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gegenüber loyal ist, d. h. dass er/sie die Interessen des Unternehmens oder dieser
speziellen Gruppe in seiner/ihrer Abteilung durchsetzt. Auch ein/e ProjektleiterIn steht häufig
- manchmal besonders krass - in diesem Spannungsverhältnis.
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Veränderungskonflikte
Veränderungskonflikte sind ein breites Feld, das häufig im Rahmen von Projekten auftritt.
Die häufigsten Veränderungskonflikte lassen sich in vier Untergruppen aufteilen:
• Konflikte durch Auflösung und Neuformierung von Gruppen oder Teilorganisa-
tionen
Wird beispielsweise eine Projektorganisation aus MitarbeiterInnen verschiedener
Abteilungen einer Linienorganisation heraus gebildet, die bisher miteinander konkurriert
haben, so können sich daraus Konflikte ergeben, wenn diese MitarbeiterInnen nun
projektbezogen miteinander arbeiten müssen.
• Konflikte durch Rollen- bzw. Funktionsänderungen
Dazu gehören etwa Verteilung neuer Kompetenzen, Avancement bestimmter Personen
oder Personengruppen in Rollen die sie bisher nicht hatten. Die Nominierung eines/r
fähigen MitarbeiterIn zum/r ProjektkoordinatorIn ist ein klassisches Beispiel dafür.
Akzeptanzprobleme sind ein Beispiel von Veränderungskonflikten, die sich daraus
ergeben können.
• Konflikte infolge soziotechnische Änderungen
Ein klassisches Beispiel für eine solche Art von Konflikten ist etwa die Installation einer
EDV-Anlage. Hier kommen neue Informationsstrukturen zustande und dadurch auch neue
oder zusätzliche Entscheidungsstrukturen. So kann sich die Abfolge von Informationen
komplett ändern. Nicht selten ist dies eine Quelle von Konflikten. Dies gilt für die
Einführung vieler weiterer Projekte in eine bestehende Organisation.
• Konflikt durch Norm- und Standardänderungen
Hierher gehören alle Konflikte, die daraus entstehen, dass nun neue Regeln für die Ko-
operation sowohl nach innen als auch nach außen gelten. Dies kann etwa mit dem
Eintreten in neue Märkte oder mit neuen Finanz- oder Steuergesetzen zusammenhängen
und eben häufig auch durch Projekte, die ja meist innovativen Charakter haben, bewirkt
werden.
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Strukturkonflikte
Ein typischer Strukturkonflikt entsteht meist auch durch den "Fremdkörper Projekt-
organisation" im Rahmen oder in der Zusammenarbeit mit einer klassischen
Organisationsform (Linienorganisation). Matrixorganisationen haben ein reiches Repertoire
zur Beilegung solcher Konflikte dadurch, dass sie bewusst auf eine ständige kooperative
Auseinandersetzung zwischen Stellen, die zum Teil widersprüchliche Ziele verfolgen,
ausgelegt sind.
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Normen- und Wertekonflikte
Hierher gehören alle Konflikte, die mit der Verfassung einer Organisation sowie mit der
Festlegung von Funktionen zu tun haben, wie Repräsentations- und Legitimationskonflikte.
Auch die Dauer von Normen und ihr Geltungsbereich kann bzw. muss in manchen
Situationen kontrovers sein.
Oft führt die unterschiedliche Bewertung eines Sachverhaltes zu Konflikten.
Beispiel: A ist der Meinung, der neue Projektmitarbeiter wird die Herausforderungen der ihm
zugewiesenen Aufgaben nie schaffen, B setzt große Hoffnungen in ihn und glaubt, dass er
nur eine längere Anlaufzeit braucht. Die "Richtigkeit" der beiden Behauptungen lässt sich
nicht durch "objektive" Informationen "beweisen" (zumindest nicht im gegenwärtigen
Zeitpunkt). Alle Konflikte um "Geschmack" gehören in diese Kategorie.
Wichtig ist anzumerken, daß Konflikte nicht generell schlecht oder zu vermeiden sind. Sie sind
notwendiger Bestandteil der Existenz unseres Lebens und eben auch des Zusammenlebens
in Gruppen und Organisationen.
Kritisch wird ein Konflikt erst dann, wenn er zur echten Störung, also dysfunktional wird.
