Martin paul wassmer



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INSIDERHANDEL UND MARKTMANIPULATION – EUROPÄISCHE 
VORGABEN UND DEUTSCHES STRAFRECHT
Prof. Dr. Martin Paul Waßmer
I. Einführung 
Im vergangenen Jahrzehnt erregten spektakuläre Fälle des Insiderhan-
dels  und  der  Marktmanipulation  große  Aufmerksamkeit.  So  wurde  im 
Oktober 2009 in den USA der bis dato größte bekannte Insiderhandel auf-
gedeckt. Nach Abhöraktionen nahm das FBI sechs Personen fest, darun-
ter Vorstände großer börsennotierter Firmen und Hedgefonds-Manager, 
die verdächtigt wurden, durch Insidergeschäfte bis zu 20 Mio. US-Dollar 
erzielt zu haben
1
. Sie hatten Insiderinformationen über zahlreiche bör-
sennotierte IT-Firmen, u.a. AMD, Google, Intel und IBM, verwertet. Bis 
zum Mai 2011 verurteilte die US-Justiz 35 der 46 Verdächtigen
2

In Bezug auf die Marktmanipulation sei an den Fall  des gelernten 
Bäckers Markus Frick erinnert, der sich als Börsenberater betätigt und 
einen Börsenbrief per E-Mail herausgegeben hatte. Er empfahl zwischen 
September 2005 und Juni 2007 zahlreiche Aktien und trieb damit de-
ren Aktienkurs hoch. Aktien, mit denen er sich zuvor eingedeckt hatte, 
verkaufte er anschließend mit großem Gewinn. Das LG Berlin verurteilte 
ihn im April 2011 wegen Marktmanipulation zu einer Bewährungsstrafe
3

Nachdem er im Mai 2012 erneut Kurse nach oben getrieben hatte, wurde 
er vom LG Frankfurt zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt
4
.
 
II. Legitimität der Strafbewehrung des „Marktmissbrauchs“
Insiderhandel  und  Marktmanipulation  werden  unter  dem  Oberbegriff 
„Marktmissbrauch“  zusammengefasst.  Im  Bewusstsein  der  Öffentlich-
1
 http://www.zeit.de/wirtschaft/boerse/2009-10/wall-street-insider-skandal.
2
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/insider-skandal-us-milliardaer-rajarat-
nam-soll-ins-gefaengnis-a-762023.html.
3
https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichts-
barkeit/2011/pressemitteilung.426072.php.
4
http://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/boerse-inside/wegen-marktmanipula-
tion-markus-frick-muss-ins-gefaengnis/9532940.html.


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keit hat sich die Vorstellung verfestigt, dass diese Verhaltensweisen straf-
würdig und strafbedürftig sind. Zunächst sei allerdings die Frage gestat-
tet, ob dies berechtigt ist.
1. Marktmanipulation
Weitestgehend unstreitig ist die Legitimität des Verbots der Marktmani-
pulation
5
. Die Manipulation des Marktpreises und damit des Leitkriteri-
ums von Anlageentscheidungen unterminiert das Vertrauen der Anleger 
und  schädigt  die  Funktionsfähigkeit  der  Finanzmärkte.  Täuschung  und 
Irreführung beeinträchtigen die Preisbildung. Der Marktpreis ist gerade 
für die neoklassische Kapitalmarkttheorie, die sich am Modell des (ratio-
nalen) „homo oeconomicus“ orientiert, von grundlegender Bedeutung. 
Dass  bei  Anlageentscheidungen  auch  irrationales  Verhalten  eine  Rolle 
spielt, was die neuere verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie (beha-
vioral finance) berücksichtigt, wird hierdurch nicht grundsätzlich in Frage 
gestellt
6
.
2. Insiderhandel
Umstritten war und ist dagegen die Legitimität des Verbots des Insider-
handels. Von Teilen der Wirtschaftswissenschaften und der Strafrechts-
wissenschaft  wurde  und  wird  angezweifelt
7
,  dass  es  überhaupt  eines 
Verbotes bedürfe, weil der Insiderhandel auch Vorteile habe. Angeführt 
wird, er steigere die Allokationseffizienz der Märkte, da sich durch den 
Insiderhandel  der  ökonomisch  angemessene  Preis  unter  Vermeidung 
starker  Kursausschläge  einstelle;  darüber  hinaus  belohne  er  das  Füh-
rungspersonal. Letztlich gehe es somit nur um den bloßen Schutz der 
Chancengleichheit. Dem ist allerdings mit der heute überwiegenden Auf-
fassung
8
 entgegenzuhalten, dass der Insiderhandel die Märkte durchaus 

