das dass meines Denkens? Offenbar kann ich nicht beides zugleich denken, was denke
ich dann aber, wenn ich nicht etwas denke (sondern nur das dass)?
Hier an dieser Stelle kommt Plotin auf einen Gedanken, der eine sehr große Wirkung
ausgeübt hat. Dabei liegt ja schon nahe, wie Plotin auf ein solches in der Reflexion sich
spaltendes Denken von dass und was betrachtet hat: „Wann aber der wahrhafte Geist in
seinen Gedanken sich selber denkt, somit sein Gedachtes nicht außerhalb von ihm ist,
vielmehr er zugleich auch selber das Gedachte ist, so erfaßt er im Akt des Denkens
notwendig sich selber und sieht sich selber; indem er aber sich selber sieht, sieht er sich
nicht als einen, der undenkend ist, sondern als einen der denkt. Folglich ergreift er in dem
Akt des ursprünglichen Denkens, zu einer Einheit verbunden, auch das Denken des
Denkens.“ (II 9) Das Seltsame, das ich noch nicht thematisiert habe, ist ja, dass wir, wenn
wir denken, immer irgendwie wissen, dass wir denken. Es gibt kein Denken, das sich nicht
in einem Bezug zu einem Denkenden befindet. Ich kann noch so selbstvergessen sein, ich
weiß, dass ich es bin, der denkt. Das findet sogar im Traum statt. Jedenfalls müssen wir
jedem Traum ein Subjekt zuschreiben. Es gibt immer ein Ich, ein Selbst, das träumt und
das irgendwie weiß, dass es träumt.
Dieses Sich-selber-Erfassen oder Sich-selber-Sehen ist eine ständige „Synthesis“
insofern, als das Vereinen hier stets dem Einheitspunkt des Selbst zugeschrieben werden
kann. Ich sehe demnach diesen ganzen Denkvollzug als einen einheitlichen, wenn ich
denke, denke ich zugleich in einem Akt das dass und das was. Es geht also nicht um
einen besonderen Reflexionsakt, der das einfache Denken unterbricht und dann denkt,
dass er denkt, sondern ich als Selbstbewusstsein agiere immer zugleich im Dass und
Was.
Diese Einheit des Denkakts gilt nicht nur für das Aristotelische νόησις νοήσεως, die der ja
allein dem Göttlichen zugesprochen hatte, weil dieses besondere Seiende nur das
Höchste, eben sich selbst, denken könne. Plotin meint, dass die Einheit des Denkens
auch für das menschliche Denken gilt. Denken ist wie „ein einziger Sehakt, der sich seiner
eigenen Tätigkeit bewusst ist“. Natürlich können wir auch was und dass unterscheiden,
das wird von Plotin nicht bezweifelt. Doch diese Differenzierungstätigkeit, die dem schon
erwähnten diskursiven Verstand zugeordnet wird, wird durch die zentrale und intuitive
Synthetisierungsleistung überboten; intuitiv, weil ich nur immer „irgendwie“ weiß, dass
alles Denken für mich mein Denken ist, dass es ein Selbst gibt, das sich dieses mein
Denken selber zuspricht.
Genauer betrachtet operiert Plotin nicht nur mit dem Unterschied zwischen dem
Denkenden und seinem Gedachten, dem νοοῦν und dem νοουμενόν, sondern noch mit
einer dritten Größe. Es gibt einen Denkakt, eine νόησις, die sich vom Denkenden, dem
Subjekt, und dem Gedachten, dem Objekt, unterscheidet. Man könnte demnach sagen,
dass Plotin eine triadische Struktur einführt, um das Selbstbewusstsein zu verstehen im
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Unterschied zu einer dualistischen, die nur den Denkenden und das Gedachte
differenziert. Diese Trias muss aber erläutert werden.
Der Denkende, der Geist, und das Gedachte, das Sein, sind beide schon für sich Denken
(ich hatte zu Beginn noch einmal daran erinnert, dass Plotin das Sein für denkhaft oder
denksam hält, eben weil es sich als ideenhaftes Sein erweist). Die νόησις ist demnach
Geist und Sein zugleich. Sie kommt also nicht einfach als ein Drittes hinzu, sondern
kennzeichnet schon die beiden anderen als solche. Das Dritte stellt demnach die Einheit
des Ganzen heraus. Denken ist ein einheitlicher Akt, der als Geist und Sein differenziert
werden kann: „Eines ineins ist dann Alles: Geist, Denken und das Gedachte“, heißt es
dann auch einmal. (Also: das Eine = ἒν πάντα, der Geist = ἕν πολλὰ.)
Ich hatte zuvor gesagt, dass das ein bedeutsamer Schritt in der Geschichte der
Philosophie sei, dieses Ansetzen einer Triade, um das Selbstbewusstsein zu verstehen.
Dieses triadische Denken, Denken in Triaden, wurde unmittelbar von dem anderen sehr
berühmten und wichtigen Neoplatoniker, nämlich von Proklos übernommen und geradezu
perfektioniert. Von Plotin aus strahlte dieses Denken aber auch in die christliche Theologie
aus. Augustinus z.B. begann in De trinitate die Dreifaltigkeit Gottes am Modell des
Selbstbewusstseins (Geist, Selbsterkenntnis, Selbstliebe; Erinnerung, Einsicht und Wille)
zu erläutern. Und dann natürlich ist diese Art des Denkens irgendwann bei Hegel
angekommen und zu einer einzigartigen Dialektik geworden, eine Dialektik der absoluten
Negativität, in der gedacht wird, dass die Drei eine Eins ist, dass sich die Einheiten stets in
drei Momente auseinanderlegen lassen.
Wir haben nun gerade bei der Erläuterung der Struktur des Geistes als eines Einen, das
sich in sich selbst unterscheidet bzw. als Einheit von Einheit und Vielheit sowie bei dem
Verständnis des Selbstbewusstseins immer wieder gesehen, wie wichtig für Plotin das
Eine und die Einheit ist. Immer wieder kommt er darauf zurück und löst die Probleme, die
ihm von anderen Philosophen (wie z.B. von Aristoteles her) überliefert werden. Ich hatte
schon häufiger darauf hingewiesen, dass dafür selbstverständlich Platon der
entscheidende Anknüpfungspunkt ist. Doch so, wie Plotin das Eine und die Einheit denkt,
hatte Platon es nicht in den Vordergrund seiner Philosophie gerückt. Dass Platon ein
Denker des Hen, des Einen sei, ist schon eine Sichtweise, die selber vom Neoplatonismus
beeinflusst ist. Aber es ist keineswegs eine falsche Sichtweise.
Nun unterscheidet Plotin ja, ich hatte auch das ganz zu Anfang gesagt, die Hypostase des
Einen von der des Geistes, das Eine steht über dem Geist. Das Eine ist, wir hatten das
besprochen, der absolute Ursprung von Allem (ἀρχή παντῶν). Ich hatte diesen Gedanken
problematisiert, weil er m.E. auf gewisse Weise der negativen Auffassung des Einen in
Plotin, also dass man dem Einen keine Prädikate, noch nicht einmal das Prädikat des
Seins, ja sogar auch des Einen nicht, zusprechen kann, widerspricht. Doch es ist nun
einmal so, dass Plotin diesen metaphysischen Gedanken denkt: das Eine - der Ursprung,
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