskutieren.

Wenn sich mit diesem Erlass nichts ändert, frage ich mich natürlich: Warum gibt es dann diesen Erlass?

Diese Frage stellt sich offensichtlich nicht nur mir. Der Personalrat, den Sie nicht beteiligt haben, ist entsetzt und fordert sein Recht auf Beteiligung ein. Warum nur? Weil sich nichts ändert?

Die Westfälisch-Lippische Direktorenvereinigung hat in einem Brief an Staatssekretär Hecke im August dieses Jahres ihr Befremden über diesen kurzfristig vor den Sommerferien veröffentlichten Erlass kundgetan. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus diesem Schreiben:

Entgegen der sonst in fast allen thematischen Bereichen üblichen Praxis erfolgte keinerlei Beratung mit uns im Rahmen der Vorbereitung der Erlasse, obwohl auch eine große Zahl der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen Schülerinnen und Schüler mit den oben näher bezeichneten besonderen sprachlichen sowie herkunftsbezogenen Voraussetzungen im vergangenen Schuljahr aufgenommen hat.

Wenn dieser Erlass nicht wichtig gewesen wäre, hätten Sie wohl kaum dieses Schreiben erhalten, Herr Staatssekretär.

Auch hier besteht also klar der Eindruck, dass sich gravierend etwas ändert, und zwar zum Nachteil aller Beteiligten.

Nun argumentieren Sie, Frau Ministerin Löhrmann, dass Vorbereitungsklassen, die zum Deutscherwerb dienten, Separation seien und dass Sie derartige Parallelstrukturen nicht wollten – so im vergangenen Schulausschuss. Aha! Erst einmal die Landessprache zu erlernen, um dann dem Regelunterricht folgen zu können, ist also diskriminierend.

Ich berichte Ihnen jetzt einmal von einem Projekt der AWO in Marl. Die AWO ist ja wahrscheinlich unverdächtig, unbedingt CDU-Politik zu machen. Dort treffen sich an einer Grundschule Schülerinnen und Schüler ohne Deutschkenntnisse in drei Lernzeitgruppen entsprechend ihrem jeweiligen Sprachstand, da es ihnen aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nur schwer möglich ist, am Unterricht einer Regelklasse teilzunehmen.

Es gibt einen Riesenerfolg, alle Fraktionen möchten dieses Projekt ausweiten. Aber einen Brief an Sie, Frau Ministerin Löhrmann, aus dem vergangenen Februar diesbezüglich haben sie unbeantwortet gelassen. Wir wissen nun auch warum. Sie haben für sich erklärt – ideologisch –: Es macht sehr viel Sinn, wenn alle in eine Klasse gehen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht, ob da jemand etwas versteht oder nicht, ganz egal – Hauptsache, Sie haben Ihre Ideologie durchgesetzt.

Das machen wir nicht mit. Deshalb fordern wir Sie am heutigen Tage noch mal auf: Nehmen Sie diesen Erlass sofort zurück! – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Vogt. – Frau Gebauer für die FDP stellt nun den gemeinsamen Antrag aus ihrer Perspektive vor. Bitte schön, Frau Gebauer.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch der Erlass, über den wir hier und heute sprechen, ist in unseren Augen wieder ein weiterer Baustein einer ideologisch motivierten Politik. Sie, meine Damen und Herren der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, besitzen allerdings doch nicht das Rückgrat, ehrlich zu sagen, dass Sie einen Paradigmenwechsel zulasten der Kinder und Lehrer in Nordrhein-Westfalen erzwingen. Der Erlass ist ja nun in der Welt, und die inhaltliche Verantwortung liegt zweifelsfrei bei Ihnen.

Dieser Erlass zeigt auch, dass Sie leider aus den Integrationsproblemen der Vergangenheit nichts gelernt haben. Ihnen ist nach wie vor Ihre grüne Ideologie wichtiger als eine bedarfsorientierte und strukturierte Integrationspolitik.

Frau Beer, Sie haben in einer schon sehr speziellen Art und Weise – ein Stück weit fast selbstgefällig – in der letzten Sitzung vor der Sommerpause hier im Plenum erklärt, materiell und substanziell ändere dieser Erlass für die Schulen nichts.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: So ist es!)

Beide Damen, Sie und Frau Ministerin Löhrmann, haben zu diesem Erlass aber – das sage ich, das sagen die Freien Demokraten – sowohl gegenüber dem Parlament als auch gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit von Beginn an und fortgesetzt nicht die ganze Wahrheit gesagt. Sie haben beide der Presse gegenüber erklärt, die Schulen würden weiterhin entscheiden.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Genau!)

