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labour). Der Gewinn der Zwischenpersonen fließt ausschließlich aus der Differenz zwischen dem Ar-
beitspreis, den der Kapitalist zahlt, und dem Teil dieses Preises, den sie dem Arbeiter wirklich zukommen
lassen.[50] Dies System heißt in England charakteristisch das "Sweating-
System"(Ausschwießungssystem). Andrerseits erlaubt der Stücklohn dem Kapitalisten, mit dem Hauptar-
beiter – in der Manufaktur mit dem Chef einer Gruppe, in den Minen mit dem Ausbrecher der Kohle
usw., in der Fabrik mit dem eigentlichen Maschinenarbeiter – einen Kontrakt für soviel per Stück zu
schließen, zu einem Preis, wofür der Hauptarbeiter selbst die Anwerbung und Zahlung seiner Hilfsarbei-
ter übernimmt. Die Exploitation der Arbeiter durch das Kapital verweiklicht sich hier vermittelst der Ex-
ploitation des Arbeiters durch den Arbeiter.[51]
Den Stücklohn gegeben, ist es natürlich das persönliche Interesse des Arbeiters, seine Arbeitskraft mög-
lichst intensiv anzuspannen, was dem Kapitalisten eine Erhölung des Normalgrads der Intensität erleich-
tert.[51a]
ringer als das für eine bestimmte Zeit festgesetzte Minimum, so wird er entlassen und ein tüchti-
gerer Arbeiter eingestellt."(Ure, l.c. p.316, 317.)
[50] "Wenn das Arbeitsprodukt durch viele Hände geht, auf die alle ein Teil des Profits kommt,
während nur das letzte Paar Hände die Arbeit verrichtet, dann geschieht es, daß die Bezahlung,
welche schließlich die Arbeiterin erreicht, jämmerlich unangemessen ist." ("Child. Empl. Comm.
II. Rep.", p,LXX, n.424.)
[51] Selbst der apologetische Watts bemerkt: "Es wäre eine große Verbesserung des Stücklohnsy-
stems, wenn alle an einem Stück Arbeit Beschäftigten Teilhaber am Vertrag wären, jeder entspre-
chend seinen Fähigkeiten, statt daß ein Mann daran interessiert ist, seine Kameraden für seinen
eigenen Vorteil abzurackern." (l.c.p.53.) Über die Gemeinheiten dieses Systems vgl. "Child.
Emp. Comm. Rep.III", p.66, n.22; p.11, n.124; p.XI, n.13, 53, 59 usw.
[51a] Diesem naturwüchsigen Resultat wird oft künstlich unter die Arme gegriffen. Z.B. im En-
gineering Trade[1*] von London gilt es als herkömmlicher trick, "daß der Kapitalist einen Mann
von überlegner physischer Kraft und Fertigkeit zum Chef einer
[1*] Maschinenbau
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Es ist ebenso das persönliche Interesse des Arbeiters, den Arbeitstag zu verlängern, weil damit sein Ta-
ges- oder Wochenlohn steigt.[52] Es tritt damit die beim Zeitlohn bereits geschilderte Reaktion ein, abge-
sehn davon, daß die Verlängerung des Arbeitstags, selbst bei konstant bleibendem Stücklohn, an und für
sich eine Senkung im Preise der Arbeit einschließt.
Beim Zeitlohn herrscht mit wenigen Ausnahmen gleicher Arbeitslohn für dieselben Funktionen, während
beim Stücklohn der Preis der Arbeitszeit zwar durch ein bestimmtes Produktenquantum gemessen ist, der
Tags oder Wochenlohn dagegen wechselt mit der individuellen Verschiedenheit der Arbeiter, wovon der
eine nur das Minimum des Produkts in einer gegebnen Zeit liefert, der andre den Durchschnitt, der dritte
mehr als den Durchschnitt. In bezug auf die wirkliche Einnahme treten hier also große Differenzen ein je
nach dem verschiednen Geschick, Kraft, Energie, Ausdauer usw. der individuellen Arbeiter.[53] Dies
ändert natürlich nichts an dem allgemeinen Verhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit. Erstens gleichen
Arbeiteranzahl auswählt. Er zahlt ihm vierteljährlich oder in andren Terminen einen Zuschußlohn
unter der Übereinkunft, alles mögliche aufzubieten, um seine Mitarbeiter, die nur den gewöhnli-
chen Lohn erhalten, zur äußersten Nacheiferung anzustacheln... Ohne weiteren Kommentar er-
klärt dies die Kapitalistenklage über "Lähmung der Tätigkeit oder überlegner Geschicklichkeit
und Arbeitskraft (stinting the action, superior skill and working power) durch die Trade's Uni-
ons". " (Dunning. l.c.p22, 23.) Da der Verfasser selbst Arbeiter und Sekretär einer Trade's Union,
könnte dies für Übertreibung gelten. Aber man sehe z.B. die "highly respectable"[1*] agronomi-
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sche Cyklopädie von J. Ch. Morton, Art. "Labourer", wo diese methode den Pächtern als probat
empfohlen wird.
