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in dem Augenblick geschaffen, in dem sie auf den Markt gebracht wird, ja sie wird auf den Markt
gebracht, bevor sie geschaffen ist." ("Observations on some verbal disputes etc.", p.75, 76.)
[23] "Wenn man Arbeit als eine Ware und Kapital, das Produkt von Arbeit, als eine andre behan-
delt, dann würde sich, wenn die Werte jener beiden Waren durch gleiche Arbeitsmengen be-
stimmt würden, eine gegebene Menge Arbeit \dots{} gegen eine solche Menge Kapital austau-
schen die durch die gleiche Arbeitsmenge erzeugt worden wäre; vergangene Arbeit würde ... ge-
gen die gleiche Menge eingetauscht wie gegenwärtige. Aber der Wert der Arbeit, im Verhältnis
zu anderen Waren ... wird eben nicht durch gleiche Arbeitsmengen bestimmt." (E. G. Wakefield
in s. Edit. von A. Smiths, "Wealth of Nations", Lond. 1835, v.I, p.230, 231, Note.)
[24] "Man mußte vereinbaren" (auch eine Ausgabe des "contrat social"[1*]), "daß,
[1*] "Gesellschaftsvertrags"
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Ware nicht durch das Quantum wirklich in ihr vergegenständlichter, sondern durch das Quantum der zu
ihrer Produktion notwendigen lebendigen Arbeit bestimmt wird. Eine Ware stelle 6 Arbeitsstunden dar.
Werden Erfindungen gemacht, wodurch sie in 3 Stunden produziert werden kann, so sinkt der Wert auch
der bereits produzierten Ware um die Hälfte. Sie stellt jetzt 3 statt früher 6 Stunden notwendige gesell-
schaftliche Arbeit dar. Es ist also das zu ihrer Produktion erheischte Quantum Arbeit, nicht deren gegen-
ständliche Form, wodurch ihre Wertgröße bestimmt wird.
Was dem Geldbesitzer auf dem Warenmarkt direkt gegenübertritt, ist in der Tat nicht die Arbeit, sondern
der Arbeiter. Was letztrer verkauft, ist seine Arbeitskraft. Sobald seine Arbeit wirklich beginnt, hat sie
bereits aufgehört, ihm zu gehören, kann also nicht mehr von ihm verkauft werden. Die Arbeit ist die Sub-
stanz und das immanente Maß der Werte, aber sie selbst hat keinen Wert.[25]
Im Ausdruck: "Wert der Arbeit" ist der Wertbegriff nicht nur völlig ausgelöscht, sondern in sein Gegen-
teil verkehrt. Es ist ein imaginärer Ausdruck, wie etwa Wert der Erde. Diese imaginären Ausdrücke ent-
springen jedoch aus den Produktionsverhältnissen selbst. Sie sind Kategorien für Erscheinungsformen
wesentlicher Verhältnisse. Daß in der Erscheinung die Dinge sich oft verkehrt darstellen, ist ziemlich in
allen Wissenschaften bekannt, außer in der politischen Ökonomie.[26]
Die klassische politische Ökonomie entlehnte dem Alltagsleben ohne weitere Kritik die Kategorie "Preis
der Arbeit", um sich dann hinterher
wann immer geleistete Arbeit gegen zu leistende Arbeit ausgetauscht wird, der letztere" (le capi-
taliste[1*]) "einen höheren Wert erhalten müßte als der erstere" (le travailleur[2*]). (Simonde (i.e.
Sismondi) "De la Richesse Commerciale", Genève 1803, t.I, p.37)
[25] Arbeit, der ausschließliche Maßstab des Wertes ... die Schöpferin allen Reichtums, ist keine
Ware." (Th. Hodgskin, l.c. p.186.)
