Von Seelenrätseln


IV. Skizzenhafte Erweiterung des Inhalts dieser Schrift



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IV. Skizzenhafte Erweiterung des Inhalts dieser Schrift



1. Die philosophische Rechtfertigung der Anthroposophie



(Zu Seite 19, Anmerkung zu Zeile 6 von oben)

[128] Wer mit seiner Vorstellungsart in dem philosophischen Denken der Gegenwart wurzeln will, der hat nötig, erkenntnistheoretisch das Wesenhaft-Seelische, von dem der erste Abschnitt dieser Schrift spricht, vor sich selbst und vor diesem Denken zu rechtfertigen. Nach einer solchen Rechtfertigung verlangen viele Menschen nicht, die das wirklich Seelische aus unmittelbaren innerem Erleben kennen und es zu unterscheiden wissen von dem durch die Sinne bewirkten seelischen Erfahren. Diesen erscheint die Rechtfertigung oftmals als unnötige, ja unbequeme Begriffsspalterei. Ihrer so gearteten Abneigung steht der Unwille der philosophisch Denkenden gegenüber. Sie wollen die inneren Erlebnisse des Seelischen nur als subjektive Erfahrungen gelten lassen, denen ein Erkenntniswert nicht zuzuschreiben ist. Sie sind daher wenig geneigt, im Bereiche ihrer philosophischen Begriffe die Elemente aufzusuchen, durch die man an die anthroposophischen Ideen herankommt. Durch diese von beiden Seiten kommenden Abneigungen wird eine Verständigung außerordentlich erschwert. Sie ist aber notwendig. Denn in unserer Zeit kann einer Vorstellungsart nur dann Erkenntniswert zugeschrieben [129] werden, wenn sie ihre Anschauungen vor eben derselben Kritik zur Geltung bringen kann, vor welcher die naturwissenschaftlichen Gesetze ihre Rechtfertigung suchen. - Für eine erkenntnistheoretische Rechtfertigung der anthroposophischen Ideen handelt es sich vor allem darum, die Art, wie sie erlebt werden, möglichst genau in Begriffen zu fassen. Man kann dieses in der verschiedensten Weise tun. Es seien hier zwei von diesen Weisen zu schildern versucht. Für die Schilderung der einen sei ausgegangen von der Betrachtung der Erinnerung. Man wird allerdings dabei sogleich an einen mißlichen Punkt der gegenwärtigen philosophischen Wissenschaft getrieben. Denn über das Wesen der Erinnerung herrschen in derselben wenig geklärte Begriffe. Ich werde hier von Vorstellungen ausgehen, die ich zwar auf den Wegen der Anthroposophie gefunden, die aber durchaus philosophisch und physiologisch zu begründen sind. Der Raum, den ich mir in dieser Schrift zumessen muß, reicht allerdings nicht aus, diese letztere Begründung hier zu geben. Ich hoffe sie in einer zukünftig erscheinenden Schrift zu liefern. Ich meine aber, was ich über die Erinnerung sagen werde, kann jeder begründet finden, der auf die heute vorhandenen Ergebnisse der physiologischen und psychologischen Wissenschaft mit richtigem Blicke zu sehen vermag. - Die durch Sinneseindrücke angeregten Vorstellungen treten in den Bereich des unbewußten menschlichen Erlebens. Sie können aus demselben wieder heraufgeholt, erinnert werden. Vorstellungen sind ein rein seelisch Wesenhaftes; ihr Bewußtsein im gewöhnlichen Wachleben ist leiblich bedingt. Auch kann sie die an den Leib gebundene Seele nicht durch ihre eigenen Kräfte aus dem unbewußten Zustande in den bewußten [130] heraufheben. Sie bedarf dazu der Kräfte des Leibes. Für die gewöhnliche Erinnerung muß der Leib tätig sein, geradeso wie er für die Entstehung der Sinnesvorstellungen in den Vorgängen der Sinnesorgane tätig sein muß. Stelle ich einen Sinnesvorgang vor, so muß sich zuerst eine leibliche Tätigkeit in den Sinnesorganen entwickeln; in der Seele tritt als deren Ergebnis die Vorstellung auf. Erinnere ich eine Vorstellung, so muß eine der Sinnestätigkeit polar entgegengesetzte innere Leibestätigkeit (in feinen Organen) stattfinden, und in der Seele tritt als Ergebnis die erinnerte Vorstellung auf. Diese Vorstellung bezieht sich auf einen Sinnesvorgang, der vor Zeiten vor meiner Seele gestanden hat. Ich