[52] "Alle, die im Stücklohn bezahlt werden ... haben vorteil von einer Überschreitung der ge-
setzlichen Grenzen der Arbeit. Diese Bereitschaft, Überstunden zu machen, ist besonders bei den
Frauen zu beobachten, die als Weberinnern und Hasplerinnen beschäftigt sind." ("Rep. of Insp. of
Fact., 30th April 1858", p.9.) "Dies Stücklohnsystem, so vorteilhaft für den Kapitalisten ... strebt
direkt, den jungen Töpfer zu großer Überarbeit zu ermuntern, während der 4 oder 5 Jahre, worin
er per Stück, aber zu niedrigem Preis, bezahlt wird. Es ist dies eine der großen Ursachen, denen
die physische Degeneration der Töpfer zuzuschreiben ist." ("Child. Empl. Comm. I. Rep.",
p.XIII.)
[53] "Wo die Arbeit in irgendeinem Gewerbe nach der Stückzahl, zu soundso viel je Stück be-
zahlt wird ... können sich die Löhne dem Betrag nach sehr wesentlich voneinander unterscheiden
... Aber für Tagelohn im allgemeinen ein einheitlicher Satz ... der vom Unternehmer und von Ar-
beiter als Standardlohn für den Durchschnittsarbeiter in dem Gewerbe anerkannt wird." (Dunnig,
l.c. p.17.)
[1*] "hochachtbare"
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sich die individuellen Unterschiede für die Gesamtwerkstatt aus, so daß sie in einer bestimmten Arbeits-
zeit das Durchschnittsprodukt liefert und der gezahlte Gesamtlohn der Durchschnittslohn des Geschäfts-
zweigs sein wird. Zweitens bleibt die Proportion zwischen Arbeitslohn und Mehrwert unverändert, da
dem individuellen Lohn des einzelnen Arbeiters die von ihm individuell gelieferte Masse von Mehrwert
entspricht. Aber der größere Spielraum, den der Stücklohn der Individualität bietet, strebt einerseits dahin,
die Individualität und damit Freiheitsgefühl, Selbständigkeit und Selbstkontrolle der Arbeiter zu entwik-
keln, andrerseits ihre Konkurrenz unter- und gegeneinander. Er hat daher eine Tendenz, mit der Erhebung
individueller Arbeitslöhne über das Durchschnittsniveau dies Niveau selbst zu senken. Wo aber be-
stimmter Stücklohn sich seit lange traditionell befestigt hatte und seine Herabsetzung daher besondre
Schwierigkeiten bot, flüchteten die Meister ausnahmsweise auch zu seiner gewaltsamen Verwandlung in
Zeitlohn. Hiergegen z.B. 1860 großer strike unter den Bandwebern von Conventry.[54] Der Stücklohn ist
endlich eine Hauptstütze des früher geschilderten Stundensystems.[55]
[54] "Die Arbeit der Handwerksgesellen regelt sich nach dem Tag oder nach dem Stück (à la
journée ou à la pièce) ... Die Meister wissen ungefähr, wieviel Werke die Arbeiter täglich in je-
dem métier[1*] verrichten können, und zahlen sie daher oft im Verhältnis zum Werk, das sie ver-
richten; so arbeiten diese Gesellen, soviel sie können, in ihrem eignen Interesse, ohne weitere Be-
aufsichtigung." (Cantillon, "Essai sur la Nature du Commerce en Général", Amst. Éd. 1756, p.185
u. 202. Die Erste Ausgabe erschien 1755). Cantillon, aus dem Quesnay, Sir James Steuart und A.
Smith reichlich geschöpft haben, stellt hier also schon den Stücklohn als bloß modifizierte Form
des Zeitlohns dar. Die französische Ausgabe Cantillons kündigt sich auf dem Titel als Überset-
zung aus dem Englischen an, aber die englische Ausgabe: "The Analysis of Trade, Commeerce
etc., by Philip Cantillon, late of the City of London, Merchant", ist nicht nur späteren Datums(von
1759), sondern erweist sich durch ihren Inhalt als eine spätere Bearbeitung. So z.B. findet sich in
der französischen Ausgabe Hume noch nicht erwähnt, während umgekehrt in der englischen Petty
kaum mehr figuriert. Die englische Ausgabe ist theoretisch unbedeutender, enthält aber allerlei
spezifisch auf englischen Handel, Bullionhandel usw. Bezügliches, was im französischen Text
fehlt. Die Worte im Titel der englischen Ausgabe, wonach die Schrift "Taken chiefly from the
Manuscript of a very ingenious Gentleman deceased, and adapted etc."[2*], scheinen daher mehr
als bloße, damals sehr übliche, Fiktion.
[55] "Wie häufig haben wir gesehen, daß man in gewissen Werkstätten weit mehr Arbeiter ein-
stellte, als zur Arbeit wirklich benötigt wurden? Oft nimmt man Arbeiter