VERLAG NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
Jürg Kohlas, Jürg Schmid, Carl August Zehnder (Hrsg.)
Ein Entwurf
für die Schweiz
informatik
@
gymnasium
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sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlag: Die Programme in der Programmiersprache Scheme
illustrieren die Unlösbarkeit des berühmten Halteproblems der Informatik.
Quelle: Abelson H., Sussman G. J.,
Structure and Interpretation of Computer Programs, 2
nd
ed.
The MIT Press, Cambridge, Mass., 1996, S. 387
© 2013 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich
Umschlag, Gestaltung, Satz: Atelier Mühlberg Basel
Druck, Einband:
Druckhaus Nomos, Sinzheim
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ISBN 978-3-03823-822-5
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NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung
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informatik@gymnasium
Als Kopernikus im 16. Jahrhundert erkannte, dass die Erde sich um die Sonne be
wegt, war er sich der Tragweite seiner Entdeckung überhaupt nicht bewusst. Erst
Galileo Galilei wagte es, das bisherige theologisch geprägte Weltbild umzustossen
und ihm eine von Naturgesetzen bestimmte Welt gegenüberzustellen – bis er von
der römischen Kirche zum Widerruf gezwungen wurde. Im nördlichen Europa brach
dank den aufkommenden Naturwissenschaften die Moderne an, während im Einfluss
bereich Roms diese Entwicklung um mehr als 100 Jahre verzögert wurde.
Wer wissenschaftliche Informatik heute einem reinen Spezialistentum zuordnet
und
aus der Schulbildung verbannt, kann sich bestenfalls mit Kopernikus entschul
digen, die wahre Bedeutung der Informatik nicht erkannt zu haben. Während in
der frühen Neuzeit die Entdeckung der Naturgesetze den Wandel in Richtung auf
geklärte industrielle Gesellschaft bewirkte, steht zu Beginn des Schrittes von der
Industrie zur Informationsgesellschaft eine von Menschenhand geschaffene Ma
schine: der Computer. Der Computer erlaubt es, rein gedankliche Welten mit eige
nen Gesetzmässigkeiten zu schaffen – mit enormen realen Wirkungen. Informatik
ist die Wissenschaft, welche die Gesetzmässigkeiten dieser virtuellen Welten er
forscht und dem Menschen dienstbar macht. Die Erfindung des Computers führt aus
einer mechanistisch geprägten Welt der Materie und der Naturgesetze zu einer in
formationsbestimmten Welt von Daten und Algorithmen.
Die Möglichkeit, natürli
che Kausalketten zu unterbrechen und durch ein praktisch frei gestaltbares System
Sensor – Informationssystem – Akteur zu ersetzen, schafft neue Gestaltungsmög
lichkeiten der Realität, die in der VorInformationsgesellschaft undenkbar waren.
Das vorliegende Werk
informatik@gymnasium räumt mit den in Schule und
Öffentlichkeit verbreiteten Vorurteilen über Informatik auf und zeigt, dass es hier
nicht um die Handhabung neuer Gadgets und
das Surfen im Internet geht, sondern
um die Gesetzmässigkeiten, die dem Computer seine enormen Wirkungsmöglich
keiten verleihen. Damit wird auch unmittelbar klar, dass Informatik eine zentrale
Vorwort
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informatik@gymnasium
Stellung in der Allgemeinbildung einnehmen muss – einnehmen sollte, denn die
Kräfte in der Bildungslandschaft, die an einem
überholten Weltbild festhalten,
sind auch heute noch stark.
Wer eine Fremdsprache erlernt, weiss, dass das Erlernen von Wörtern und gram
matischen Regeln für die Sprachbeherrschung nicht ausreichend ist. Nur wer Denk
weise und Kultur des fremden Landes begreift, kann sich in der erlernten Sprache
auch sinngemäss korrekt ausdrücken. In gleicher Weise genügt es nicht, Computer
programme einsetzen und Informationen aus dem Web abrufen zu können, um die
Welt der Computer in ihrem Wesen zu erfassen, sondern es sind neue Denkansätze,
ein eigentliches «computational thinking», erforderlich.
Dies zu vermitteln, ist
Aufgabe eines Gymnasialfaches Informatik.
Erst wenn die Informatik am Gymnasium ihren festen Platz hat, werden die
künftigen – selber am Gymnasium ausgebildeten – Lehrpersonen ihren Schülerin
nen und Schülern verständlich machen können, wie Menschen und Computer in
der Informationsgesellschaft symbiotisch zusammenwirken. Erst dann werden wir
fähig sein, die Welt von heute wirklich zu verstehen. Das Werk
informatik@gymna-
sium stellt einen Meilenstein auf diesem Weg dar.
Bern, im Januar 2013
Dr. Max Gsell
Präsident Hasler Stiftung