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proportionell mit ihrem Umfang. Das Wachstum der Differenz zwischen konstantem und variablem Ka-
pital ist daher
<652> viel kleiner als das der Differenz zwischen der Masse der Produktionsmittel, worin
das konstante, und der Masse Arbeitskraft, worin das variable Kapital umgesetzt wird. Die erstere Diffe-
renz nimmt zu mit der letzteren, aber in geringerem Grad.
Übrigens, wenn der Fortschritt der Akkumulation die relative Größe des variablen Kapitalteils vermin-
dert, schließt er damit die Steigerung ihrer absoluten Größe keineswegs aus. Gesetzt, ein Kapitalwert
spalte sich anfangs in 50% konstantes und 50% variables Kapital, später in 80% konstantes und 20% va-
riables. Ist inzwischen das ursprüngliche Kapital, sage 6.000 Pfd. St., gewachsen auf 18.000 Pfd. St., so
ist sein variabler Bestandteil auch um
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/5 gewachsen. Er war 3.000 Pfd. St., er beträgt jetzt 3.600 Pfd. St.
Wo aber früher ein Kapitalzuwachs von 20% genügt hätte, die Nachfrage nach Arbeit um 20% zu stei-
gern, erfordert das jetzt Verdreifachung des ursprünglichen Kapitals.
Im vierten Abschnitt wurde gezeigt, wie die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit
Kooperation auf großer Stufenleiter voraussetzt, wie nur unter dieser Voraussetzung Teilung und Kombi-
nation der Arbeit organisiert, Produktionsmittel durch massenhafte Konzentration ökonomisiert, schon
stofflich nur gemeinsam anwendbare Arbeitsmittel, z.B. System der Maschinerie usw., ins Leben gerufen,
ungeheure Naturkräfte in den Dienst der Produktion gepreßt und die Verwandlung des Produktionspro-
zesses in technologische Anwendung der Wissenschaft vollzogen werden können. Auf Grundlage der
Warenproduktion, wo die Produktionsmittel Eigentum von Privatpersonen sind, wo der Handarbeiter
daher entweder isoliert und selbständig Waren produziert oder seine Arbeitskraft als Ware verkauft, weil
ihm die Mittel zum Selbstbetrieb fehlen, realisiert sich jene Voraussetzung nur durch das Wachstum der
individuellen Kapitale oder im Maße, worin die gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel in das
Privateigentum von Kapitalisten verwandelt werden. Der Boden der Warenproduktion kann die Produkti-
on auf großer Stufenleiter nur in kapitalistischer Form tragen. Eine gewisse Akkumulation von Kapital in
den Händen individueller Warenproduzenten bildet daher die Voraussetzung der spezifisch kapitalisti-
schen Produktionsweise. Wir mußten sie deshalb unterstellen bei dem Übergang aus dem Handwerk in
den kapitalistischen Betrieb. Sie mag die ursprüngliche Akkumulation heißen, weil sie statt historisches
Resultat historische Grundlage der spezifisch kapitalistischen Produktion ist. Wie sie selbst entspringt,
brauchen wir hier noch nicht zu untersuchen. Genug, sie bildet den Ausgangspunkt. Aber alle Methoden
zur Steigerung der gesellschaftlichen <653> Produktivkraft der Arbeit, die auf dieser Grundlage erwach-
sen, sind zugleich Methoden der gesteigerten Produktion des Mehrwerts oder Mehrprodukts, welches
seinerseits das Bildungselement der Akkumulation. Sie sind also zugleich Methoden der Produktion von
Kapital durch Kapital oder Methoden seiner beschleunigten Akkumulation. Die kontinuierliche Rückver-
wandlung von Mehrwert in Kapital stellt sich dar als wachsende Größe des in den Produktionsprozeß
eingehenden Kapitals. Diese wird ihrerseits Grundlage einer erweiterten Stufenleiter der Produktion, der
sie begleitenden Methoden zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit und beschleunigter Produktion
von Mehrwert. Wenn also ein gewisser Grad der Kapitalakkumulation als Bedingung der spezifisch ka-
pitalistischen Produktionsweise erscheint, verursacht die letztere rückschlagend eine beschleunigte Ak-
kumulation des Kapitals. Mit der Akkumulation des Kapitals entwickelt sich daher die spezifisch kapitali-
stische Produktionsweise und mit der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise die Akkumulation des
Kapitals. Diese beiden ökonomischen Faktoren erzeugen, nach dem zusammengesetzten Verhältnis des
Anstoßes, den sie sich gegenseitig erteilen, den Wechsel in der technischen Zusammensetzung des Kapi-
tals, durch welchen der variable Bestandteil immer kleiner und kleiner wird, verglichen mit dem kon-
stanten.