Diese Aussage ist falsch. Während sich bisher die Bildung von Vorbereitungsklassen nach dem tatsächlichen Bedarf an den Schulen richtete, wird sie jetzt in das Ermessen der Schulaufsicht gestellt. Das ist schon ein großer Unterschied, meine Damen und Herren. Somit ist dieser Erlass ein Paradigmenwechsel, weil durch diesen Erlass die bisherigen Möglichkeiten der Vorbereitungsklassen systematisch zurückgedrängt werden.

Folgendes wirft schon ein bezeichnendes Licht auf das Rechtsverständnis der Grünen: Wenn wir im Ausschuss von gravierenden Veränderungen sprechen, reden die Grünen von juristischen Spitzfindigkeiten.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ja!)

Auch die Reaktionen aus dem Ministerium seitens der Ministerin in der Presse und auch im letzten Schulausschuss – Frau Voigt hat es schon angesprochen – waren sehr bezeichnend. Es wurde eine Nebelkerze nach der anderen gezündet, und es wurden über Minuten ganze Textpassagen vorgelesen.

Sie haben aber auch Sachen von sich gegeben, die so nicht stimmen. Sie haben in der Presse verkündet, langfristig keine Ausländerklassen zu wollen. Ich sage Ihnen: Wenn Sie das so verkünden und das mit uns in Verbindung bringen, ist das nicht in Ordnung, weil wir als Freie Demokraten nie langfristige Ausländerklassen gewollt haben, sondern wir haben gesagt – da sind wir uns einig –: Wir möchten, dass eine frühestmögliche Integration in die Regelklassen erfolgen soll.

(Beifall von Marc Lürbke [FDP])

Aber der entscheidende Unterschied ist, Frau Ministerin Löhrmann, dass wir nicht Kinder in die Regelklassen überführen möchten, die keinerlei Deutschkenntnisse oder nur Deutschkenntnisse rudimentärer Art haben. Wir werden diesen Kindern mit Flucht- und Migrationshintergrund nicht gerecht, und das gilt auch für alle anderen Kinder in diesen Regelklassen.

(Beifall von Marc Lürbke [FDP])

Man muss wissen, bei diesem Erlass geht es um die pädagogische und organisatorische Ausrichtung an unseren Schulen. Und damit geht es um die beste Bildung, um eine exzellente Bildung für unsere Kinder an unseren Schulen – für alle Kinder, nicht nur für Kinder mit Fluchthintergrund. Es geht um die Chancen, die wir unseren Kindern durch diesen Erlass nehmen.

Deshalb kann ich mich der Forderung von Frau Voigt nur anschließen: Ziehen Sie diesen Erlass zurück und lassen Sie den Schulen den nötigen Freiraum, um bedarfsorientiert und angemessen eine vernünftige Integrationspolitik vor Ort zu gestalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)



Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Gebauer. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Hendricks.

Renate Hendricks (SPD): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns nicht zum ersten Mal mit diesem Erlass. Sie haben bereits darauf hingewiesen, dass wir vor der Sommerpause schon einen Aufschlag hier im Landtag gehabt haben. Wir haben uns in der letzten Woche dazu anderthalb Stunden im Schulausschuss ausgetauscht. Das Ergebnis war, dass den Abgeordneten übers Wochenende auf Wunsch der Opposition ein Audiomitschnitt zugeleitet wurde, sodass wir uns noch mal mit dem Gesagten beschäftigen konnten.

Aber ich habe den Paradigmenwechsel und den Widerspruch, den Sie heute versucht haben aufzuzeigen, nicht feststellen können, nachdem ich mir diesen Audiomitschnitt sehr aufmerksam angehört habe.

(Beifall von Eva Voigt-Küppers [SPD] und Sigrid Beer [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag ist knapp gefasst, geht aber leider von falschen Voraussetzungen aus. Das hat Ihnen Frau Ministerin Löhrmann im Schulausschuss dargestellt. Anders, als Sie es im Antrag behaupten, sollen die neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler eben nicht grundsätzlich ohne vorbereitenden Deutschunterricht am Normalunterricht teilnehmen. Im Grundsatz ändert sich also nichts.

Daraufhin habe ich mir den alten Erlass angeschaut, weil es immer hilfreich ist, sich das Neue und das Alte zu betrachten, um die Veränderungen festzustellen.