Gegensätze, Reibungen und Spannungen können sich zu heftigen Konflikten auswachsen.
Sie umfassen dann mehr und mehr die ganze Person und können schließlich die ganze
Organisation anstecken und ihre Existenz gefährden. Dies hängt stark mit der Konfliktintensität
zusammen, die in Eskalationsstufen mehr und mehr zu pathologischen Verhaltensweisen
führen kann.
(vgl. dazu F. Glasl: Konfliktmanagement; Haupt-Verlag)
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3.
Nutzen von Konflikten
Interview mit Fritz B. Simon
o unangenehm man Konflikte auch erleben mag, so „nützlich“ können sie sein. Konflikte
sind auch ein „Lösungsinstrument für Fragen, die man sich vorher womöglich gar nicht
gestellt hat“, wie Fritz B. Simon meint. Der Verdeutlichung dieser Perspektive dienen
Ausschnitte aus einem Gespräch, das Christof Schmitz mit Fritz B. Simon im Rahmen des
Hernstein-Forschungsprojektes „Konfliktgrammatik“ führte.
Welche Bedeutung hat für Dich der Begriff „Konflikt“?
Es ist ein Begriff, er in meinem
normalen Sprachschatz nie oder nur selten
vor-kommt. Ich verwende ihn wenig, weil
der Begriff negativ konnotiert wird. Die
Phä-nomene, die mit diesem Begriff
benannt werden, dass Leute verschie-
dene Positionen vertreten, womöglich
auch streithaft, polemisch, kämpferisch,
oder dass es Auseinandersetzungen gibt,
scheinen mir erstens natürlich, zweitens
unvermeidlich und drittens potentiell sehr
fruchtbar - gerade in Unternehmen. Für
mich ist ein Konflikt das Resultat des
Aufeinanderprallens von Weltsichten, von
Wertungen, von Beschreibungen, die
dann eben auch auf der Aktionsebene
Folgen haben. Was das Konfliktmanage-
ment angeht, denke ich, dass der
Versuch, Konflikte aufzulösen, eine fatale
Geschichte sein kann, weil die Chance, die
in solchen Konflikten liegt, nicht genutzt
wird.
Ich würde viel eher schauen, wie man
Konflikte inszenieren und nutzen kann,
statt sie zu beseitigen. Das klingt jetzt so
absolut, und ich denke auch, dass es
Konflikte gibt, deren Entstehen man
besser verhindern sollte. Aber die
Ressource, die in einem Konflikt liegt, die
sollte man auch sehen.
Kannst Du diesen Ressourcengehalt näher schildern?
In einer irrwitzig komplexen Welt wie die
des/der ManagerIn braucht man Mecha-
nismen zur Reduktion der Komplexität. Ich
glaube aber, dass es keine intellektuellen
gibt. Ich glaube nicht, dass man die Idee
des ganzheitlichen Denkens realisieren
kann. Die Wirklichkeit ist zu komplex, um
von einem Menschen oder von einem
Computermodell vollständig erfasst zu
werden. Was kann man also machen
innerhalb eines Unternehmens, wenn es
auf
der
intellektuellen oder reinen
Beschreibungsebene nichts gibt, um die
Komplexität von Märkten, Interessens-
gruppen und so weiter ausreichend ab-
zubilden?
Man muss diesen Konflikt, diese
verschiedenen Tendenzen, die womög-
lich wieder in widersprüchliche Richtungen
weisen, inszenieren, um zu einer
praktikablen Lösung zu finden. Das heißt,
Konflikt ist ein Lösungsinstrument für
Fragen, die man sich vorher womöglich
noch gar nicht gestellt hat, die einen aber
früher oder später einholen.
Ich
glaube, solange man die
Komplexität rein intellektuell bewältigen
will, bleibt man auf der Landkartenebene,
und die Frage ist, wie man von der
Landkartenebene
wieder
auf die
Landschaft, also das soziale System
kommt. Man kann ein großes soziales
System in einem kleinen abbilden
(beispielsweise die Auseinandersetzun-
gen zwischen Organisationseinheiten in
einem Meeting oder Workshop), indem
man den Konflikt inszeniert und nutzt. Das
wäre das, was ich mit den positiven
Ressourcen von Konflikten, meine.
Man erlaubt, dass man sie positiv
bewertet und dass man sie auf eine andere
Ebene hebt, wo sie dann vermutlich
S