Jedes individuelle Kapital ist eine größere oder kleinere Konzentration von
Produktionsmitteln mit ent-
sprechendem Kommando über eine größere oder kleinere Arbeiterarmee. Jede Akkumulation wird das
Mittel neuer Akkumulation. Sie erweitert mit der vermehrten Masse des als Kapital funktionierenden
Reichtums seine Konzentration in den Händen individueller Kapitalisten, daher die Grundlage der Pro-
duktion auf großer Stufenleiter und der spezifisch kapitalistischen Produktionsmethoden. Das Wachstum
des gesellschaftlichen Kapitals vollzieht sich im Wachstum vieler individuellen Kapitale. Alle andren
Umstände als gleichbleibend vorausgesetzt, wachsen die individuellen Kapitale, und mit ihnen die Kon-
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zentration der Produktionsmittel, im Verhältnis, worin sie aliquote Teile des gesellschaftlichen Gesamt-
kapitals bilden. Zugleich reißen sich Ableger von den Originalkapitalen los und funktionieren als neue
selbständige Kapitale. Eine große Rolle spielt dabei unter anderm die Teilung des Vermögens in Kapitali-
stenfamilien. Mit der Akkumulation des Kapitals wächst daher auch mehr oder minder die Anzahl der
Kapitalisten. Zwei Punkte charakterisieren diese Art Konzentration, welche unmittelbar auf der Akku-
mulation beruht oder vielmehr mit ihr identisch ist. Erstens: Die wachsende Konzentration der gesell-
schaftlichen Produktionsmittel in den Händen indivi- <654> dueller Kapitalisten ist, unter sonst gleich-
bleibenden Umständen, beschränkt durch den Wachstumsgrad des gesellschaftlichen Reichtums. Zwei-
tens: Der in jeder besondren Produktionssphäre ansässige Teil des gesellschaftlichen Kapitals ist verteilt
unter viele Kapitalisten, welche einander als unabhängige und miteinander konkurrierende Warenprodu-
zenten gegenüberstehn. Die Akkumulation und die sie begleitende Konzentration sind also nicht nur auf
viele Punkte zersplittert, sondern das Wachstum der funktionierenden Kapitale ist durchkreuzt durch die
Bildung neuer und die Spaltung alter Kapitale. Stellt sich die Akkumulation daher einerseits dar als wach-
sende Konzentration der Produktionsmittel und des Kommandos über Arbeit, so andrerseits als Repulsion
vieler individueller Kapitale voneinander.
Dieser Zersplitterung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals in viele individuelle Kapitale oder der Repul-
sion seiner Bruchteile voneinander wirkt entgegen ihre Attraktion. Es ist dies nicht mehr einfache, mit der
Akkumulation identische Konzentration von Produktionsmitteln und Kommando über Arbeit. Es ist Kon-
zentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer individuellen Selbständigkeit, Expropriation von
Kapitalist durch Kapitalist, Verwandlung vieler kleineren in weniger größere Kapitale. Dieser Prozeß
unterscheidet sich von dem ersten dadurch, daß er nur veränderte Verteilung der bereits vorhandnen und
funktionierenden Kapitale voraussetzt, sein Spielraum also durch das absolute Wachstum des gesell-
schaftlichen Reichtums oder die absoluten Grenzen der Akkumulation nicht beschränkt ist. Das Kapital
schwillt hier in einer Hand zu großen Massen, weil es dort in vielen Händen verlorengeht. Es ist die ei-
gentliche Zentralisation im Unterschied zur Akkumulation und Konzentration.
Die Gesetze dieser Zentralisation der Kapitale oder der Attraktion von Kapital durch Kapital können hier
nicht entwickelt werden. Kurze tatsächliche Andeutung genügt. Der Konkurrenzkampf wird durch Ver-
wohlfeilerung der Waren geführt. Die Wohlfeilheit der Waren hängt, caeteris paribus
bleibenden Umständen>, von der Produktivität der Arbeit, diese aber von der Stufenleiter der Produktion
ab. Die größeren Kapitale schlagen daher die kleineren. Man erinnert sich ferner, daß mit der Entwick-
lung der kapitalistischen Produktionsweise der Minimalumfang des individuellen Kapitals wächst, das
erheischt ist, um ein Geschäft unter seinen normalen Bedingungen zu betreiben. Die kleineren Kapitale
drängen sich daher in Produktionssphären, deren sich die große Industrie nur noch sporadisch oder un-
vollkommen <655> bemächtigt hat. Die Konkurrenz rast hier im direkten Verhältnis zur Anzahl und im
umgekehrten Verhältnis zur Größe der rivalisierenden Kapitale. Sie endet stets mit Untergang vieler kle i-
neren Kapitalisten, deren Kapitale teils in die Hand des Siegers übergehn, teils untergehn. Abgesehn hier-
von bildet sich mit der kapitalistischen Produktion eine ganz neue Macht, das Kreditwesen, das in seinen
Anfängen verstohlen, als bescheidne Beihilfe der Akkumulation, sich einschleicht, durch unsichtbare
Fäden die über die Oberfläche der Gesellschaft in größern oder kleinem Massen zersplitterten Geldmittel
in die Hände individueller oder assoziierter Kapitalisten zieht, aber bald eine neue und furchtbare Waffe
im Konkurrenzkampf wird und sich schließlich in einen ungeheuren sozialen Mechanismus zur Zentrali-
sation der Kapitale verwandelt.
Im Maß wie die kapitalistische Produktion und Akkumulation, im selben Maß entwickeln sich Konkur-
renz und Kredit, die beiden mächtigsten Hebel der Zentralisation. Daneben vermehrt der Fortschritt der
Akkumulation den zentralisierbaren Stoff, d.h. die Einzelkapitale, während die Ausweitung der kapitali-
stischen Produktion, hier das gesellschaftliche Bedürfnis, dort die technischen Mittel jener gewaltigen
industriellen Unternehmungen schafft, deren Durchführung an eine vorgängige Zentralisation des Kapi-
tals gebunden ist. Heutzutage ist also die gegenseitige Attraktionskraft der Einzelkapitale und die Ten-
denz zur Zentralisation stärker als je zuvor. Wenn aber auch die relative Ausdehnung und Energie der
zentralisierenden Bewegung in gewissem Grad bestimmt ist durch die schon erreichte Größe des kapitali-