stelle ihn vor durch ein inneres Erlebnis, zu dem mich die Leibesorganisation befähigt. Man vergegenwärtige sich nun das Wesen einer solchen Erinnerungsvorstellung. Denn man kommt durch diese Vergegenwärtigung auf das Wesen dessen, was die anthroposophischen Ideen sind. Sie sind keine Erinnerungsvorstellungen; aber sie treten in der Seele so auf wie Erinnerungsvorstellungen. Dies ist für viele Menschen, die sich gerne in einer gröberen Art Vorstellungen über die geistige Welt verschaffen möchten, eine Enttäuschung. Aber man kann die geistige Welt auf keine derbere Weise erleben als in der Erinnerung ein in der Sinneswelt vor Zeiten erfahrenes, nicht mehr vor Augen stehendes Ereignis. Nun aber kommt die Fähigkeit, ein solches Ereignis zu erinnern, aus der Kraft der Leibesorganisation. Diese darf beim Erleben des Wesenhaft-Seelischen nicht mitwirken. Die Seele muß vielmehr in sich selbst die Fähigkeit erwecken, das mit Vorstellungen zu vollbringen, was der Leib mit den Sinnesvorstellungen vollbringt, wenn er deren [131] Erinnerung vermittelt. Solche Vorstellungen, die aus den Tiefen der Seele heraufgeholt werden allein durch die Kraft der Seele, wie aus den Tiefen der Menschennatur durch die Leibesorganisation die Erinnerungsvorstellungen: dies sind Vorstellungen, welche sich auf die geistige Welt beziehen. Sie sind in jeder Seele vorhanden. Was erworben werden muß, um dieses Vorhandensein gewahr zu werden, ist die Kraft, durch rein seelische Betätigung, diese Vorstellungen aus den Seelentiefen heraufzuholen. Wie die erinnerten Sinnesvorstellungen sich auf einen vergangenen Sinnes-Eindruck beziehen, so diese Vorstellungen auf einen nicht in der Sinneswelt vorhandenen Zusammenhang der Seele mit der Geisteswelt. Die Menschenseele steht der geistigen Welt so gegenüber wie der Mensch im allgemeinen einem vergessenen Dasein gegenübersteht; und sie kommt zur Erkenntnis dieser Welt, wenn sie in sich Kräfte zum Erwachen bringt, welche jenen Leibeskräften ähnlich sind, die der Erinnerung dienen. - Es kommt also für die philosophische Rechtfertigung der Ideen vom wahrhaft Seelischen darauf an, das Innenleben so zu erforschen, daß man in demselben eine Betätigung findet, welche rein seelisch ist und doch in gewisser Beziehung gleichartig der beim Erinnern geübten Betätigung. - Eine zweite Weise, vom rein Seelischen einen Begriff zu bilden, kann die folgende sein. Man kann ins Auge fassen, was durch anthropologische Beobachtung über den wollenden (handelnden) Menschen auszumachen ist. Einem auszuführenden Willensimpuls liegt zunächst die Vorstellung von dem zu Wollenden zugrunde. Diese Vorstellung kann physiologisch in ihrer Bedingtheit von der Leibesorganisation (dem Nervensystem) erkannt werden. An die [132] Vorstellung gebunden ist ein Gefühlston, ein fühlendes Sympathisieren mit dem Vorgestellten, das bewirkt, daß diese Vorstellung den Impuls für ein Wollen liefert. Dann aber verliert sich das seelische Erleben in die Tiefen, und bewußt tritt erst wieder der Erfolg auf. Der Mensch stellt vor , wie er sich bewegt, um das Vorgestellte auszuführen (Th. Ziehen hat in seiner physiologischen Psychologie besonders klar dieses alles dargestellt). - Man kann nun ersehen, wie das bewußte Vorstellungsleben, wenn ein Willensakt in Frage kommt, in bezug auf das Zwischenglied des Wollens aussetzt. Was seelisch im Wollen einer durch den Leib ausgeführten Handlung erlebt wird, tritt nicht in das gewöhnliche bewußte Vorstellen ein. Aber es ist auch einleuchtend, daß sich ein solches Wollen durch eine Tätigkeit des Leibes verwirklicht. Unschwer wird man aber auch erkennen, daß die Seele, indem sie, logischen Gesetzen folgend, durch Verknüpfung von Vorstellungen die Wahrheit sucht, ein Wollen entwickelt. Ein Wollen, das nicht in physiologischen Gesetzen zu umfassen ist. Sonst würde sich eine unlogische Vorstellungsverknüpfung - oder auch nur eine alogische - nicht