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tökonomischen Dogmen und ihrer modernen Tendenzen zu rügen sind, es durchaus unrecht wäre
sie mit dem Troß der vulgärökonomischen Apologeten zusammenzuwerfen.
[66] H. Fawcett, Prof. of Polit. Econ. at Cambridge: "The Economic Position of the British La-
bourer", Lond. 1865, p.120.
[67] Ich erinnere hier den Leser, daß die Kategorien: variables und konstantes Kapital von mir
zuerst gebraucht werden. Die politische Ökonomie seit A. Smith wirft die darin enthaltenen Be-
stimmungen mit den aus dem Zirkulationsprozeß entspringenden Formunterschieden von fixem
und zirkulierendem Kapital kunterbunt zusammen. Das Nähere darüber im Zweiten Buch, zweiter
Abschnitt.
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Teil wird in andre Länder exportiert ... Der in unsrer Industrie angewandte Teil bildet keine be-
deutende Portion des jährlich in diesem Land akkumulierten Reichturns."[68]
Der größere Teil des jährlich zuwachsenden Mehrprodukts, dem englischen Arbeiter ohne Äquivalent
entwandt, wird also nicht in England, sondern in fremden Länder verkapitalisiert. Aber mit dem so ex-
portierten Zusatzkapital wird ja auch ein Teil des von Gott und Bentham erfundnen "Arbeitsfonds" ex-
portiert.[69]
[68] Fawcett, l.c. p.123, 122.
[69] Man könnte sagen, daß nicht nur Kapital, sondern auch Arbeiter, in Form der Emigration,
jährlich aus England exportiert werden. Im Text ist jedoch gar nicht die Rede vom Peculium der
Auswanderer, die zum großen Teil keine Arbeiter sind. Die Pächterssöhne liefern große Portion.
Das jährlich zur Verzinsung ins Ausland versandte englische Zusatzkapital steht in ungleich grö-
ßerem Verhältnis zur jährlichen Akkumulation als die jährliche Auswanderung zum jährlichen
Zuwachs der Bevölkerung.
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Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Produktion
1. Wachsende Nachfrage nach Arbeitskraft mit der Akkumulation,
bei gleichbleibender Zusammensetzung des Kapitals
<640> Wir behandeln in diesem Kapitel den Einfluß, den das Wachstum des Kapitals auf das Geschick
der Arbeiterklasse ausübt. Der wichtigste Faktor bei dieser Untersuchung ist die Zusammensetzung des
Kapitals und die Veränderungen, die sie im Verlauf des Akkumulationsprozesses durchmacht.
Die Zusammensetzung des Kapitals ist in zweifachem Sinn zu fassen. Nach der Seite des Werts bestimmt
sie sich durch das Verhältnis, worin es sich teilt in konstantes Kapital oder Wert der Produktionsmittel
und variables Kapital oder Wert der Arbeitskraft, Gesamtsumme der Arbeitslöhne. Nach der Seite des
Stoffs, wie er im Produktionsprozeß fungiert, teilt sich jedes Kapital in Produktionsmittel und lebendige
Arbeitskraft; diese Zusammensetzung bestimmt sich durch das Verhältnis zwischen der Masse der ange-
wandten Produktionsmittel einerseits und der zu ihrer Anwendung erforderlichen Arbeitsmenge andrer-
seits. Ich nenne die erstere die Wertzusammensetzung, die zweite die technische Zusammensetzung des
Kapitals. Zwischen beiden besteht enge Wechselbeziehung. Um diese auszudrücken, nenne ich die Wert-
zusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und
deren Änderungen widerspiegelt: die organische Zusammensetzung des Kapitals. Wo von der Zusam-
mensetzung des Kapitals kurzweg die Rede ist, ist stets seine organische Zusammensetzung zu verstehn.
Die zahlreichen in einem bestimmten Produktionszweig angelegten Einzelkapitale haben unter sich mehr
oder weniger verschiedne Zusammensetzung. Der Durchschnitt ihrer Einzelzusammensetzungen ergibt
uns die Zusammensetzung des Gesamtkapitals dieses Produktionszweigs. Endlich <641> ergibt uns der
Gesamtdurchschnitt der Durchschnittszusammensetzungen sämtlicher Produktionszweige die Zusammen-
setzung des gesellschaftlichen Kapitals eines Landes, und von dieser allein in letzter Instanz ist im fol-
genden die Rede.
Wachstum des Kapitals schließt Wachstum seines variablen oder in Arbeitskraft umgesetzten Bestandteils
ein. Ein Teil des in Zusatzkapital verwandelten Mehrwerts muß stets rückverwandelt werden in variables
Kapital oder zuschüssigen Arbeitsfonds. Unterstellen wir, daß, nebst sonst gleichbleibenden Umständen,
die Zusammensetzung des Kapitals unverändert bleibt, d.h. eine bestimmte Masse Produktionsmittel oder
konstantes Kapital stets dieselbe Masse Arbeitskraft erheischt, um in Bewegung gesetzt zu werden, so
wächst offenbar die Nachfrage nach Arbeit und der Subsistenzfonds der Arbeiter verhältnismäßig mit
dem Kapital und um so rascher, je rascher das Kapital wächst. Da das Kapital jährlich einen Mehrwert
produziert, wovon ein Teil jährlich zum Originalkapital geschlagen wird, da dies Inkrement selbst jährlich
wächst mit dem zunehmenden Umfang des bereits in Funktion begriffenen Kapitals und da endlich, unter
besondrem Sporn des Bereicherungstriebs, wie z.B. Öffnung neuer Märkte, neuer Sphären der Kapitalan-
lage infolge neu entwickelter gesellschaftlicher Bedürfnisse usw., die Stufenleiter der Akkumulation
plötzlich ausdehnbar ist durch bloß veränderte Teilung des Mehrwerts oder Mehrprodukts in Kapital und
Revenue, können die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals das Wachstum der Arbeitskraft oder der
Arbeiteranzahl, die Nachfrage nach Arbeitern ihre Zufuhr überflügeln und daher die Arbeitslöhne steigen.
Dies muß sogar schließlich der Fall sein bei unveränderter Fortdauer obiger Voraussetzung. Da in jedem
Jahr mehr Arbeiter beschäftigt werden als im vorhergehenden, so muß früher oder später der Punkt ein-
treten, wo die Bedürfnisse der Akkumulation anfangen, über die gewöhnliche Zufuhr von Arbeit hinaus-
zuwachsen, wo also Lohnsteigerung eintritt. Klage hierüber ertönt in England während des ganzen fünf-
zehnten und der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Die mehr oder minder günstigen Umstände,
worin sich die Lohnarbeiter erhalten und vermehren, ändern jedoch nichts am Grundcharakter der kapita-