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IV. Offenlegung
Da die Öffentlichkeit ein großes Interesse an den Informationen hat, die
die Rechnungslegung enthält, sind Unternehmen, vor allem Kapitalge-
sellschaften, verpflichtet, die Rechnungslegungsdokumente und das
Prüfungsergebnis öffentlich zu machen. Diese Publizitätspflicht korres-
pondiert mit der Haftungsbegrenzung
25
.
Europarechtliche Grundlage der Publizität war zunächst die Publizi-
tätsrichtlinie 68/151/EWG
26
, die in ihrem Art. 2 Abs. 1 lit. f die Unter-
nehmen zur Offenlegung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrech-
nung verpflichtete. Nach Art. 3 waren die Angaben in einem zentralen
Register oder bei einem Handels- oder Gesellschaftsregister in einer Akte
einzutragen. Diese Vorgaben wurden, in Bezug auf die offen zu legen-
den Unterlagen der Rechnungslegung, durch die neue Publizitätsricht-
linie 2009/101/EG
27
fortgeschrieben. Vorgesehen ist jetzt auch die Ver-
öffentlichung in einem Europäischen Unternehmensregister ( European
Business Register)
28
, das einen Verbund europäischer Unternehmensre-
gister darstellt.
V. Europäische Vorgaben zum Sanktionsregime und das nationale
Recht
Für die Ausgestaltung des nationalen Rechnungslegungsstrafrechts ist
entscheidend, inwiefern das europäische Recht die Mitgliedstaaten dazu
verpflichtet, Verstöße bei der Rechnungslegung mit Sanktionen zu be-
wehren.
25
Waßmer, in: Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Bd. 2, 2013, § 335 Rn. 2 m.w.N.
26
Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutz-
bestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Ab-
satz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um
diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. L 65, S. 8.
27
Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Septem-
ber 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Ge-
sellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter
sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, Abl.
L 258 S. 11.
28
Homepage: http://www.ebr.org.
185
1. Rechnungslegungsdokumente
a. Europäische Vorgaben
Die Jahresabschluss-Richtlinie 78/660/EWG
29
und die Konzernrech-
nungslegungs-Richtlinie 83/349/EWG
30
, die den Beginn der Harmo-
nisierung des Rechnungslegungsrechts markieren, verpflichteten die
Mitgliedstaaten ursprünglich nicht dazu, bei Verstößen Sanktionen an-
zudrohen. Dies änderte sich erst mit der Änderungs-Richtlinie 2006/46/
EG
31
. Nunmehr wurden von den Mitgliedstaaten Sanktionen verlangt,
die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind (vgl. Art. 60a der
(geänderten) Jahresabschluss-Richtlinie 78/660/EWG; Art. 48 der (geän-
derten) Konzernrechnungslegungs-Richtlinie 83/349/EWG). Eine Pflicht,
strafrechtliche Sanktionen vorzusehen, war damit allerdings nicht ver-
bunden. Die neue Bilanz-Richtlinie 2013/34/EU
32
, welche die bisherigen
Richtlinien ersetzte, die Vorschriften an Veränderungen anpasste und
eine einheitliche Terminologie schuf, hat diese relativ schwachen Vor-
gaben in ihrem Art. 51 übernommen. Daher müssen die vorzusehenden
Sanktionen auch weiterhin nicht strafrechtlicher Art sein, wodurch die
Mitgliedstaaten einen erheblichen Spielraum bei der Umsetzung haben.
Bei der Rechnungslegung handelt es sich damit um ein Gebiet, in
dem bereits Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt sind und in dem seit
29
Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.7.1978 auf Grund von Artikel 54 Absatz
3 Buchstabe g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter
Rechtsformen, ABl. L 222 S. 11.
30
Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13.6.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz
3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss, ABl. L 193 S. 17.
31
Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006
zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Ge-
sellschaften bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss,
86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und
anderen Finanzinstituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidier-
ten Abschluss von Versicherungsunternehmen, ABl. L 224 S. 1.
32
Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013
über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte
von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/
EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. L 182 S. 19.
186
dem Vertrag von Lissabon nach Art. 83 Abs. 2 AEUV durch Richtlinien
Mindestvorschriften für Straftaten und Strafen festgelegt werden kön-
nen, wenn sich die Angleichung der strafrechtlichen Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten „als unerlässlich“ für die wirksame Durchführung
der Politik der Union erweist. Ob diesbezüglich in den Mitgliedstaaten
der EU und des EWR tatsächlich erhebliche Sanktionsdefizite bestehen,
bedarf weiterer rechtsvergleichender Untersuchungen. Angesichts des
Umsetzungsspielraums der Mitgliedstaaten liegt es aber nahe, dass die
Sanktionsvorschriften – wie früher im Bereich des Marktmissbrauchs,
vor dem Erlass der neuen Marktmissbrauchsrichtlinie 2014/57/EU
33
(MAD II) – erheblich divergieren.
b.
Deutsches Recht
Im deutschen Recht werden Verstöße bei der Darstellung in den Rech-
nungslegungsdokumenten als besonders sozialschädlich begriffen und
sind daher mit Strafe bewehrt. Die Strafvorschriften sind hierbei, je nach
Rechtsform des Unternehmens, in unterschiedlichen Gesetzen enthal-
ten. Die zentralen Sanktionsvorschriften der §§ 331, 334 HGB erfassen
die Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften (wie Aktiengesellschaf-
ten) und „Kapital-und-Co-Gesellschaften“ (wie der GmbH & Co. KG).
Ergänzende Vorschriften sind im HGB, unabhängig von der Rechtsform,
für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (§§ 340m f. HGB), Versi-
cherungen und Pensionsfonds (§§ 341m f. HGB) sowie bestimmte Unter-
nehmen des Rohstoffsektors (§§ 341 x HGB) vorgesehen. Darüber hinaus
exis tieren für weitere Rechtsformen Sanktionsvorschriften im Aktien-
gesetz (AktG), Genossenschaftsgesetz (GenG), GmbH-Gesetz (GmbHG),
Publizitätsgesetz (PublG), Umwandlungsgesetz (UmwG) und Versiche-
rungsaufsichtsgesetz (VAG).
Die Strafvorschrift des § 331 HGB betrifft die unrichtige Darstellung
in Rechnungslegungsdokumenten. Ergänzend können mit der Bußgeldvor-
schrift des § 334 Abs. 1 HGB weniger schwere Verstöße geahndet werden.
Zu hinterfragen sind hierbei aber die vorgesehenen Sanktionen. So droht
§ 331 HGB als Strafe höchstens eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
33
Richtlinie 2014/57/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014
über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation, ABl. L 173 S. 179.
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