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Instinkt
Unter Instinkten versteht man angeborene Verhaltens
weisen, die die Basis für erlerntes Verhalten bilden. Die
Übergänge zwischen „angeboren“ und „erlernt“ sind hier
bei fließend. Ein jedes Tier ist mit den seiner Art ent
sprechenden Instinkten ausgestattet, die zunächst einmal
die Grundlage zum Leben darstellen. Diese UrInstinkte
sichern das Überleben des Individuums und der gesamten
Art.
Tiere werden mit einem Körper geboren, der optimal an
ihre natürlichen Lebensbedingungen angepasst ist. Ihre an
geborenen Instinkte regeln ein tierartgerechtes Verhalten,
speziell bei höher entwickelten Arten sorgt eine gewisse
Lernfähigkeit für Flexibilität an sich verändernde Umwelt
bedingungen. Doch stets sind Tiere auf Positives ausgerich
tet. Ihre Instinkte und auch ihre erlernten Verhaltensweisen
zwingen sie dazu, Negatives zu meiden und Positives her
beizuführen. Dabei scheint es sich um ein evolutionäres
Prinzip zu handeln, dem selbst „niedere“ Lebewesen wie
Pantoffeltierchen folgen.
Die „Pantoffeltierchen-Wohlfühlzone“ ist ein bestimmter
Temperaturbereich im Meer, der für diese Kleinstlebewesen
optimal ist. Außerhalb der Zone ist es zu warm oder zu kalt für
ihren Stoffwechsel. Doch blitzschnell erfassen Sensoren am
„Körper“ der Einzeller die Krise und veranlassen die Pantoffel-
tierchen, sich wieder in ihren Wohlfühlbereich zu begeben.
So simpel dieses Glücksprinzip bei Einzellern auch scheinen
mag, es greift auch bei höher entwickelten Arten, wenn
auch auf wesentlich kompliziertere Art und Weise.
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Mutter Natur sorgt im Tierreich für Perfektion. Tiere
richten sich nach den großen und kleinen Naturzyklen. Eine
für jede Tierart spezifische Tagesrhythmik reguliert die na
türlichen Phasen der Aktivität und der Ruhe. Die großen
Zyklen hängen mit den Jahreszeiten zusammen. Bei sehr
vielen Arten findet die Paarungszeit nur in einer bestimmten
Saison statt. Damit wird gewährleistet, dass der Nachwuchs
unter optimalen klimatischen Bedingungen zur Welt
kommt. In freier Natur erblicken die meisten Jungtiere im
Frühling das Licht der Welt, da sie einem rauen Winter mit
frostigen Temperaturen und knappem Nahrungsangebot
nicht gewachsen wären. Dementsprechend sind wildleben
de Tiere darauf programmiert, genau dann Hochzeit zu fei
ern, wenn entsprechende Hormonschübe ihnen es dik tieren.
Tiere brauchen eine ihrer Art entsprechende Freiheit,
um sich optimal an ihren jeweiligen Lebensraum anzupas
sen. Nimmt man sie ihnen, sind die natürlichen Zyklen ge
stört. Dies ist leider häufig bei Zootieren und überdomesti
zierten Tieren der Fall. Verkümmertes Sozialverhalten,
Fortpflanzungsstörungen, verändertes Fressverhalten sowie
Depressionen oder Zwänge und die daraus resultierende
Krankheitsanfälligkeit sind die Folgen.
All dies erinnert an den zivilisationsgeplagten Menschen.
Auch wir werden mit Instinkten geboren. Auch wir brau
chen die nötige Freiheit, unseren Instinkten zu folgen, denn
nur so sind wir in der Lage, ein sinnerfülltes, glückliches
Leben zu führen. Natürlich wird ein Mensch nicht von
Instinkten geleitet, die kulturelle Entwicklung des Homo
sapiens hat zu einem breitgefächerten Handlungs und Ver
haltensspektrum geführt. Mit menschlichen Instinkten ist
hier ein naturnahes Verhalten gemeint, ein Verhalten, das
einem sicheren Gefühl entspringt, ohne reflektierte Kon
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trolle. Der Mensch sollte sich mehr an seinen ursprüngli
chen Bedürfnissen orientieren.
Doch ist dies nicht längst gewährleistet? Nie hatten wir
mehr Freiheiten und Möglichkeiten, unser Leben zu gestal
ten, als in der heutigen Zeit. Das Recht auf persönliche
Freiheit ist in unserem Grundgesetz fest verankert. Doch
wieso jammern gerade wir Deutschen auf so hohem Ni
veau, wenn sich doch andere Völker aus wesentlich ärme
ren Ländern als glücklich bezeichnen? Sogar bitterarme
Naturvölker wirken trotz aller widrigen Umstände glückli
cher als viele Deutsche.
Traurig, aber wahr: Laut des „UNICEFBerichts zur
Lage der Kinder in Industrieländern“ (2013) ist die subjek
tive Lebenszufriedenheit von Kindern in Deutschland trotz
aller materiellen Annehmlichkeiten besonders schlecht
(Platz 22 von 29). Gerade wir Deutschen gelten weltweit
als korrekt, penibel und pflichtbewusst. Haben wir uns da
durch zu weit von unserem Instinkt, unserer tierischen Na
tur abgewendet? Geben gerade die Deutschen ihren Kin
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dern nicht mehr das, was sie am meisten brauchen und was
kein Tier seinen Zöglingen verweigert? Werden Aufmerk
samkeit und Liebe in einer Leistungsgesellschaft vielleicht
zu häufig gesellschaftlichen Anforderungen untergeordnet,
obwohl sie für den Nachwuchs alles bedeuten? Es ist an der
Zeit, sich wieder auf unsere tierischen Ursprünge, unsere
Instinkte zu besinnen.
Die Wahrnehmung von emotionalen Problemen bei
Kindern ist auch heute noch bei vielen Eltern schambesetzt.
Doch wohin Ignoranz führen kann, zeigt folgendes Bei
spiel:
Im 13. Jahrhundert wollte Kaiser Friedrich II. aus wissen-
schaftlicher Neugier die Ursprache des Menschen heraus-
finden. Dazu wies er Ammen an, Säuglinge zu stillen und zu
pflegen, jedoch waren Reden, Zärtlichkeiten und Lieb-
kosungen verboten. Diese armen Kinder wurden schlicht
und ergreifend ignoriert. Obwohl dem rein körperlichen
Überleben nichts im Weg stand, sind sie wohl alle im Kin-
desalter gestorben.
Schon Babys von Rhesusäffchen zeigen ein ausgeprägtes
Bedürfnis nach Wärme und Geborgenheit. Harry Harlow
trennte in umstrittenen Tierversuchen Rhesusaffenbabys
von ihren Müttern und ließ sie zwischen zwei Attrappen
wählen: Eine war lediglich aus Metall geformt und spende
te Milch, die andere war mit einem weichen Stoff überzo
gen, lieferte aber keine Nahrung. Das Kuschelbedürfnis der
kleinen Äffchen war offensichtlich so groß, dass sie die
flauschige Attrappe bevorzugten und immer nur kurz zum
Trinken das Metallgestell aufsuchten.
Es bedarf eigentlich keiner Worte, wohin die Missach
tung natürlicher Instinkte führen kann: zu un„mensch
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