ERMLANDBRIEFE
11
Sommer 2005
Die Höhepunkte dieser festlichen Ta-
ge waren die feierlichen Hl. Messen, in
denen das Opfer Christi gefeiert und
Gott besonders für 70 Jahre Geschich-
te gedankt wurde. Am 8. April feierte
Prälat Dr. Lothar Schlegel mit Prälat Jo-
hannes Schwalke, Pfarrer Hugo Finken
und KR Pfarrer i. R. Heribert Duschin-
ski, Berlin (aus dem Ermland), den
Festgottesdienst in der Kapelle des
Provinzhauses Berlin-Dahlem mit uns.
Prälat Dr. Schlegel hielt eine bemer-
kenswerte Predigt, in der er das zugrei-
fende Wirken der Schwestern zum
Wohl des Nächsten nach dem Vorbild
der seligen Regina Protmann in Berlin
aufzeigte. Anschließend bekamen wir
die Möglichkeit, an den Beisetzungsfei-
erlichkeiten für unseren verstorbenen
Hl. Vater, Papst Johannes Paul II., in
Rom per Fernsehen teilzunehmen.
In der gemeinsamen Vesper um 17
Uhr stellten 12 Schwestern in verdichte-
ter Form die markanten Punkte unserer
Provinzgeschichte vor. Jedes Mal wur-
de ein farbiges Band ausgerollt und ei-
ne Kerze neu entzündet. Besonders
hervorgehoben wurde die „Brücken-
funktion“ des Provinzhauses: Brücke
von Ost nach West und von Nord (Li-
tauen) nach Süd (Rom). 1961 wurde die
„Corpus-Christi-Gemeinde“ durch den
Mauerbau von uns abgeschnitten. Da
waren es die Schwestern mit westdeut-
schem Pass, die zu uns kamen und
durch ihr Besuchsrecht kleine Türen
zu unseren Ostberliner Schwestern öff-
neten. Auch die Generaloberinnen
machten auf ihren (manchmal gehei-
men) Reisen nach Polen und Litauen
Zwischenstation bei uns. Und noch vie-
le andere „Brückengeschichten" gab
es. Abends wurde es fröhlich. Schw. M.
Magdalena und ihr Team hatten eine
Verlosung vorbereitet. Die kleinen Ge-
schenke erhielten wir sitzend - und sie
erzeugten viel Heiterkeit.
Zum Schluss dieses festlich gelunge-
nen Tages und Abends brachte unsere
Generaloberin, Mutter M. Armela, ih-
ren Dank an Schw. M. Philothea und
die Provinz Berlin mit der Überrei-
chung einer Orchideenschale zum
Ausdruck. Sie überbrachte die Grüße
an uns von allen Schwestern der Kon-
gregation, die nicht an diesem Tag bei
uns sein konnten. Besonders ließ die
Provinzoberin von Petropolis / Brasi-
lien und ihre Schwestern uns grüßen,
und ebenso die Provinzoberin und ih-
re Schwestern von Novo Hamburgo.
Auch von der Regionaloberin aus Togo
/ Afrika, kamen viele Grüße. Mutter M.
Armela sprach auch über unsere Zu-
kunft: Die bevorstehende Zusammen-
legung mit der Provinz Münster.
Sie machte uns Mut, die neuen Schrit-
te zu wagen. Sie sagte: „Die Provinz Ber-
lin ist nicht beendet. Sie geht weiter. Sie
geht zusammen mit der Provinz Mün-
ster. Die neue Provinz wird heißen:
Deutsche Provinz, Sankt Katharina“.
Am 9. April 2005 fuhren Schwestern
und Gäste in das St. Gertrauden-Kran-
kenhaus. In mehreren Gruppen wur-
den sie durch die einzelnen Abteilun-
gen geführt, die auf dem modernsten
Stand im Deutschen Gesundheitswe-
sen stehen und Modelle der integrier-
ten Versorgung aufgebaut haben.
