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mera Film und Fernsehkonsum besser verstehen und damit auch besser verdauen
können. Zusammen mit neuen technischen Angeboten (Aufnahme, Speicher und
Bearbeitungsgeräte) ergaben sich schon in den 1950erJahren für die Schule at
traktive neue Einsatzmöglichkeiten, so für Projekte und in musischen Fächern.
Aber bis etwa um das Jahr 2000 waren solche Projekte stark abhängig von den
verfügbaren und bis anhin teuren technischen Ausrüstungen, die meist durch die
Schule zur Verfügung gestellt wurden, nicht selten dank Schenkungen von Privaten
oder von Ehemaligenvereinen.
Auch hier bewirkte jedoch die Digitaltechnik inzwischen ein völliges Umkippen.
Im Gymnasium haben heute fast alle Schülerinnen und Schüler ein Handy in der
Hosentasche und damit auch die notwendige Technik für eigene multimediale Ak
tivitäten. Für das Thema Medienbildung ergeben sich daraus neue Chancen, aber
auch neue Abgrenzungsprobleme. Zur modernen Allgemeinbildung gehören Kennt
nisse von Begriffen wie Rasterdarstellung/Pixel oder auch Aufnahmesequenz. Wo
im Fächerkanon sollen diese angesprochen werden, in der Informatik, im bildneri
schen Gestalten oder gar im Deutsch anlässlich einer Filmbesprechung? Absprachen
unter den Lehrpersonen werden damit immer wichtiger. Die Integration moderner
Techniken bleibt ein offener Prozess.
Fazit:
Mit dem Verschwinden des Fachs Informatik aus dem MAR 1995 und der
zunehmenden Hinwendung zu Informatikanwendungen (Stichwort ICT) ist ein un
haltbarer Zustand entstanden, und dies aus mehreren Gründen. Die Vermittlung
blosser Informatikanwendungskenntnisse ist erstens im Gymnasium nicht (mehr)
stufengerecht, denn solche sind inzwischen längst auch in der Oberstufe der Volks
schule (Sek I) zum Thema geworden. Zweitens fehlt damit das allgemeinbildende,
wissenschaftlich orientierte Fach Informatik auf der Gymnasialstufe völlig, drittens
ist ein Teil der Lehrkräfte, die heute ICT unterrichten, für ein echtes Fach Informa
tik ungenügend qualifiziert, und viertens ist die zweckmässige Eingliederung der
modernen Techniken im Gymnasium noch nicht gelungen.
Informatik, ICT und Medienbildung
Wie oben beschrieben reicht die Geschichte der Informatik/ICT im Gymnasium bis
in die 1960erJahre zurück. Der integrierte Ansatz, also die Vermittlung von Infor
matikwissen im Rahmen anderer Fächer, wird seit über 15 Jahren in den Schweizer
Schulen praktiziert, jedoch nach wie vor mit mässigem Erfolg, sodass heute des
Öfteren behauptet wird, der integrierte Ansatz sei gescheitert. Dieses Kapitel will
dieser Behauptung fundierter nachgehen und aufzeigen, welche Probleme mit der
Integration verbunden sind. Dabei beziehen wir uns auf aktuelle Studien und Um
fragen und beschränken uns darauf, diese zusammenzufassen bzw. die Argumenta
tion dieser Studien aufzugreifen.
Hintergründe
In ihrer für die Volksschulen und Gymnasien leitenden Strategie verfolgt die
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) explizit den
Ansatz «Use ICT to learn» und nicht nur «Learn to use ICT».
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Dies besagt, dass
Lerntechniken als solche und nicht ICT oder gar Informatik als Thema des Unter
richts im Vordergrund stehen. ICT soll in der Schule als Werkzeug – und zwar in
allen Fächern – genutzt werden. Im Rahmen dieser Nutzung wird dann sozusagen
«on the fly» die Beherrschung des Mediums erlernt. Die Strategie ist auf den ersten
Blick bestechend, handelt es sich doch bei ICT um eine Technologie, die in alle
Lebensbereiche und somit auch in fast alle Schulfächer hineingreift – sei es die
Untermalung einer Präsentation, die Internetrecherche für einen Vortrag oder die
Ankündigung einer Schulaufführung. Überall lässt sich ICT gewinnbringend einset
zen, sofern die Technologie vor Ort verfügbar ist und von Lehrpersonen entspre
chend eingeführt werden kann. Dieser Ansatz erscheint auch Laien plausibel, weil
pädagogisch und didaktisch sinnvoll und motivierend, wenn etwas Neues erlernt
werden kann, indem es direkt angewendet wird, zumal die heutige Jugend bereits
7.2
Der integrierte Ansatz
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Informatik, ICT und Medienbildung
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als «digital natives» gilt und ohne Berührungsängste die neuen Technologien
nutzt.
Ein zweiter Grund für den integrierten Ansatz ist die parallel mit dem Einsatz
zu thematisierende Medienkompetenz, namentlich die Kenntnis der Vor und Nach
teile der extensiven Nutzung von ICT, etwa die Gefahren der digitalen Spuren, die
der Nutzer im Internet hinterlässt, oder die Sicherheit eines Passwortes beim Ein
loggen.
Ein dritter Grund für den integrierten Einsatz sind die schlechten Erfahrungen
aus den 1990erJahren mit sogenannten Computereinführungskursen, die zu rei
nen Anwendungsschulungen mutierten, weil dort Lehrpersonen, die selber gerade
mal einzelne Programme beherrschten, einfach Bedieneranleitungen weitergaben.
Solche Einführungskurse veralteten bereits mit der nächsten Programmversion.
Eine spannende Einführung in die neuen Technologien dagegen benötigt fundiertes
Hintergrundwissen, eine ausgefeilte Didaktik und funktionierende Technik. Diese
negativen Erfahrungen und der Mangel an qualifizierten Informatikfachkräften
waren gute Gründe für den integrierten Ansatz.
Der integrierte Ansatz gemäss sogenannten Ergänzungslehrplänen
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gilt heute
für die meisten Regionen der Schweiz. Demzufolge müssen die Schulen die neuen
Technologien angemessen im Schulunterricht integrieren und thematisieren, damit
Schülerinnen und Schüler einen angemessenen Umgang mit der ICT erlernen. Dafür
stehen allerdings keine eigenen Unterrichtsgefässe zur Verfügung, sondern es gilt
eben zu integrieren. Dies gelingt mal mehr, aber oft weniger, wie eine breit an
gelegte Studie zeigt, die an den Volksschulen des Kantons Zürich durchgeführt
wurde.
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Gründe des Scheiterns
Wenn wir nun die Gründe des Scheiterns aufzeigen, so stützen wir uns genau auf
diese Zürcher Studie, die stellvertretend für die meisten Kantone stehen kann. Ei
nige Kantone haben auf die Missstände bereits reagiert. Beispielhaft dafür soll der
Kanton Solothurn genannt werden, der seit Anfang des Schuljahres 2011/12 ein
Fach Medienbildung in der Primarschule und ab 2012/13 auf der Sekundarstufe I
vorsieht.
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Was sind nun die Schwierigkeiten, mit denen die Schulen beim integrierten
Ansatz zu kämpfen haben, und warum funktioniert der integrierte Ansatz nicht,
obwohl er doch plausibel erscheint? Im Folgenden werden sieben Gründe aufge
führt (die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Studie von Berger et al.,
vgl. Anmerkung 13):
Informatik, ICT und Medienbildung
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