Denis Diderot: Jacques le Fataliste et son Maître



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Denis Diderot: Jacques le Fataliste et son Maître (Jacques der Fatalist und sein Herr)
Jacques le Fataliste et son Maître ist ein unordentliches Buch, voller Abbrüche, Neuansätze, Einschübe und Abschweifungen. Zwei Menschen, der Herr und sein Diener Jacques, reisen mit dem Pferd durch Frankreich. Um die Zeit zu vertreiben, beginnt Jacques mit der Erzählung einer Liebesgeschichte, die ihm einst widerfahren ist. Doch das erweist sich als schwieriges Unterfangen. Denn immer wenn Jacques anfängt zu erzählen, kommt irgendetwas dazwischen: Ein reisender Chirurg mischt sich ins Gespräch, das Pferd des Herrn stolpert und wirft seinen Reiter ab, Jacques muss schleunigst zurück ins Dorf, weil er sein Portemonnaie im Gasthaus hat liegenlassen… Oder Herr und Diener verstricken sich in eines ihrer Streitgespräche, zum Beispiel über Jacques’ Lieblingsthema, das Schicksal, das angeblich alle Begebenheiten in der Welt vorherbestimmt. Und dann ist da noch der Erzähler des Romans, der das Geschehen immer wieder mit erzähltechnischen Überlegungen unterbricht: Könnte sich nicht alles ganz anders abspielen, wenn es ihm so gefiele?

Ohnehin ist in Jacques le Fataliste vieles nicht so, wie es zunächst den Anschein hat. Das gilt zum Beispiel für das Verhältnis von Herr und Diener, in dem sich am deutlichsten die politische Dimension des Romans zeigt. An einer Stelle schlägt Jacques ein Abkommen vor, wonach der Herr zwar dem Namen nach Herr bleiben, der Sache nach jedoch Jacques der Herr sein solle. Tatsächlich ist Jacques frei, der Herr dagegen abhängig. Er braucht Jacques, seine zupackende Lebensklugheit, seinen Witz und seinen Vorrat an Geschichten und Lebensweisheiten, um sich die Langeweile zu vertreiben und sein müßiggängerisches Dasein auszufüllen. Obwohl sich Jacques zum Fatalismus, der Herr dagegen zur Willensfreiheit bekennt, ist Jacques derjenige, der sein Leben in die eigenen Hände nimmt.



Jacques le Fataliste et son Maître ist erst nach dem Tod seines Autors veröffentlicht worden. Vielleicht meinte Diderot, seine Zeitgenossen mit dieser scheinbar chaotischen Mischung aus philosophischem Dialog, komischem Reiseroman, erzähltheoretischen Reflexionen und burlesker Abenteuer- und Liebesgeschichte zu überfordern. Allerdings kursierte der Text schon zu Diderots Lebzeiten in Abschriften, auch in Deutschland, wo Goethe einer seiner ersten Bewunderer wurde. Er bezeichnete den Roman als „sehr köstliche und große Mahlzeit“, bei der es nicht angehe, dass „das Mahl geteilt“ oder bloß „hier und da genascht“ werde, sondern „alle Gerichte und Einschiebeschüsseln in der Ordnung und nach der Intention dieses künstlichen Koches und Tafeldeckers verschlungen“ werden müssten. So kurios diese Metaphorik auch anmutet, so deutet sie doch auf zwei wichtige Punkte: Den Zusammenhang des Textes und implizit – eben durch die realitätsnahe Bildersprache – den Sinn seiner heterogenen Struktur: In ihr drückt sich eine neuartige Form der Wirklichkeitstreue aus, die einer modernen Welterfahrung entspricht. Die Welt des Romans ist nicht übersichtlich und geordnet, sondern komplex, unvorhersehbar und vom Zufall geprägt. Und das Denken und Reden über diese Wirklichkeit, wie es der Erzähler und seine Figuren in ihren Reflexionen, Gesprächen und Geschichten leisten, folgt dem Prinzip der Dialektik und des Widerspruchs und erscheint als offener, unabschließbarer Prozess – so offen wie Sinn und Zweck der Reise von Jacques und seinem Herrn, die symbolisch steht für die größere Reise, die das Leben ist.
Christof Rudek





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