Um 18 Uhr fand der Festgottesdienst
in der Pfarrkirche „Hl. Kreuz“ statt, zu
der auch das St. Gertrauden-Kranken-
haus gehört. Der Caritas-Rektor und
Domkapitular Dr. Stefan Dybowski war
Hauptzelebrant. Unsere Priester-Gäste
und der Pfarrer von „Hl. Kreuz“ zele-
sie zur Gemeindearbeit. Sie wird 1947
der Provinz Berlin angegliedert.
16. 7. 1945: In Effelder / Eichsfeld
entsteht eine neue Station, ebenfalls
von Schwestern auf der Flucht. Der
Pfarrer hat in Hildebrandshausen um
sie gebeten.
26. 7. 1948: In die Diaspora-Gemein-
de Stadtroda / Thüringen, werden die
Schwestern gerufen, um in der Pfarrei
zu helfen und Katechese zu geben.
19. 8. 1948: Acht Katharinenschwe-
stern fahren nach England, um dort
die Hauswirtschaft im Knabenkolleg in
Thistleton Lodge near Kirkham zu
übernehmen.
18. 2. 1949: Vier Schwestern fahren
unter schwierigen Umständen nach
Rom, um die Wirtschaft im Litauischen
Kolleg an der Via Casalmonferrato zu
übernehmen.
19. 2. 1949: In Berlin-Hermsdorf wird
ein neues Altenheim eröffnet, das „St.
Josefs-Altenheim“. 1955 wurde auch
das angrenzende Kurhaus als Alten-
heim errichtet.
1. 8. 1951: In Daun / Eifel wird das
Krankenhaus „Maria Hilf“ von den
Waldbreitbacher Franziskanerinnen
übernommen. 1958 ging es in den Be-
sitz der Kongregation über.
28. 8. 1954: In Berlin-Dahlem wurde
das Grundstück von Bankier W. Regen-
danz käuflich erworben und das neue
Provinzhaus für die Berliner Provinz
errichtet.
Die meisten Stationen wurden we-
gen Schwesternmangel wieder aufge-
geben; aber in Daun / Eifel wurde am
18. 4. 1983 das Seniorenhaus „Regina
Protmann“ errichtet.
70 Jahre Provinz Berlin
Die Feier vom 7. - 10. April 2005
Es war uns ein Bedürfnis, Gott für
die wunderbare Führung durch 70 Jah-
re von Herzen zu danken und Freunde
einzuladen, die mit uns Gott dankten.
Schwester Provinzoberin M. Philothea
hatte nach Berlin eingeladen; und die
lieben Gäste kamen auch zu unserer
Freude. Aus Rom / Grottaferrata ka-
men Generaloberin Mutter M. Armela
Rhoden, Generalratsschwester M. Mar-
tina Geiselhart und zwei weitere in
Rom stationierte Schwestern.
Aus dem Provinzhaus in Münster /
Westf. kamen Schw. Provinzoberin M.
Friedburga Krieger mit Schwestern aus
ihrer Provinz. Schw. Provinzoberin M.
Julita Zemeliauskaite aus Kaunas / Li-
tauen, reiste mit 10 Schwestern aus der
Provinz Litauen und zwei Chauffeuren
an. Schwester Provinzoberin M. Chry-
zostoma Palmowska brachte acht
Schwestern aus der Provinz Braniewo
/ Braunsberg, Polen, mit.
Wir freuten uns auch über die An-
kunft unserer ermländischen Würden-
träger, Domkapitular Msgr. Dr. Lothar
Schlegel, Visitator Ermland, unseren
Alt-Visitator, den Hochwürdigsten
Herrn Prälat Johannes Schwalke und
den Konsistorialrat Heribert Duschin-
ski. Aus Daun / Eifel kamen Pfarrer Hu-
go Finken, Seniorenhaus, und 143 Sän-
ger und Sängerinnen des Eifel-Mosel-
Chores unter Leitung von H. Schmitz.