Im alten Erlass vom 21. Dezember 2009 heißt es:

„Regelklassen

Schüler und Schülerinnen mit Zuwanderungsgeschichte besuchen grundsätzlich Regelklassen in der von ihnen besuchten Schule und nehmen grundsätzlich am gesamten Unterricht teil.“

Es heißt dann zum Thema Vorbereitungsklassen, dass die Schulaufsicht die Vorbereitungsklassen einrichtet und nicht die Schule. Genau das tut dieser neue Erlass auch: Es obliegt der Schulaufsicht gemeinsam mit dem Schulträger, Klassen einzurichten.

Was der Erlass aber tut, und das war auch für uns am Anfang irritierend – das gestehe ich durchaus, denn wir haben ja auch Nachfragen gestellt –, ist, dass der Begriff „Klasse“ durch den Begriff „Sprachfördergruppe“ ersetzt wird. Frau Löhrmann hat dies auch dargestellt, und zwar in Schreiben, in Mitteilungen und im Ausschuss letzte Woche, und hat darauf hingewiesen, dass mit dieser Begrifflichkeit sozusagen eine Einheit unter den Bundesländern dargestellt wird, indem nämlich alle anderen Länder, die in der KMK ja vereint sind, auch den Begriff „Sprachfördergruppen“ einführen und damit sozusagen eine begriffliche Klarheit hergestellt wird.

An der Organisationsform ändert sich nur insofern etwas, als die Schulen flexiblere Möglichkeiten haben, ihre eigenen Erfahrungen vor Ort umzusetzen und es eben nicht nur in Klassen machen müssen. Das haben wir sehr begrüßt, weil diese Flexibilität sozusagen den Schulen die Möglichkeit gibt, die Best-Practice-Beispiele, die sie vor Ort bereits praktizieren, wirklich umzusetzen.

Meine Damen und Herren, es macht übrigens wirklich Sinn, sich den alten und neuen Erlass durchzulesen, und ich würde das auch der Opposition sehr empfehlen. Vielleicht würde ich Ihnen auch empfehlen, auf der Grundlage des alten und des neuen Erlasses einfach das Gespräch mit dem Ministerium zu suchen, damit noch einmal klärend miteinander gesprochen werden kann – denn es hilft nicht, wenn wir uns im Landtag die ganze Zeit austauschen, aber nicht das Gespräch miteinander suchen –, weil ich mir nämlich sehr gut vorstellen könnte, dass die Ungereimtheiten, die Sie zurzeit feststellen, dann ausgeräumt werden könnten.

(Beifall von Eva Voigt-Küppers [SPD] und Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich habe aber, nachdem der Antrag von der Oppositionsfraktion kam, dann noch einmal Schulaufsichtsbeamte gefragt, weil es mir natürlich wichtig war, zu hören, wie die den neuen Erlass wahrnehmen und ob sie Veränderungen feststellen. Ich gebe Ihnen jetzt einfach die Antwort eines Schulaufsichtsbeamten wieder, mit dem ich in der letzten Woche gesprochen habe, der mir sagte:

Es hat sich in der bisherigen Praxis nichts verändert. Grundsätzlich beantragen Schulen in Abstimmung mit dem Schulträger die Einrichtung einer Sprachfördergruppe bei der zuständigen Schulaufsicht. Sollte es aufgrund der jeweiligen Stellenbesetzung in der Schule zu personellen Engpässen kommen, wird nachbesetzt. Die zusätzlichen Ressourcen werden wie bisher zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren, das ist die Realität in Nordrhein-Westfalen. Wir werden dem Antrag der Opposition nicht zustimmen. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)



Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Hendricks. – Für die Grünenfraktion spricht nun Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn argumentativ gar nichts mehr geht, dann muss aber die Ideologiekeule herausgeholt werden. Dabei wäre einfaches Lesen schon ganz wertvoll.

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

– Ja, liebe Kolleginnen Vogt und Gebauer, ich habe gerade gedacht, eigentlich war es richtig gut und ein Vorschlag zur Güte, dass wir das nicht vor den Sommerferien debattiert haben – dann hätte man sich diese Peinlichkeit der Vorstellung heute ersparen können. Da muss ich also wirklich an das anschließen, …

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

– Frau Kollegin, damit es im Protokoll steht, denn Sie haben mich quasi der Lüge bezichtigt, zitiere ich aus dem Erlass:

„Der gemeinsame Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Zuwanderungsgeschichte schafft gegenseitiges Verständnis und leistet einen besonderen Beitrag für die schulische und gesellschaftliche Integration der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte. Darum hat gemeinsamer Unterricht Vorrang vor jeder getrennten Form.“

