Zeugen des gegenwärtigen Gottes Band 071 Johann Georg Hamann Ein Prediger in der Wüste



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Schon einmal hatte die Gräflich Keyserlingsche Familie den stillen Denker unvermutet in seiner Häuslichkeit aufgesucht, um sich nach seinen Lebensumständen zu erkundigen. Er hatte sich nicht darum bemüht, diese Verbindung weiter zu pflegen, obwohl seine bedrängte Lage das hätte nahelegen können. Je§t wurde er plötjlich zur Audienz gebeten, mußte sich wegen seiner falschen Zurückhaltung Vorwürfe machen lassen und durfte dann mit Verwunderung vernehmen, welches Interesse man in der weiten Welt an seiner ihm so ärmlich dünkenden Autorschaft nahm. Er war erstaunt und dienstbeflissen, suchte seine Veröffentlichungen vollständig zusammenzubringen, um sie der Fürstin nach Münster schicken zu können. Zugleich erwachte wie ein eingeschlafener Riese der Gedanke, noch einmal in die Ferne aufbrechen und die Freunde sehen zu dürfen. Eine „Gesundheitsreise“ wollte er unternehmen, dabei Herder nach zwanzig Jahren Wiedersehen, Claudius und Lavater kennenlernen, vor allem aber zu seinem unbekannten Wohltäter kommen und die Hand drücken, durch welche Gott sein häusliches Genügen, seine Ruhe und seinen Frieden wiederhergestellt. Würde er bei seiner schwachen Gesundheit den Plan durchführen können? Voll Verlangen und brennender Sehnsucht, voll Furcht und Besorgnis wartete er Monat um Monat, Jahr um Jahr.

Die ihm vorgese^te Behörde wollte den zur Ausführung der Reise notwendigen Urlaub nicht gewähren. Trotj des Eintretens einflußreicher Freunde, auch der Fürstin Gallitjin, gelang es erst nach dem im August 1786 erfolgten Tode des alten Königs, von den dienstlichen Verpflichtungen freizukommen. So sollte Hamann den Becher seiner Leiden bis zur Neige leeren. Als ihm im Mai 1787 endlich sein Wunsch




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erfüllt wurde, stellte man ihm frei, „die vorhabende Reise so viele Monate, als er will, anzutreten“. Hamann war seines Amtes enthoben. Der Verlust war ihm schmerzlich, da er gehofft hatte, je§t, nach Abzug der französischen Verwaltung, den Dienst mit größerer Freude versehen zu dürfen. Wie wenig man seine Arbeit wertete, kam auch darin zum Ausdruck, daß man eine kaum ausreichende Pension von 150 Talern festsetjte, worüber die Freunde allgemein empört waren. Auf Hamanns Vorstellung wurde das Ruhegehalt auf 200 Taler erhöht.


Fahrt ins Reich und Heimfahrt

Das Ziel war nun aber erreicht. Hamann fühlte sich, wie er Anfang Juni 1787 an Jacobi schrieb, wie neugeboren. Am 21. des Monats bestieg der alte gebrechliche Mann zusammen mit seinem Sohne Michael den Postwagen, der ihn nach Berlin bringen sollte, nicht ahnend, daß er die Heimat nicht mehr sehen würde.

Nach 8 Tagen kam man am 28. Juni in die preußische Hauptstadt, wo Hamann, von den Strapazen der Reise mitgenommen und in fortschreitendem Maße an geschwollenen Gliedern leidend, bei seinem Freunde Reichardt liebevolle Aufnahme und großartige Bewirtung fand. Als man am 6. Juli die Reise über Magdeburg, Helmstedt, Braunschweig, Hannover, Minden und Bielefeld fortsetjte, schloß sich, wie es verabredet war, der alte Freund Dr. Lindner, von Hamann als Dr. Raphael bezeichnet, dem Leidenden an, um ihm zur Verfügung zu stehen.