Auch ein paar Mitglieder der „Fraterni-
tät Mutter Regina Protmann" waren
vertreten. Drei von ihnen kamen mit
Schw. M. Magdalena Wolle schon zwei
Tage vorher aus Daun und beteiligten
sich sehr an der Vorbereitung zu einer
Ausstellung über die Geschichte der
Katharinerinnen in Berlin. Auch die
Gestaltung der Festtage bereiteten sie
mit vor.
Katharinenschwestern seit 1908 in Berlin
70 Jahre Provinz Berlin
Die Katharinenschwestern feiern das 70-jährige Bestehen der
Provinz Berlin. Die ersten Katharinenschwestern sind seit
1908 in Berlin. 1935 wird Berlin selbstständige Ordensprovinz
mit eigenem Noviziat - Bestätigung von Rom erworben.
Von Sr. M. Brigitta Neumann
Die ersten Katharinenschwestern
wurden schon 1908 von Herrn Kura-
tus Karl Hoheisel über den Ermländi-
schen Bischof Andreas Thiel in die
Ss. Corpus-Christi-Gemeinde, Thor-
ner Str. 64 nach Berlin gerufen. Der
Name der Kirche „Corpus Christi“ -
1904 eingeweiht - sollte die mittelalter-
liche Tradition der Verehrung des
Leibes Christi in der Mark Branden-
burg aufgreifen.
Bezeichnenderweise begann das
Wirken unserer Schwestern in Berlin
in dieser Gemeinde, die besonders der
Verehrung der Eucharistie geweiht
war. Das Bestreben der Schwestern,
täglich an der Hl. Messe teilzunehmen
und die Eucharistische Andacht blie-
ben den Schwestern als Merkmal bis
heute - auch ein beglückendes Erbe
unserer Stifterin, Mutter Regina. In der
Kraft des Eucharistischen Brotes wur-
den sie in dieser Diaspora-Stadt zur
Brücke vom Not leidenden Bruder hin
zu Gott, sei es in der Arbeit für die Kir-
che, in der Gemeinde, der Sorge um
Hilflose, der Erziehung der Kinder im
Kindergarten und Hort, der Pflege von
Kranken und alten Menschen.
Der Visitator Ermland Domkapitular
Msgr. Dr. Schlegel betonte in seiner
Festansprache während der Euchari-
stiefeier am 8. April 2005 in der Kapel-
le des Provinzhauses Berlin-Dahlem,
dass die Katharinenschwestern nicht
ihr Tun auf „morgen“ verschoben ha-
ben. Wenn sie gerufen wurden, kamen
sie und packten an. So war es auch mit
der zweiten Station in Berlin. 1918
übernahm die Kongregation die Bahn-
hofsmission und den Mädchenschutz-
verein in der Johannisstr. 4. Als Bi-
schof Augustinus Bludau nach Fulda
reiste und den Wunsch äußerte, dem
Heim ein Hospiz für den durchreisen-
den Klerus anzugliedern, sagten die
Schwestern in Übereinstimmung mit
Braunsberg ihr „Ja“. Das „St. Hedwigs-
Fremdenheim“ wurde für Priester und
Laien zum Segen.
Einen noch größeren Schritt wagte
die damalige Generaloberin, Mutter M.
Winefrida Herrmann, als sie das ge-
plante große Krankenhaus nicht in Kö-
nigsberg, sondern in Berlin-Wilmers-
dorf baute. Die Planung in Königsberg
war am Widerstand der dortigen Rats-
herren gescheitert. Welch eine Vorse-
hung Gottes! Die Einweihung des St.
Gertrauden-Krankenhauses fand am 4.
November 1930 statt. Gott beschützte
das Haus in den Bombennächten des
II. Weltkrieges. Es blieb stehen und
wurde 1945 zur Zufluchtsstätte für un-
zählige Flüchtlinge.
