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zwei Perioden. Während der einen Periode produziert der Arbeiter nur einen Wert = Wert seiner Arbeits-
kraft, also nur ein Äquivalent. Für den vorgeschoßnen Preis der Arbeitskraft erhält so der Kapitalist ein
Produkt vom selben Preis. Es ist, als ob er das Produkt fertig auf dem Markt gekauft hätte. In der Periode
der Mehrarbeit dagegen bildet die Nutznießung der Arbeitskraft Wert für den Kapitalisten, ohne ihm ei-
nen Wertersatz zu kosten.[20] Er hat diese Flüssigmachung der Arbeitskraft umsonst. In diesem Sinn
kann die Mehrarbeit unbezahlte Arbeit heißen.
Das Kapital ist also nicht nur Kommando über Arbeit, wie A. Smith sagt. Es ist wesentlich Kommando
über unbezahlte Arbeit. Aller Mehrwert, in welcher besondern Gestalt von Profit, Zins, Rente usw. er sich
später kristallisiere, ist seiner Substanz nach Materiatur unbezahlter Arbeitszeit. Das Geheimnis von der
Selbstverwertung des Kapitals löst sich auf in seine Verfügung über ein bestimmtes Quantum unbezahlter
fremder Arbeit. la Communauté, Paris 1818. Der Yankee H. Carey bringt dies Kunststück mit demselben
Erfolg gelegentlich selbst für die Verhältnisse des Sklavensystems fertig.
[20] Obgleich die Physiokraten das Geheimnis des Mehrwerts nicht durchschauten, war ihnen doch so
viel klar, daß er "ein unabhängiger und verfügbarer Reichtum ist, den er" (der Besitzer davon) "nicht ge-
kauft hat und den er verkauft". (Turgot, "Réflexions sur la Formation et la Distribution des Richesses",
p.11.)
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Der Arbeitslohn
Verwandlung von Wert resp. Preis der Arbeitskraft in Arbeitslohn
Auf der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint der Lohn des Arbeiters als Preis der Arbeit,
ein bestimmtes Quantum Geld, das für ein bestimmtes Quantum Arbeit gezahlt wird. Man spricht hier
vom Wert der Arbeit und nennt seinen Geldausdruck ihren notwendigen oder natürlichen Preis. Man
spricht andrerseits von Marktpreisen der Arbeit, d.h. über oder unter ihrem notwendigen Preis oszillieren-
den Preisen.
Aber was ist der Wert einer Ware? Gegenständliche Form der in ihrer Produktion verausgabten gesell-
schaftlichen Arbeit. Und wodurch messen wir die Größe ihres Werts? Durch die Größe der in ihr enthalt-
nen Arbeit. Wodurch wäre also der Wert z.B. eines zwölfstündigen Arbeitstags bestimmt? Durch die in
einem Arbeitstag von 12 Stunden enthaltnen 12 Arbeitsstunden, was eine abgeschmackte Tautologie
ist.[21]
[21] "Ricardo, geistreich genug, vermeidet eine Schwierigkeit, die auf den ersten Blick seiner
Theorie entgegenzustehen scheint, daß nämlich der Wert von der in der Produktion verwandten
Arbeitsmenge abhängig ist. Hält man an diesem Prinzip streng fest, so folgt daraus, daß der Wert
der Arbeit abhängt von der zu ihrer Produktion aufgewandten Arbeitsmenge – was offenbar Un-
sinn ist. Durch eine geschickte Wendung macht deshalb Ricardo den Wert der Arbeit abhängig
von der Menge der Arbeit, die zur Produktion des Lohnes erforderlich ist; oder, um mit seinen ei-
genen Worten zu sprechen, er behauptet, daß der Wert der Arbeit nach der Arbeitsmenge zu
schätzen sei, die zur Produktion des Lohnes benötigt wird; worunter er die Arbeitsmenge ver-
steht, die zur Produktion des Geldes oder der Ware notwendig ist, die dem Arbeiter gegeben wer-
den. Gerade so gut könnte man sagen, daß der Wert von Tuch nicht nach der zu seiner Produktion
verwandten Arbeitsmenge geschätzt werde, sondern nach der Arbeitsmenge, die zur Produktion
des Silbers verwandt wurde, gegen welches das Tuch eingetauscht wird." ([S. Bailey,] "A Critical
Dissertation on the Nature, etc., of Value", pp.50, 51)
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Um als Ware auf dem Markt verkauft zu werden, müßte die Arbeit jedenfalls existieren, bevor sie ver-
kauft wird. Könnte der Arbeiter ihr aber eine selbständige Existenz geben,
so würde er Ware verkaufen
und nicht Arbeit.[22]
Von diesen Widersprüchen abgesehn, würde ein direkter Austausch von Geld, d.h. vergegenständlichter
Arbeit, mit lebendiger Arbeit entweder das Wertgesetz aufheben, welches sich grade erst auf Grundlage
der kapitalistischen Produktion frei entwickelt, oder die kapitalistische Produktion selbst aufheben, wel-
che grade auf der Lohnarbeit beruht. Der Arbeitstag von 12 Stunden stellt sich z.B. in einem Geldwert
von 6 sh. dar. Entweder werden Äquivalente ausgetauscht, und dann erhält der Arbeiter für zwölfstündige
Arbeit 6 sh. Der Preis seiner Arbeit wäre gleich dem Preis seines Produkts. In diesem Fall produzierte er
keinen Mehrwert für den Käufer seiner Arbeit, die 6 sh. verwandelten sich nicht in Kapital, die Grundlage
der kapitalistischen Produkion verschwände, aber grade auf dieser Grundlage verkauft er seine Arbeit und
ist seine Arbeit Lohnarbeit. Oder er erhält für 12 Stunden Arbeit weniger als 6 sh., d.h. weniger als 12
Stunden Arbeit. Zwölf Stunden Arbeit tauschen sich aus gegen 10, 6 usw. Stunden Arbeit. Diese Gleich-
setzung ungleicher Größen hebt nicht nur die Wertbestimmung auf. Ein solcher sich selbst aufhebender
Widerspruch kann überhaupt nicht als Gesetz auch nur ausgesprochen oder formuliert werden.[23]
Es nützt nichts, den Austausch von mehr gegen weniger Arbeit aus dem Formunterschied herzuleiten, daß
sie das eine Mal vergegenständlicht, das andre Mal lebendig ist.[24] Dies ist um so abgeschmackter, als
der Wert einer
[22] "Wenn ihr Arbeit eine Ware nennt,so ist sie doch nicht einer Ware gleich, die zuerst zum
Zweck des Tausches produziert und dann auf den Markt gebracht wird, wo sie mit anderen Wa-
ren, die grade auf dem Markte sind, in entsprechendem Verhältnis ausgetauscht wird; Arbeit wird