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Kapitel 2. Die Stellung des Negationswortes «nicht»
Es zeigt sich, dass sich nicht nur die Temporalbestimmungen (Er kommt heute
nicht - Er kommt nicht bald), sondern auch die anderen Adverbialbestimmungen in
Bezug auf die Satznegation „nicht“ verschieden verhalten.
Er besucht mich nicht gern.
Er besucht mich hoffentlich nicht.
Es erhebet sich somit die Frage (auf die wir eine Lösung finden müssen),
1)
ob die Regeln für die Stellung der Satznegation „nicht“
allein auf den
traditionellen Satzgliedbegriffen aufgebaut werden können;
ob überhaupt ein Regelwerk auf der grundsätzlichen Unterscheidung von Satz-
und Sonder- (bzw. Satzglied-) Negationen begründen werden kann.
In verschiedenen Lehrmaterialien werden oft die Fälle der Satz- und
Sondernegation mit „nicht“ verschiedenartig angegeben.
Dazu
werden
die
Auffassungen der
Vertreter
von
traditionellen,
inhaltbezogenen und generativen Grammatik betrachtet.
Das untersuchte
Lehrmaterial von Schendels, Jung, Helbig/Buscha, Glinz,
Admoni, Moskalskaja u.a. sowie die Analyse der schöngeistigen Literatur, das alles
gab uns den Grund für die Systematisierung der Stellung von „nicht“. Es ließ uns
einige Stellungsregularitäten einführen, dabei auch
die Satznegation von der
Sondernegation abgrenzen.
In Lehrmaterialen werden oft die Fälle der Negation verschiedenartig
dargestellt und nicht immer werden bestimmte Regeln für beide Arten der Negation
angegeben, weil auch in der grammatischen Beschreibung die Frage der Stellung der
Negation „nicht“ kaum eine adäquate Lösung gefunden hat.
So gibt man etwa als
Regel für die Satznegation an, daß Temporalbestimmungen
gewöhnlich vor,
Lokalbestimmungen, Modalbestimmungen, Präpositionalobjekte
und Numeralien
dagegen
nach
«nicht»
stehen
(als
Ausnahmen
werden
bei
den
Temporalbestimmungen «gleich», «spät» und «zeitig» vermerkt, die nach «nicht»
stehen).
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Diese traditionelle Unterscheidung zwischen Satz- und
Wortnegation ist wohl
am deutlichsten begründet worden von Bratu, der an Hand des Satzes «Mein Freund
/ hat / das Buch / heute früh / auf dem Tisch /
gefunden gezeigt hat, dass
sämtliche fünf Glieder verneint werden können.
1.
Nicht mein Freund hat das Buch ... gefunden.
2.
Mein Freund hat nicht das Buch ... gefunden.
3.
Mein Freund hat das Buch nicht heute früh ... gefunden.
4.
Mein Freund hat das Buch heute früh nicht auf dem Tisch
gefunden.
5.
Mein Freund hat das Buch heute
früh auf dem Tisch nicht
gefunden.
Das Negationswort „nicht“ steht als Sondernegation unmittelbar vor dem
negierten Glied, das ein Wort oder ein Satzglied (manchmal auch ein Präfix), aber
niemals, das finite Verb sein kann (denn eine solche „Verbnegation“ wird
automatisch zur Satznegation):
Er ist nicht aus, sondern umgestiegen.
Er fährt nicht mit der Straßenbahn, sondern mit dem Bus.
Die Sondernegation braucht dann nicht unmittelbar vor dem negierten Glied zu
stehen, wenn das negierte Glied durch starke Betonung hervorgehoben ist:
´Heute ist der Freund ´nicht gekommen (= Sondernegation)
Heute ist der Freund nicht gekommen (= Satznegation)
In seltenen Fällen kann die Sondernegation auch vor einem Teil des Prädikats
(dem Infinitum) stehen, ohne dass dadurch die gesamte Prädikation verneint wird:
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