Am 16. Juli traf man abends in Münster ein. „Finde ich bei Ihnen keine Ruhe, so gibt es keine Ruhe mehr




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für mich“, so hatte Hamann vor der Abreise aus Königsberg an Franz Buchholz geschrieben. Nun konnte er, am Ziel seiner Wünsche, anderntags an Reichardt nach Berlin berichten: „Ich hoffe, alles gefunden zu haben, was ich gesucht und gewünscht habe; und ein freies, neues Herz zum Genuß der Freude und des Lebens wird die Ausbeute meiner Wallfahrt hier bald sein.“ Noch volltönender klingt es, wenn er an Jacobi schreibt: „Ich liege in Abrahams Schoß und lebe als Augenzeuge einer Harmonie, die der erste Philosoph unter den Sternen wahrzunehmen glaubte. Laß mich, solange ich kann und will, träumen in meiner empfindseligen Lage! Mich verlangt, Dich zu sehen.“

So hatte tatsächlich die glücklichste Zeit seines Lebens begonnen. Zwar nahm der äußere Mensch zusehends ab. Mit geschwollenen Füßen und krankem Magen, erschöpft von der Reise, lag er zu Bett. Mitte August folgte er Jacobi nach dessen stillem Landsi^ Pempelfort, wo man mit einer Brunnenkur begann, die der Leidende bis in den Oktober hinein durchführte, ohne aber wesentliche Erleichterung zu verspüren. Rechte Erholung konnte der auch nicht finden, den die reichhaltige Bibliothek des Freundes wie auch der persönliche Verkehr mit ihm in keiner Weise zu der notwendigen, vom Arzte gewünschten Ausspannung kommen ließen. Um dieser Versuchung willen verließ Hamann sein „Elysium“, wie er sich ausdrückt, „mit polnischem Abschied“, da er Jacobi meinte nicht bieten zu können, was djeser erwartete, und nach den Freunden in Münster verlangte.

Kränker noch kehrte er zurück. „Mit der leidigen Arbeit des Denkens und Schreibens will es gar nicht mehr fort“, so schrieb er nach Königsberg, „und ich habe keine Hoffnung mehr, ein brauchbarer und täti


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ger Mensch zu werden. Die zwanzig Jahre des Jochs, das ich getragen habe, sind nicht mehr zu ersehen.“ In einem anderen Briefe an die Freunde daheim heißt es merkwürdig mehrdeutig: „Der midi unter so vielen Wundern und Zeichen hergeführt hat, wird mich auch in Fried und Freud heimbringen ins rechte Vaterland, Kyrieleison, und mir jeden Himmel, jedes Elysium auf Erden zu verleiden wissen.“

Den Winter verbrachte er auf dem Stammschlosse seines Freundes Franz Buchholz in Wellbergen. Hier wollte er ausruhen, und er hat 3 Monate fast ohne Unterbrechung auf dem Krankenlager zugebracht, von immer neuen Schmerzen geplagt. Als der Zustand zu ernsten Besorgnissen Anlaß gab, wurde Dr. Lindner, der in Münster zurückgeblieben war, herbeigerufen. Er konnte dem Kranken aber auch nicht helfen, sondern trieb durch seine reinigenden Mittel ein Gallenfieber und einen flechtenartigen Ausschlag hervor, der dem Kranken viele Qualen bereitete und dem behandelnden Arzte viel „englische Geduld und alle medizinische Gelehrsamkeit und Kunst“ abverlangte. Erst nach Anbruch des Frühjahrs war Hamann so weit hergestellt, daß er in Begleitung des Sohnes und Dr. Raphaels nach Münster zurückgebracht werden konnte.

