06 | Gesellschaftliches Problem und Lösungsansatz
bestimmen, immerhin 23 Prozent können
bei einigen Dingen mitbestimmen, auf der
anderen Seite stehen aber 20 Prozent, die
nur bei sehr wenigen Dingen und 55 Pro-
zent, die nach eigenen Angaben gar nicht
mitbestimmen können (Deutsches Kinder-
hilfswerk 2013). Sehr häufig können Kinder
und Jugendliche dort mitentscheiden, wo
die Interessen der Erwachsenen (Eltern wie
Lehrer*innen) nicht unmittelbar betroffen
sind: Viele Mitgestaltungsmöglichkeiten
melden die Schüler*innen zum Beispiel,
wenn es um die Sitzordnung in der Klasse,
die Ausgestaltung des Klassenzimmers oder
die Klassenfahrt geht, weniger Möglichkei-
ten dort, wo es um den Unterricht selbst
geht, zum Beispiel bei Themenauswahl
oder Unterrichtsgestaltung (Bertelsmann
Stiftung 2005). Entsprechend der aktuellen
Beteiligungssituation stellt der Präsident
des Deutschen Kinderhilfswerks Thomas
Krüger fest, dass ein eklatanter Verstoß
gegen die UN-Kinderrechtskonvention vor-
liegt, die die Vorrangstellung des
Kindeswohls, die Verwirklichung der Kin-
derrechte und die Berücksichtigung des Kin-
deswillens anerkennt. Die Beteiligungsmög-
lichkeiten von Kindern und Jugendlichen in
Deutschland müssen dringend ausgebaut
und strukturell verankert werden. Insbe-
sondere der Wunsch nach Mitbestimmungs-
möglichkeiten in der Schule muss ernst
genommen werden (Deutsches Kinderhilfs-
werk 2013). Die aktive Mitwirkung an der
Schule fördert die Persönlichkeitsbildung,
das politische Bewusstsein und dient der
sozialen Integration und der Erziehung zur
Demokratie (Bertelsmann Stiftung 2005).
Ergänzend zu Veränderungen im Bildungs-
system, der Schul- und Unterrichtskultur,
bieten Online-Communitiys, Crowdlearning-
und Co-Creation-Ansätze wertvolle Mitge-
staltungsmöglichkeiten. Insbesondere für
die gemeinsame Erstellung und Diskussion
von Bildungsinhalten fehlen jedoch frei zu-
gängliche und einfach nutzbare Werkzeuge
(siehe bisherige Lösungsansätze).
Was versteht man unter OER? Warum
ist das wichtig?
Open Educational Resources sind
Bildungsmaterialien (z. B. Übungsauf-
gaben, Texte, Grafiken, Kurse, Videos,
Prüfungen, Lernprogramme, Lern-Ma-
nagement-Systeme, etc.), die unter einer
freien Lizenz stehen. Das bedeutet, sie
können von jeder und jedem frei weiter-
verwendet, verändert, kopiert oder neu
zusammengesetzt werden, wie das z. B.
bei Inhalten der Wikipedia erlaubt ist.
Die UNESCO forderte 2002 das erste Mal
die Verwendung von OER, um Bildung
in allen Regionen der Welt kostengüns-
tig verfügbar zu machen. Die Deutsche
OER-Bewegung steckt jedoch noch in den
Kinderschuhen, anders als beispielsweise
in Kalifornien oder Norwegen. Neben dem
freien Zugang bedeutet OER für viele auch
eine Kultur des Teilens und Mitmachens -
OER kann in Deutschland dazu beitragen,
mehr Mitgestaltung der Schüler*innen bei
Bildung zu erreichen. Serlo ist die größte
deutsche OER-Initiative.
Weiterführend:
collaboratory.de/w/OER-Whitepaper
Exkurs
07 | Gesellschaftliches Problem und Lösungsansatz
CC BY-SA 4.0.
Wie bei Wikipedia stehen auch bei Serlo
alle Inhalte unter der freien Lizenz CC
BY-SA.
Das bedeutet:
(CC) Alles darf weiterverwendet, kopiert
und neu zusammengesetzt werden,
(BY) solange Serlo als Autor genannt wird,
(SA) und
neue Werke, zu denen die Inhal-
te beitragen, ebenfalls unter einer freien
Lizenz stehen.
Durch die freie Lizenz ermöglicht Serlo die
urheberrechtlich unbedenkliche Weiter-
nutzbarkeit der Lerninhalte z. B. durch
Lehrer*innen oder andere Bildungsinitiati-
ven. Die Bedingung „BY“ gewährleistet der
Community Anerkennung für ihre Arbeit
und die Bedingung „SA“ sorgt dafür, dass
Inhalte von Serlo nicht gegen den Willen
der Community für proprietäre Werke
verwendet werden.
Weiterführende Informationen:
de.creativecommons.org
Exkurs
Eine Kernvoraussetzung für die urheber-
rechtlich unbedenkliche Weiternutzbarkeit
und Mitgestaltung von Bildungsinhalten
durch Schüler*innen ist der Einsatz freier
Lizenzen. Die Verbreitung frei lizenzier-
ter Lehr- und Lernmaterialien (OER, siehe
auch Exkurs) in Deutschland ist sehr ge-
ring, auch im internationalen Vergleich
zum Beispiel zu Belgien, Norwegen oder
Kalifornien.
Bisherige Lösungsansätze
Für mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr
Mitgestaltung bei Bildung setzen sich viele
verschiedene Akteure ein. Dieses Kapitel
beleuchtet diejenigen Akteure, die ihre Ziel-
gruppe während des Aufenthalts im Internet
erreichen und in deren Ansatz entsprechend
Internettechnologie eine zentrale Rolle
spielt. Beim Problemfeld „Bildungsungerech-
tigkeit“ werden drei verschiedene Akteurs-
gruppen unterschieden, die zu einem freien
Zugang zu Bildung beitragen:
Nicht kommerzielle Lösungen:
Nur wenige frei zugängliche Online-
Lernseiten verfolgen keine kommerziellen
Ziele und verzichten auf Werbung für die
Schüler*innen, zum Beispiel:
•
leifiphysik.de
(Physik)
•
rpi-virtuell.net
(Religion)
•
raschweb.de
(Mathematik)
•
strobl-f.de
(Mathematik)