In der ostpreußischen Heimat woll-
ten die Menschen lange nicht verste-
hen, dass die Katharinenschwestern
nach Berlin gegangen waren. Selbst
der ermländische Bischof Maximilian
Kaller ließ uns eine gewisse Missbilli-
gung empfinden. Erst als er nach dem
unglücklichen Zusammenbruch nach
dem II. Weltkrieg nach seine Auswei-
sung zu uns kam, sagte er: „Jetzt
schimpfe ich nicht mehr auf dieses
Haus. Das war Gottes Vorsehung!“
Am 3. Dezember 1934 stellte die Ge-
neraloberin, Mutter Arkadia Schmalen-
bach, beim Heiligen Vater, Papst Pius
XI., den Antrag, dass die Deutsche Pro-
vinz in zwei Provinzen geteilt werde: In
die Ermländische für den östlichen
Teil Deutschlands bis zur Weichsel
und in die Berliner Provinz für den
westlichen Teil, und dass für die Berli-
ner Provinz ein eigenes Noviziat be-
stimmt werde. Dieses wurde noch im
gleichen Jahr genehmigt. 1935 reiste
Generaloberin Mutter Arkadia zur Visi-
tation nach Brasilien.
Vor ihrer Abreise bestimmte sie Ber-
lin zur selbstständigen Ordensprovinz
mit eigenem Noviziat - mit Wirkung
vom 7. 4. 1935. Zur Eröffnung des Novi-
ziates hatte die Generaloberin der neu-
en Provinz ein denkwürdiges Ge-
schenk gemacht: 8 Postulantinnen, die
kurz vorher im St. Gertrauden-Kran-
kenhaus ihr Krankenpflegeexamen be-
standen hatten. Es kam noch eine Ber-
linerin dazu: Schw. M. Juliana Bensch.
Die Provinzleitung hatte ihren Sitz im
St. Gertrauden-Krankenhaus. Die erste
Provinzoberin war Mutter M. Winefri-
da Herrmann.
Außer den drei Niederlassungen in
Berlin kamen zu der neuen Provinz
noch vier Gemeindestationen in Pom-
mern, in der Grenzmark und in Bran-
denburg.
Die Kriegsjahre von 1939 - 1945
brachten die große Bewährungsprobe
für die Schwestern. Das St. Gertrau-
den-Krankenhaus wurde schon zu Be-
ginn des Krieges Lazarett und die
Schwestern dienstverpflichtet. Sie
pflegten 500 verwundete Soldaten und
etwa 200 Zivilpersonen. Als die Bom-
bengefahr in Berlin immer größer wur-
de, übernahmen sie 1943 in Neuruppin
ein Ausweich-Krankenhaus, um die
schwer kranken Patienten dorthin eva-
kuieren und pflegen zu können. Sie lit-
ten mit den Berlinern, die in den letz-
ten Kriegstagen brennend durch die
Straßen liefen und bei den Schwestern
Zuflucht suchten. Es waren in diesen
Tagen etwa 1200 Menschen im Kran-
kenhaus zusammengedrängt. Die
Schwestern halfen und heilten, wo sie
konnten. Sie nahmen die Flüchtlinge
auf, die in Scharen kamen.
Das Kriegsende und der völlige Zu-
sammenbruch Deutschlands weckten
neue Kräfte in den Schwestern. Für
uns Nachgeborene ist es ganz erstaun-
lich, wohin die Schwestern gingen, um
in der Nachkriegsnot zu helfen. Sie
gründeten neue Stationen:
1. 7. 1945: Im ehemaligen Gesellen-
haus in der Stresemann-Straße betreu-
en sie unter schwierigsten Umständen
Flüchtlinge und Heimkehrer und ko-
chen für die Jesuitenpatres
15. 8.1945: In der Fröbel-Pestalozzi-
Schule in der Karl-Schrader-Straße
richten sie ein Behelfs-Krankenhaus
für die vielen Infektionskranken in
Berlin ein.
23. 3. 1945: In Hildebrandshausen /
Eichsfeld wird eine Station von Schwe-
stern gegründet, die mit Waisenkindern
auf der Flucht sind. Der Pfarrer behält
Fortsetzung nächste Seite