Schon waren seine lebten Tage gekommen, obwohl er ernsthaft an die Heimreise ins irdische Vaterland dachte. „Je mehr der äußere Mensch abnimmt, desto mehr wächst der innere; je älter und unvermögender, desto ruhiger, zufriedener und vergnügter werde ich“, so berichtet er in die Heimat. Mochten darum auch gelegentliche Todesahnungen sein Gemüt umdüstern, an das nahe Ende konnte er tro^dem nicht glauben. „Ich bin hier wie eine Biene und sammle alles, was


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ich nur kann, zur Ernte in meiner Heimat und gegen die Langeweile meiner immer hungrigen und durstigen Seele, die ebensowenig feiern als arbeiten kann.“

Sowenig sein unstillbares Verlangen nach Speise und Trank bis zuletjt nachließ, sowenig nahm der geistige Hunger ab. „Ich lese mit eben dem Hunger und unersättlichem Geschmack, als ich esse.“ Er fand im Verkehr mit den Freunden alles Genüge und wurde vor allem von der Fürstin, seiner „lieben Amalie“, fast wie ein Heiliger verehrt, wie er seinerseits „von der Fürstin nie sprach, daß ihm nicht die Tränen in die Augen kamen“, wie ein Zeitgenosse berichtet. Der Toditer schreibt er: „Keine Mutter noch Schwester kann so viel Liebe haben als sie für deinen alten Vater und alles, was ihn angeht und zu seinem Glück gehört.“

So gut wußte er sich aufgehoben, und doch verlangte er heim zu den Seinen. Er dachte an seine treue Hausmutter, die sich um ihn und den in der Ferne weilenden Sohn Sorge machte, und er ließ ihr alle solche Sorgen verbieten: „Er im Himmel sorget für uns alle, und ihn wollen wir für alles sorgen lassen, unser Brot mit Freuden essen und unsern Wein mit gutem Mut trinken. Gott segne uns alle nach seiner Liebe im Geiste des heute auferstandenen Sohnes der Liebe mit Leben und Wohltaten desselben!“ So geschrieben am Ostertag des Jahres 1788. Der ältesten Tochter teilt er am 30. Mai mit: „Den 1. Juni denke ich mitErnst an meine Abreise. Franz und seine Frau werden mich bis Pempelfort begleiten. Gott, der mich unter so vielen Wundern hergeführt hat, wird es an seinen Gnadenmitteln nicht fehlen lassen, mich wieder heimzubringen zu Euch und Eurer lieben Mutter, die er erhalten wolle bei gutem Mut und gesunden Kräften.“


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Die Abreise mußte abermals wegen großer Schwäche verschoben werden. Am 21. Juni war der Wagen bestellt, der den Heimkehrenden nach Pempelfort, Jacobis Musensity bringen sollte. „Ich hoffe, in Deinem Elysium noch ein wenig Luft zu schöpfen“, hatte er am 14. Juni seinem Herzens-Jonathan geschrieben. Die Reise sollte dann weiter über Zürich, Weimar und Hamburg nach Königsberg gehen, da auch Lavater, Herder und Claudius noch besucht werden sollten. In solcher Erwartung war der, dessen Kräfte immer mehr abnahmen, voll froher Zuversicht: „Was für ein Abendmahl mir die Vorsehung am Ende meines mühseligen Lebens aufbewahrt hat!“

Es sollte ganz anders kommen. Als schon der Reisewagen vor der Tür stand, gewahrten die Freunde, daß der Kranke bereits im Begriff war, eine ganz andere Reise anzutreten. Ein Fieber hatte ihn befallen, und am Abend war ein Röcheln auf der Brust, das sichere Anzeichen des nahenden Todes. Alle, die ihm nahestanden, eilten herbei und umgaben mit dem Sohne das Sterbelager. Franz Buchholz war freilich mit seiner Frau nach Pempelfort vorausgeeilt, und die Fürstin Gallitjin, die wohl den tiefsten und nachhaltigsten Eindruck von ihm empfangen hatte, stellte sich - erst ein, als er schon verschieden war. Am Morgen des 21. Juni hatte er seinen Lauf vollendet. Genau vor einem Jahr war er von Königsberg aufgebrochen. Jetgt fand er im Garten der Fürstin neben der kleinen Kapelle seine letjte Ruhestätte. Auf den schlichten Grabstein schrieb man neben Worten der Heiligen Schrift aus dem ersten Brief an die Korinther (1,23. 27) nur:.



Johann Georg Hamann,
dem christlichen Manne.



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Literaturnachweis


Aus der reichen älteren und jüngeren Hamann- Literatur wurden benutzt:

Friedrich Roth: Gesamtausgabe der Schriften Hamanns.