Dann heißt es unter

„1. Regelklassen
1.1 Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte besuchen grundsätzlich Regelklassen in der von ihnen besuchten Schule und nehmen grundsätzlich am gesamten Unterricht teil. Sie erhalten bei Bedarf zusätzlichen Förderunterricht in Deutsch und werden individuell gefördert. …

2. Vorbereitungsklassen


2.1 … Für Schülerinnen und Schüler, die während des Schuljahres den Schulbesuch aufnehmen, ist die Bildung von Auffangklassen … bei Bedarf möglich. …
2.2 Die Entscheidung über die Zuweisung in eine Vorbereitungsklasse trifft die Schulaufsichtsbehörde …“

Ich zitiere aus dem Erlass, den die Kollegin Hendricks schon angesprochen hat, von 2009, zuletzt aktualisiert 2014 – ideologisches Gedankengut der schwarz-gelben Landesregierung. Wie peinlich ist das denn, was Sie hier zelebrieren wollen?

(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt-Küppers [SPD])

Vielleicht legt man das wirklich einmal nebeneinander. Jetzt kann ich gern aus dem neuen Erlass zitieren, das ist nämlich substanziell nicht geändert, und da heißt es jetzt:

„Alle neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler sind vom Zeitpunkt der Aufnahme an Schülerinnen und Schüler der aufnehmenden Schule. Sie werden dort in der Regel in einer Klasse der ihrem Alter entsprechenden Jahrgangsstufe und nach deren Stundentafel unterrichtet (Regelklasse).“

Und dann heißt es:

„Schülerinnen und Schüler, deren Kenntnisse in der deutschen Sprache eine erfolgreiche Teilnahme am gesamten Unterricht nach der Stundentafel .. nicht ermöglichen, erhalten eine intensive und individuelle Förderung in der deutschen Sprache nach folgenden Maßgaben:

Sie „kann in innerer und in äußerer Differenzierung durchgeführt werden“ – und entgegen dem alten Erlass, Frau Kollegin Gebauer, ist die Frage der Einrichtung schulinterner Sprachfördergruppen der Schulleitung zur Entscheidung im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen gegeben.

Das heißt doch, Sie haben hier ein Potemkinsches Dorf aufgebaut. Das ist doch ein Popanz, den Sie versucht haben, hier in zwei mal fünf Minuten darzustellen. Das hat mit der Realität nichts zu tun, und das müsste Ihnen doch langsam aufgegangen sein.

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Lesen bildet, Vergleichen bildet, und wenn Sie noch nicht einmal den alten Erlass neben den neuen legen bei der Vorbereitung, dann ist das eine schwache Performance. Das hätte ich mindestens von Ihnen erwartet. In der Ressourcenfrage hat es auch nicht den Abstrich einer halben Stelle im Land gegeben, und das wissen Sie auch ganz genau.

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Weil nichts anderes hilft, kommen Sie dann mit der Ideologiekeule. Wie gesagt, schwächer kann es eigentlich nicht sein! Sie haben zu Recht – und das finde ich gut, ich hätte es sonst auch gemacht –, den Audiomitschnitt angefordert, aber Erkenntnisse haben Sie daraus irgendwie nicht gezogen. Also war das Ressourcenverschwendung, auch vom Protokolldienst, denn da würde ich mir doch erhoffen, dass dann das Verständnis steigt.

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Frau Kollegin Gebauer, Sie bezichtigen mich hier, die Unwahrheit gesagt zu haben, und dann müssen Sie sich der Debatte stellen und sich gefallen lassen, dass man Ihnen nachweist, dass Sie Unfug geredet haben und offensichtlich noch nicht einmal alten und neuen Erlass kennen und gegeneinandergehalten haben.

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Wir machen hier mit Ihnen keine Rosstäuscherei mit, sondern ich habe Wert darauf gelegt, dass das im Protokoll steht, was im alten und neuen Erlass ist, weil Sie versuchen, die Schullandschaft im Land Nordrhein-Westfalen zu verunsichern. Das ist das einzige, was Sie in dieser Frage antreibt, …

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

… und deswegen muss ich sagen: So geht es nicht!

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Ministerium hat auf die Hinweise reagiert, hat kommuniziert und ist weiter dabei, um genau das, was Sie versucht haben mit anzulegen, eben nicht in der Landschaft verfangen zu lassen.

So geht es nicht, und deswegen hätte ich mir gewünscht, Sie hätten diesen Antrag zurückgezogen. Das haben Sie leider nicht, dann müssen Sie aber auch mit dieser Resonanz rechnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


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