Adorno und die Kabbala (Pri ha-Pardes; 9)



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nie tatsachlich gegeben haben muss […].“
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 Das Innere der Gegenstände ist 
somit nicht in diesen selbst zu finden, sondern konstituiert sich zwischen Sub-
jekt und Objekt als Inhalt einer visionären, durchaus auch projektiven Erfah-
rung.
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 Es geht hier nicht darum, die Illusionen eines Moments glücklicher 
Hingabe kurzerhand zur Realität zu erklären, sondern vielmehr um das, was 
sich in der Differenz von Realität und Illusion zeigt: Das Objekt dieser Erfah-
rung scheint mehr zu sein, als es faktisch ist. Dies ist aber keine Projektion des 
selbstherrlichen Geistes, der das Objekt verstümmelt, denn zugleich ist das 
erfahrende Subjekt hier nahezu verliebt an sein Objekt hingegeben, entdeckt 
also real mehr an ihm, als im Licht des reduktiven Begriffsdenkens zugänglich 
wäre. Aber auch vor der Hypostasierung des Objekts wird gewarnt: „Fehlte 
Subjekt  als  Moment  am  Objekt  selber,  so  würde  dessen  Objektivität  zum 
Nonsens.“ (GS 8, 454) Im Modell der Ortsnamen (in der Sache muss es hier 
jedoch keineswegs um Ortsnamen gehen)
363
 zeichnet Adorno den Inhalt einer 
konkreten metaphysischen Erfahrung nach, die die Immanenz des Faktischen 
übersteigt  und  über  das  bloß  Seiende  „ausschweift“,  (vgl.  NL  IV/14,  219) 
womit er dezidiert über Kants Warnung vor der letzteren Tätigkeit hinaus-
gehen will. Diese glückliche Erfahrung weicht, will man sie dingfest machen, 
wie  der  Regenbogen  zurück.  Sie  ist  momenthaft,  wie  jeder  Glückszustand: 
„Treue hält ihm bloß, der spricht: ich war
 glücklich. Das einzige Verhältnis 
des Bewußtseins zum Glück ist der Dank: das macht dessen unvergleichliche 
Würde  aus.“  (GS  4,  126)  Dies  ist  der  Grund,  aus  dem  Adornos  mystisch-
metaphysische Erfahrungen an der Kindheit festgemacht sind. Es geht nicht 
361 
Bobka. 
Geschichtsphilosophie vom Standpunkt der Erlösung. S. 83.
362 
Im  Hintergrund  steht  hier  die  schon  in  der  Dialektik  der  Aufklärung  artikulierte  These: 
„Zwischen dem wahrhaften Gegenstand und dem unbezweifelbaren Sinnesdatum, zwischen 
innen und außen, klafft ein Abgrund, den das Subjekt, auf  eigene Gefahr, überbrücken muß. 
Um das Ding zu spiegeln, wie es ist, muß das Subjekt ihm mehr zurückgeben, als es von ihm 
erhält.“ (GS 3, 214).
363 
Adorno beruft sich auch auf  andere Kindheitserinnerungen zur Schilderung ähnlicher idio-
synkratischer Erfahrungen, entweder in den Notizen für sein unvollendet gebliebenes Beet-
hoven-Buch: „Deutlich kann ich mich aus meiner Kindheit an den Zauber erinnern, der von 
einer Partitur ausgeht, welche die Namen der Instrumente nennt und von jedem genau zeigt, 
was es spielt. Flöte, Klarinette, Oboe – das verspricht nicht weniger als farbige Billette oder 
Namen von Ortschaften. […] So stark war dieser Zauber, daß ich ihn noch heute fühle, wenn 
ich die Pastorale lese, an der er mir wohl zuerst aufging.“ (NL I/1, 21) Anderswo werden die 
ersten Mahler-„Erfahrungen“ reflektiert. (vgl. GS 13, 204 f.) Es lässt sich auch argumentieren, 
dass sich die flüchtigen Glückserlebnisse der metaphysischen Erfahrung für Adorno über-
haupt an Namen heften, die stets das Individuelle meinen, anders als prädizierende Begriffe, 
die auf  bestimmte Eigenschaften ausgehen. Vgl. zum Modell des Namens Kapitel 6.3.


 
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notwendig um infantile Erfahrungen, sondern um solche eines von Besorg-
nis freien Glücks, wie sie wohl kaum jemand als seinen psycho-emotionalen 
Dauer zustand beanspruchen könnte.
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 Im Hier und Jetzt sind sie höchstens als 
erinnerte zugänglich – oder als Gegenstand der Sehnsucht, die sich auf Mög-
lichkeiten und Hoffnungen bezieht. So wird die Totalität in zweifacher Weise 
durchbrochen: Dadurch, dass das Glück ihre Geschlossenheit als unwahr ent-
hüllt, sowie dadurch, dass sie sich immanent als widersprüchlich erweist, weil 
die moderne Gesellschaft ihre eigenen Versprechen untergraben hat.
„Das Totum ist das Totem. Bewußtsein könnte gar nicht über das Grau verzweifeln, 
hegte es nicht den Begriff  von einer verschiedenen Farbe, deren versprengte Spur 
im negativen Ganzen nicht fehlt. Stets stammt sie aus dem Vergangenen, Hoffnung 
aus ihrem Widerspiel, dem, was hinab mußte oder verurteilt ist; solche Deutung 
wäre dem letzten Satz von Benjamins Text über die Wahlverwandtschaften, ‚Nur 
um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben‘, wohl angemessen.“ 
(GS 6, 370 f.)
So außeralltäglich, vereinzelt und – aufs Ganze gesehen – hoffnungslos dieser 
Vorschein von Versöhnung im erinnerten Glück jedoch sein mag, er kann für 
Adorno die Immanenz des gesellschaftlichen Verblendungszusammenhangs 
momenthaft  aufbrechen.  Dem  glücklichen  Bewusstsein  ist  hier  ein  allego-
rischer, zu enträtselnder Hinweis auf  das, was sein könnte, an die Hand gege-
ben,  ohne  eine  konkretistische  Utopie  auszumalen.  In  diesem  Modell  zeigt 
sich Adorno das Gegenstück zum kafkaesk Vereinzelten, das in der universa-
len Funktionalisierung der Gesellschaft zerrieben wird. In seinem Brief  zur 
Negativen Dialektik schrieb Scholem übrigens an Adorno: „Als Motto künftiger 
mystischer Vorträge von mir habe ich mir den schönen Satz auf  Seite 368 
notiert: Das Totum ist das Totem. In dieser Losung dürften wir uns finden!“ 
([1.3.1967] BW 8, 410)
Funken des messianischen Endes. Was „aus dem Vergangenen“ stammt 
und als ohnmächtiges Glück nur durch die Brüche der kapitalistischen Ver-
gesellschaftung schimmert, verweist also doch auf  eine zu erhoffende Zukunft. 
Den Fokus auf  die „versprengte“ Spur der „verschiedenen Farbe“ verfolgt 
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„Während in den Interieurs, in denen Menschen wohnen, das Unheil haust, sind Schlupf-
winkel  der  Kindheit,  verlassene  Stätten  wie  das  Treppenhaus,  solche  der  Hoffnung.“ 
(GS 10.1, 286).


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