sondern lassen von einer, die in den Bahnen der logischen Gesetzmäßigkeit verläuft. (Auf dilettantenhaftes Gerede, als ob logische Folgerung nur in einer von der Seele durch Anpassung an die Außenwelt erworbenen Eigenschaft bestünde, braucht man wohl nicht im Ernste Rücksicht zu nehmen.) In diesem Wollen, das rein innerhalb der Seele verläuft, und das zu logisch gegründeten Überzeugungen führt, kann man ein Durchdrungensein der Seele mit einer rein geistigen Tätigkeit sehen. Von dem, was im Wollen nach außen vorgeht, weiß das gewöhnliche Vorstellen so wenig, wie der [133] Mensch im Schlafe von sich weiß. Von dem logischen Bestimmtsein beim Bilden von Überzeugungen hat er aber auch nicht ein so volles Bewußtsein wie von dem Inhalte der Überzeugungen selbst. Wer innerlich wenn auch nur anthropologisch zu beobachten versteht, der wird über die Anwesenheit des logischen Bestimmtseins im gewöhnlichen Bewußtsein doch einen Begriff bilden können. Er wird erkennen, daß der Mensch von diesem Bestimmtsein so weiß wie er träumend weiß. Man kann durchaus die Richtigkeit des Paradoxons behaupten: das gewöhnliche Bewußtsein kennt den Inhalt seiner Überzeugungen; aber es träumt nur von der logischen Gesetzmäßigkeit, die in dem Suchen nach diesen Überzeugungen lebt. Man sieht: im gewöhnlichen Bewußtsein verschläft man das Wollen, wenn man durch den Leib ein Wollen nach außen entwickelt; man verträumt das Wollen, wenn man im Denken nach Überzeugungen sucht. Doch erkennt man, daß in letzterem Falle dasjenige, wovon man träumt, kein Leibliches sein kann, denn sonst müßten die logischen Gesetze mit den physiologischen zusammenfallen. Faßt man den Begriff des im denkenden Suchen nach der Wahrheit lebenden Wollens, so ist dieser Begriff der eines seelisch Wesenhaften. - Man kann aus den beiden Weisen (neben denen andere möglich sind), erkenntnistheoretisch sich dem Begriffe des Seelisch-Wesenhaften, im Sinne der Anthroposophie, zu nähern, ersehen, wie scharf dieses Seelisch-Wesenhafte sich absondert von allem, was abnorme Seelentätigkeit ist, wie das visionäre, halluzinatorische, mediale usw. Wesen. Denn von all diesem Abnormen muß der Ursprung im physiologisch Bestimmbaren gesucht werden. Das Seelische der Anthroposophie ist aber nicht nur ein solches, [134] das seelisch nach Art des gewöhnlichen gesunden Bewußtseins erlebt wird, sondern ein solches, an dem in voller wacher Bewußtheit beim Vorstellung-Bilden so erlebt wird, wie man erlebt, wenn man sich an erfahrene Tatsachen des Lebens erinnert, oder wie man erlebt beim logisch bedingten Bilden von Überzeugungen. Man sieht wohl, daß das erkennende Erleben der Anthroposophie in Vorstellungen verläuft, welche den Charakter des gewöhnlichen von der Außenwelt mit der Wirklichkeit begabten Bewußtseins beibehalten, und zu diesem Fähigkeiten hinzufügen, die in das Geistgebiet hineinführen; während alles Visionäre, Halluzinatorische usw. in einem Bewußtsein lebt, das zu dem gewöhnlichen nichts hinzufügt, sondern von ihm Fähigkeiten wegnimmt, so daß der Bewußtseinsstatus unter den Grad heruntersinkt, der in dem bewußten Sinneswahrnehmen vorhanden ist. Für die Leser meiner Schriften, welche dasjenige kennen, was ich an andern Orten über das Gedächtnis und die Erinnerung ausgeführt habe, bemerke ich das Folgende. Die in das Unbewußte gegangenen Vorstellungen, welche später erinnert werden, hat man, während sie unbewußt bleiben, als Vorstellungen in dem Gliede der menschlichen Wesenheit zu suchen, das in diesen Schriften als Lebensleib (Ätherleib) bezeichnet wird. Die Tätigkeit aber, durch welche die im Lebensleib verankerten Vorstellungen erinnert werden, gehört dem physischen Leib an. Ich mache diese Bemerkung, damit nicht mancher «schnellfertig mit dem Urteil» einen Widerspruch da konstruiert, wo eine durch die Natur der Sache geforderte Unterscheidung notwendig ist.


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