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Sphärenmodell durch eine esoterische Namenstheologie ergänzt.
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Adorno
am nächsten steht zweifellos die frühe Sprachphilosophie Walter Benjamins.
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Mit dieser Tradition im Rücken lässt seine Namenstheorie das Gebiet der
Musikphilosophie weit hinter sich.
In der
Dialektik der Aufklärung wird die „Idee des Namens“ – korrespondie-
rend mit dem Bilderverbot –
als „Band zwischen Namen und Sein“ gedeutet,
welches im jüdischen „Verbot, den Gottesnamen auszusprechen“ anerkannt
werde. Darin zeige sich eine zivilisationsgeschichtliche Überwindung archai-
scher (Sprach-)Magie, hinter welche die moderne Degradierung emphatischer
Namen zu abstrakten Zeichen wiederum zurückfalle. (vgl. GS 3, 40) Im Rah-
men der Begriffskritik der
Negativen Dialektik taucht das Motiv modifiziert
wieder auf: Im „mystischen Namen“, ja
im Namen überhaupt,
wird die Sache
als individuelle adressiert, während alle ihre begrifflichen Bestimmungen not-
wendigerweise klassifizierend verfahren, also die Sache (bzw. die Person) auf
einen bestimmten Bedeutungskontext fixieren und damit an ihr vorbeigehen.
Das Modell des mystischen Namens soll (und kann) prädizierende Sprache
und identifizierendes Denken dabei nicht ersetzen, weil das Nennen des
Namens keine „Erkenntnisfunktion“ hat. Am „Urbild“ des Namens hofft
Adorno ‚nur‘ tentativ zu zeigen, „wie stattdessen zu denken wäre.“ (GS 6,
62)
433
Im „mystischen Namen“, von dem Theologie „einmal“ geredet habe,
431
Kracauer sieht in seinem erst posthum publizierten Manuskript
Der Detektikvroman. Eine
Deutung (ca. 1922–1925), das Adorno gewidmet ist, den wahren Namen nur in der ‚hohen
Sphäre‘ Gottes ‚enthüllt‘; in der dunklen hiesigen Sphäre werden „alle Namen […] bis zur
Unkenntlichkeit verstümmelt.“ In Bezug auf die gegenwärtige Menschheit gilt Kracauer der
Eigenname als bedauerliche Vereinzelung, der beizeiten im „Wir“ verschwinden möge, wobei
sich dann wieder das „namensspendende Geheimnis“ öffnet. Gott wird zwar als „der Name“
betitelt, aber hier fehlt das Benjaminsche Modell des „göttlichen Namens“. (KW 1, 109, 136,
130).
432
Benjamin schreibt 1916 in
Über die Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen: „In Gott
ist der Name schöpferisch, weil er Wort ist, und Gottes Wort ist erkennend, weil es Name
ist. ‚Und er sah, daß es gut war‘, das ist: er hatte es erkannt durch den Namen. Das absolute
Verhältnis des Namens zur Erkenntnis besteht allein in Gott, nur dort ist der Name, weil
er im innersten mit dem schaffenden Wort identisch ist, das reine Medium der Erkenntnis.
Das heißt: Gott machte die Dinge in ihren Namen erkennbar. […].“ (BGS II.1, 149) Weitere
Stellen ließen sich anführen.
433
Benjamin bindet die Theorie des Namens stattdessen an den göttlichen Ursprung zurück:
„Mit der Gebung des Namens weihen die Eltern ihre Kinder Gott; dem Namen, den sie hier
geben, entspricht – metaphysisch, nicht etymologisch verstanden – keine Erkenntnis, wie
sie die Kinder ja auch neugeboren benennen […] denn der Eigenname ist Wort Gottes in
menschlichen Lauten. Mit ihm wird jedem Menschen seine Erschaffung durch Gott verbürgt,
und in diesem Sinne ist er selbst schaffend […].“ (BGS II.1, 149 f.).
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werde
versucht, einzufangen „was anders wäre […].“ (a. a. O., 292 f.)
Aus dem
Namen lässt sich ein ‚anderes‘ Denken mitnichten ablesen, an ihm lässt sich
eine Denkmöglichkeit anzeigen. Es sei daran erinnert, dass der geoffenbarte
Name Gottes „Ich bin der ich bin“ oder „Ich werde da sein, als der ich da sein
werde“ bedeutet, also tatsächlich keine Attribute des Höchsten mitteilt. Martin
Seel, der allerdings die jüdischen Bezüge Adornos ignoriert, fasst das „Modell
des Namens“ dennoch zutreffend wie folgt zusammen: „Namen machen ihre
Träger in ihrer Unbestimmtheit ansprechbar. Oder, mit einer Formel aus der
Negativen Dialektik, sie sichern ihre ‚Nichtidentität in der Identität‘.“
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Damit
ist Adornos Namensphilosophie, wie Seel herausstellt, eine negative Philoso-
phie der Freiheit. In diesem Sinne endet der Kafka-Aufsatz mit den Worten:
„Der Name allein, […] nicht die lebendige Seele steht ein fürs unsterbliche
Teil.“ (GS 10.1, 287) Steven Wasserstrom liest diesen Satz anscheinend als
antijüdische Polemik, die wieder Adornos Unkenntnis des Judentums zeige,
jedenfalls kommentiert er: „Adorno explicitly repudiated another fundamen-
tal tenet of Jewish belief, the immortality of the soul.“
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Von der Frage, ob
die Unsterblichkeit der individuellen Seele wirklich verbindlich für jeden jüdi-
schen Glauben ist, abgesehen, zeigt sich hieran exemplarisch Wasserstroms
Missverständnis Adornos. Letzterer entfaltet hier seine zwar auch kabbalis-
tisch inspirierte, aber eigenständige Theorie und beabsichtigt keine repräsen-
tative Aussage über ‚das‘ Judentum. Dem Einwand, dass Namen zuweilen sehr
wohl auf soziale oder kulturelle Hintergründe der Namensgeber verweisen,
hätte Adorno wohl zugestimmt. Im Kulturindustriekapitel der
Dialektik der
Aufklärung findet sich jedenfalls die abschätzige Bemerkung, dass Namen zu
„Reklamemarken“ herabgekommen seien, oder man sich durch Spitznamen
selbst zu „fungible[n] Mitglieder[n] von teams“ degradiere. „Signifikation“
werde zum bloßen „Signal“. (GS 3, 188 f.) Dass der Name seinen ‚mystischen‘
Modellcharakter verloren haben könnte, legt auch eine Bemerkung aus der
Begriffskritik der
Negativen Dialektik nahe: „Der bestimmbare Fehler aller
Begriffe nötigt, andere herbeizuzitieren; darin entspringen jene Konstellatio-
nen, an die allein von der Hoffnung des Namens etwas überging.“ (GS 6, 62)
Dieses Modell wirkt den oben zitierten, bilderreichen Ausführungen Adornos
über Engel, die Klage Gottes oder die Gebura entgegengesetzt. Dort findet
434
Seel.
Adornos Philosophie der Kontemplation. S. 47.
435
Wasserstrom.
Adorno’s Kabbalah. S. 58.