Vgl. nur Waßmer, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, 2. Aufl. 2016, Vor §§ 38–40b Rn. 26 m.w.N.
6
 A.A. Wohlers, ZStW 125 (2013), S. 443, 476 ff.
7
 Grundlegend aus ökonomischer Sicht Manne, Insider Trading and the Stock Market, 1966; 
vgl. auch Seeger, Insiderhandel am deutschen Aktienmarkt, 1998, S. 8 ff; aus strafrechtlicher 
Sicht Wohlers, ZStW 125 (2013), S. 443, 474 ff.; Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht, 
Europäisierung und Legitimation, 2005, S. 167 ff., 174.
8
 Vgl. nur Ott/Schäfer, ZBB 1991, 226, 229 f.; Victoria Villeda, Prävention und Repression von 


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beeinträchtigt. Er führt nämlich dazu, dass Insider andere Marktteilneh-
mer übervorteilen, woraufhin diese die Märkte als unfair wahrnehmen 
und  sich  abwenden.  Das  Insiderhandelsverbot  und  die  flankierenden 
Regelungen zur Ad-hoc-Publizität, zu Directorsʹ Dealings sowie zur Be-
teiligungstransparenz sorgen dagegen für Transparenz und Fairness und 
sichern damit die Grundbedingungen der Märkte. Das Insiderhandels-
verbot sichert also ebenfalls die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte
9
.
3. Strafbewehrung
Da sowohl die Marktmanipulation als auch der Insiderhandel gravieren-
de  Auswirkungen  auf  die  Funktionsfähigkeit  der  Finanzmärkte  haben 
können und diese für Wirtschaft und Gesellschaft von elementarer Be-
deutung sind
10
, sind sie, jedenfalls in schwerwiegenden Fällen, bei Straf-
androhung zu verbieten. 
III. Entwicklung des europäischen Marktmissbrauchsrechts 
1. Bis zum Vertrag von Lissabon 
Im europäischen Recht bestand lange Zeit keine Pflicht, vor Insiderge-
schäften  und  Marktmanipulationen  mit  den  Mitteln  des  Strafrechts 
Schutz zu gewähren. 
a.
 
EG-Insiderrichtlinie
In Bezug auf den Insiderhandel überließ es die Richtlinie 89/592/EWG 
vom  13.11.1989  „zur  Koordinierung  der  Vorschriften  betreffend  Insi-
der-Geschäfte“
11
, die sog. EG-Insiderrichtlinie, in ihrem Art. 13 S. 1 den
 
Mitgliedstaaten, festzulegen, wie Verstöße zu sanktionieren sind. Art. 13 
S. 2 forderte nur, dass die Sanktionen einen „hinreichenden Anreiz“ zur 
Insiderhandel, 2010, S. 69 ff.; Trüg, Konzeption und Struktur des Insiderstrafrechts, 2014, S. 
44 f., 56.
9
 Waßmer, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, 2. Aufl. 2016, Vor §§ 38–40b Rn. 27.
10
 Vgl. nur Victoria Villeda, Prävention und Repression von Insiderhandel, 2010, S. 3 ff.
11
 ABl. L 334, S. 30.


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