[26] Solche Ausdrücke dagegen für bloße licentia poetica[3*] zu erklären, zeigt nur die Ohn-
macht der Analyse. Gegen Proudhons Phrase: "Man sagt von der Arbeit, daß sie einen Wert hat,
nicht als eigentliche Ware, sondern im Hinblick auf die Werte, welche man in ihr potentiell ent-
halten annimmt. Der Wert der Arbeit ist ein figürlicher Ausdruck etc.", bemerke ich daher: "Er
sieht in der Ware Arbeit, die eine furchtbare Realität ist, nur eine grammatische Ellipse. Demge-
mäß ist die ganze heutige, auf den Warencharakter der Arbeit begründete Gesellschaft von jetzt
an eine poetische Lizenz, auf einen figürlichen Ausdruck begründet. Will die Gesellschaft "alle
Unzuträglichkeiten ausmerzen", unter denen sie zu leiden hat, nun, so merze sie die anstößigen
[1*] der Kapitalist – [2*] Der Arbeiter – [3*] dichterische Freiheit
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zu fragen, wie wird dieser Preis bestimmt? Sie erkannte bald, daß der Wechsel im Verhältnis von Nach-
frage und Angebot für den Preis der Arbeit, wie für den jeder andren Ware, nichts erklärt außer seinem
Wechsel, d.h. die Schwankung der Markpreise unter oder über eine gewisse Größe. Decken sich Nachfra-
ge und Angebot, so hört, unter sonst gleichbleibenden Umständen, die Preisoszillation auf. Aber dann
hören auch Nachfrage und Angebot auf, irgend etwas zu erklären. Der Preis der Arbeit, wenn Nachfrage
und Angebot sich decken, ist ihr vom Verhältnis der Nachfrage und Angebot unabhängig bestimmter, ihr
natürlicher Preis, der so als der eigentlich zu analysierende Gegenstand gefunden ward. Oder man nahm
eine längere Periode der Schwankungen des Marktpreises, z.B. ein Jahr und fand dann, daß sich ihr Auf
und Ab ausgleicht zu einer mittlern Durchschnittsgröße, einer konstanten Größe. Sie mußte natürlich
anders bestimmt werden als die sich kompensierenden Abweichungen von ihr selbst. Dieser über die zu-
fälligen Marktpreise der Arbeit übergreifende und sie regulierende Preis, der "notwendige Preis" (Physio-
kraten) oder "natürliche Preis" der Arbeit (Adam Smith) kann, wie bei andren Waren, nur ihr in Geld
ausgedrückter Wert sein. In dieser Art glaubte die politische Ökonomie durch die zufälligen Preise der
Arbeit zu ihrem Wert vorzudringen. Wie bei den andren Waren wurde dieser Wert dann weiter durch die
Produktionskosten bestimmt. Aber was sind die Produktionskosten -des Arbeiters, d.h. die Kosten, um
den Arbeiter selbst zu produzieren oder zu reproduzieren? Diese Frage schob sich der politischen Öko-
nomie bewußtlos für die ursprüngliche unter, da sie mit den Produktionskosten der Arbeit als solcher sich
im Kreise drehte und nicht vom Flecke kam. Was sie also
Ausdrücke aus, so ändere sie die Sprache, und sie braucht sich zu diesem Behufe nur an die Aka-
demie zu wenden, um von ihr eine neue Ausgabe ihres Wörterbuchs zu verlangen." (K. Marx,
"Misère de la Philosophie", p.34, 35[1*].) Noch bequemer ist es natürlich, sich unter Wert gar
nichts zu denken. Man kann dann ohne Umstände alles unter diese Kategorie subsumieren. So
z.B. J. B. Say. Was ist "valeur"[2*]? Antwort: "Das, was eine Sache wert ist" und was ist
"prix[3*]? Antwort: "Der Wert einer Sache ausgedrückt in Geld." Und warum hat die Arbeit der
Erde ... einen Wert? Weil man ihr einen Preis zuerkennt. Also Wert ist, was ein Ding wert ist, und
die Erde hat einen "Wert", weil man ihren Wert "in Geld ausdrückt". Dies ist jedenfalls eine sehr
einfache Methode, sich über das why[4*] und wherefore[5*] der Dinge zu verständigen.
[1* Siehe Band 4 unserer Ausgabe, S.87/88 – [2*] "Wert" – [3*] "Preis" – [4*] Warum – [5*]
Weswegen
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Wert der Arbeit (value of labour) nennt, ist in der Tat der Wert der Arbeitskraft, die in der Persönlichkeit
des Arbeiters existiert und von ihrer Funktion, der Arbeit, ebenso verschieden ist wie eine Maschine von
ihren Operationen. Beschäftigt mit dem Unterschied zwischen den Marktpreisen der Arbeit und ihrem
sog. Wert, mit dem Verhältnis dieses Werts zur Profitrate, zu den vermittelst der Arbeit produzierten Wa-
renwerten usw., entdeckte man niemals, daß der Gang der Analyse nicht nur von den Marktpreisen der
Arbeit zu ihrem vermeintlichen Wert, sondern dahin geführt hatte, diesen Wert der Arbeit selbst wieder
aufzulösen in den Wert der Arbeitskraft. Die Bewußtlosigkeit über dies Resultat ihrer eignen Analyse, die
kritiklose Annahme der Kategorien "Wert der Arbeit", "natürlicher Preis der Arbeit" usw. als letzter ad-
äquater Ausdrücke des behandelten Wertverhältnisses, verwickelte, wie man später sehn wird, die klassi-
sche politische Ökonomie in unauflösbare Wirren und Widersprüche, während sie der Vulgärökonomie
eine sichere Operationsbasis für ihre prinzipiell nur dem Schein huldigende Flachheit bot.
Sehn wir nun zunächst, wie Wert und Preise der Arbeitskraft sich in dieser verwandelten Form als Ar-
beitslohn darstellen.
Man weiß, daß der Tageswert der Arbeitskraft berechnet ist auf eine gewisse Lebensdauer des Arbeiters,
welcher eine gewisse Länge des Arbeitstags entspricht. Nimm an, der gewohnheitsmäßige Arbeitstag
betrage 12 Stunden und der Tageswert der Arbeitskraft 3 sh., der Geldausdruck eines Werts, worin sich 6
Arbeitsstunden darstellen. Erhält der Arbeiter 3 sh., so erhält er den Wert seiner während 12 Stunden
funktionierenden Arbeitskraft. Wird nun dieser Tageswert der Arbeitskraft als Wert der Tagesarbeit aus-
gedrückt, so ergibt sich die Formel: Die zwölfstündige Arbeit hat einen Wert von 3 sh. Der Wert der Ar-
beitskraft bestimmt so den Wert der Arbeit oder, in Geld ausgedrückt, ihren notwendigen Preis. Weicht