Joh. Classen: J. G. Hamanns Leben und Werke in geordneter gemeinfaßlicher Darstellung. Gütersloh 1878/79.

J. Disselhof f: Wegweiser zu J. G. Hamann, dem Magus des Nordens.

Ferner einige kleinere Schriften der letzten Jahre, die zeigen, daß wir wieder neu nach dem Zeugnis Hamanns fragen.

Wer sich eifrig mit ihm befaßt, wird leicht Weiteres finden.




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Hans Bruns


Begegnungen mit Christus

Zeugnisse von Menschen unserer Tage



4., erweiterte Auflage. 192 Seiten. Halbleinen DM 5.80

Inhaltsverzeichnis

Pastor Hans Bruns: Mein Weg zu Christus Inspektor W. Fleck: Jesus genügt mir Magister Hellmut Frey: Klare Führung durch Christus Direktor Arno Haun: Der lebendige Christus übernimmt die Führung meines Lebens Obering. a. D. Hennes: Froh in Christus

Major a. D. Krueger: Aus anerzogener Frömmigkeit zum lebendigen Christusglauben Kaufmann K. Martenstein: Christuserleben in Spanien Schwester Gertrud Mehl: Kunstreiterin oder Diakonisse?

Dr. Alo Münch f: Fußspuren Gottes in meinem Leben Pastor Erwin Paehi: Vom Atheismus zu Christus Schriftsteller Hans Pförtner t: Vom gegenwärtigen Christus in meinem Leben

Rittergutsbesitzer von Reden: Der Ruf zu Christus mitten im Krieg

Arthur Richter: Wie Christus mir als modernem Menschen begegnet ist

Friedrich von der Ropp: Den Sinn des Lebens gab mir Christus Dozent Dr, P. Scharpff: Christus auf allen Lebenswegen Elisabeth Tschierske: Durch Christus leiblich und seelisch gesundet

Pfarrer H. Fuchs: Wie Christus heute zum modernen Menschen kommt

Daß Christus eine lebendige Wirklichkeit ist, kann man modernen Menschen kaum anders beweisen als dadurch, daß man ihnen erzählt, wie Christus Menschen von heute begegnet ist. Hier sind 17 solcher Zeugnisse zusammengestellt von Menschen, die bis auf zwei noch unter den Lebenden weilen. Da steht der Pfarrer neben dem Offizier, der Rittergutsbesitzer neben dem Schriftsteller, der Ingenieur neben dem Lehrer. Und alle wollen sie nichts anderes als zu dem Christus rufen, der auch sie einst in seine Nachfolge gerufen und glücklich gemacht hat.


BRUNNEN-VERLAG GMBH


GIESSEN / BASEL



Zeugen des gegenwärtigen Gottes


Eine Reihe christlicher Lebensbilder

Die durchweg ausgezeichnet abgefaßten Schriften eignen sich in ganz hervorragendem Maße zur Verwendung im Religionsunterricht, für Konfirmanden- und Jugendstunden, für Männer- und Frauenabende, für die Zurüstung der Helfer und Helferinnen im Gemeindedienst sowie als feine Geburtstags- oder Weihnachtsgabe an verdiente Gemeindeglieder und an unsere Jugend.

„Evang. Kirchenbote für die Pfalz“

In jedem Band betrachtet man nicht nur den Ablauf eines bedeutenden Lebens, man sieht auch staunend Gottes Wunderwege im Leben der Männer und Frauen, man erkennt die ernsten Führungen und die ausgestreckten Segenshände des Meisters, dessen Eigentum das Leben des einzelnen geworden war.

„Männliche Diakonie“

Das ist ein außerordentlich glückliches Unternehmen, die Lebensbilder dieser Zeugen Gottes in so volkstümlicher und plastischer Art darzustellen. Die literarische Verwertung der besten Quellen ist dabei besonders hervorzuheben. Ein wirklicher Dienst zur kirchengeschichtlichen Blickerweiterung und Glaubensstärkung.



Sup. Lic. Th. Brandt





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