56
4.1.1 Johann Baptist Homann und die Homännischen Erben
Der 1702 in Nürnberg gegründete Homännische Verlag
war einer der bedeutendsten
Kartenverlage des 18. Jahrhunderts.
237
Johann Baptist Homann wurde am 20. März 1664 in Oberkammlach im Allgäu geboren. Dass er
eine Ausbildung als Kartenstecher genossen hat, ist nicht bekannt. Markus Heinz vermutet, dass
Homann sich die Technik des Kupferstichs als Autodidakt angeeignet hat. Peter Meurer vertritt
die plausible These, dass Homann in Nürnberg bei Jakob von Sandrart gelernt hat, der eine
Kunstakademie unterhielt und für den er ab spätestens 1690 Kupferstiche fertigte.
238
Homann
kam mittellos nach Nürnberg und verdiente sich seinen Unterhalt
mit dem Bemalen von
Kupferstichen. Seine ursprünglich juristische Laufbahn verfolgte er nach einer kurzen Tätigkeit
als Notar in Nürnberg nicht weiter, sondern er begann, wie schon erwähnt, als Kupferstecher für
Jakob von Sandrart und David Funck zu arbeiten, bevor er eine eigene Offizin gründete.
239
In
Sammelatlas 4 mit der Signatur 108.9 des Schottenstifts sind zwei Karten aus dem Verlag von
Funck vorhanden, die Johann Baptist Homann in Kupfer gestochen hat.
Die Karte mit der
Signatur 108.9-23
240
zeigt die iberische Halbinsel, auf der Karte mit der Signatur 108.9-35
241
ist
die Apenninhalbinsel abgebildet. Dass die Karten von Johann Baptist Homann gestochen wurden,
ist an der Namenssignatur Homanns mit dem Zusatz
sculpsit
242
zu erkennen.
Das Privatleben von Johann Baptist Homann war sehr bewegt. Er wechselte von seinem
ursprünglich katholischen Glauben zum Protestantismus. Als er in den 90er-Jahren wieder den
katholischen Glauben annahm, wurde er 1693 aus dem lutherischen Nürnberg ausgebürgert. 1695
musste er sogar die Stadt verlassen und wurde erst nach einer
erneuten Konversion zum
evangelischen Glauben 1697 wieder aufgenommen.
243
237
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 34.
Heinz,
Zweck und Verwendung, 153.
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 15.
Sandler, Homann, 52f.
238
Meurer, Landkartenstich, 17.
239
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 34.
French, Tooley's (E-J), 361.
Sandler, Homann, 42.
Meurer,
Landkartenstich, 17.
240
Schottenstift, Sammelatlas 4, 108.9-23, Hispaniae et Portugalliae Regna (Nürnberg, s.a.).
Dörflinger, Landkarten
und Atlanten, 67.
241
Schottenstift, Sammelatlas 4, 108.9-35, Novissima et Accuratissima totius Italiae
(Nürnberg, s.a.).
Dörflinger,
Landkarten und Atlanten, 67.
242
Lat. er, sie , es hat geschnitzt, gemeißelt
243
Meurer, Landkartenstich,17f.
Sandler, Homann, 43-49.
57
1702 wagte Homann in Nürnberg den Schritt in die Selbstständigkeit.
244
Seine
ersten Karten
fertigte er für ein Atlasprojekt, das 1707 unter dem Namen „Atlas über die gantze Welt“
fertiggestellt wurde. Verlagsatlanten weisen einen systematischen Aufbau mit Karten des
Sonnensystems, Weltkarten, Kontinentalkarten und Regionalkarten auf, aber schon in den ersten
Verlagsjahren nimmt Homann Rücksicht auf die zeitgenössischen politischen Umstände wie dem
Spanischen Erbfolgekrieg zwischen 1701 und 1714.
245
Der
Grund dafür ist, dass auch Atlaskarten
als Einzelstücke verkauft wurden. Daher besitzen die Karten des Verlags durchwegs ein
ähnliches Format von 55 x 48 cm, damit Einzelkarten bei Bedarf in Atlanten eingebunden werden
konnten.
246
Der Atlas verkaufte sich gut, sodass Johann Baptist Homann schon 1710, drei Jahre nach der
Publikation, keine Fremdaufträge mehr annehmen musste. Die ersten Jahre war der Verlag im
Haus der
Schwiegereltern untergebracht, 1712 erwarb Homann ein eigenes Wohn- und
Verlagshaus.
247
Unter den frühen Publikationen befanden sich vermutlich vor allem Kopien
fremder Karten, da diese günstig in der Herstellung waren und dadurch ein hoher Profit erwartet
werden konnte.
248
Im Jahr 1715 ernannte Karl VI. Johann Baptist Homann zum
Kaiserlichen
Geographen. Im selben Jahr wurde er auch in die Königlich Preußische Akademie der
Wissenschaften zu Berlin aufgenommen.
249
Als Dank für die Auszeichnung zum
Kaiserlichen
Geographen widmete Johann Baptist Homann Karl VI. die 1716
erschienene Ausgabe des
„Großen Atlas über die gantze Welt“.
250
Die Ernennung zum
Kaiserlichen Geographen wurde
nach 1715 in den Titelkartuschen der Landkarten erwähnt. Die Auszeichnung
Sacrae Caesareae
Majestatis Geographus für die Benutzer der Karte sichtbar zu machen,
hatte bestimmt
marketingstrategische Gründe, da der Titel als eine Art Empfehlung des Kaisers angesehen
werden konnte. Dasselbe gilt für Druckprivilegien. Ein kaiserliches Druckprivileg –
privilegium
impressorium – wurde vom Reichshofrat oder der Reichshofkanzlei meistens auf zehn Jahre
ausgestellt. Der Text eines Privilegs konnte zum Beispiel
cum privilegio Sacrae Caesareae
244
Sandler, Homann, 49.
French, Tooley's (E-J), 361.
Heinz, Zweck und Verwendung, 153.
245
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 34f. Vocelka, Neuzeit, 465-468.
246
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 122.
Heinz, Zweck und Verwendung, 158.
Sandler, Homann, 62.
Heinz gibt das Format mit 56 x 47 cm an. Dieser Unterschied ist aufgrund der verschiedenen Dehnungszustände des
Papiers zu erklären, wodurch die Maße der Karten voneinander abweichen können. Vgl.
Verner, Copperplate
printing, 68.
247
Heinz, „allerneueste Landkarten“,
Meurer, Landkartenstich, 18.
248
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 78. Siehe: Kapitel 3.1.3.2. Herstellung einer Karte.
249
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 35-37.
Sandler, Homann, 49.
French, Tooley's (E-J), 361.
250
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 37.