Historischer Verein für Ermland
UNSERE ERMLÄNDISCHE HEIMAT
Sommer
2005
Mitteilungsblatt d
des H
Historischen V
Vereins ffür E
Ermland
Jahrgang 5
51
Nr. 2
2/3
V
Eugen Buchholz - Ein Deutscher
mit einer polnischen Seele
von Jan Chłosta
Gerechte Menschen verdienen ho-
he Anerkennung. Ein solch bewun-
derungswürdiger Mensch war Eugen
Buchholz aufgrund seiner Sorge um
Kultur und polnische Sprache der
Bewohner des südlichen Ermlands
in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts und wegen seines beispiel-
haften Lebenswandels. Pfarrer Wa-
lenty Barczewski nannte ihn
einen
gerechten Deutschen, einen selte-
nen Freund der Polen, und Jan Ba-
czewski fügte hinzu:
Er – ein Deut-
scher – hatte immer Verständnis für
das unterdrückte polnische Volk
und nahm es oft in Schutz!
Zu Lebzeiten traf Eugen Buchholz
selten auf Verständnis von Seiten
der Polen und der Deutschen. Er
war ein großer Idealist. Dadurch
konnte er bei den Polen, die sich
ständig um Abonnenten der
Gazeta
Olsztyńska bemühten, keine Aner-
kennung finden. Weder Jan Li-
szewski, noch Seweryn Pieniężny
sen. verstanden seine Vorliebe für
die polnische Kultur, sein Mitempfin-
den für die in nationaler und kultu-
reller Hinsicht verachtete polnisch-
sprachige Bevölkerung im südlichen
Ermland. Buchholz war den Redak-
teuren der
Gazeta Olsztyńska überle-
gen durch seine moralische Haltung
und die hervorragende Kenntnis der
polnischen literarischen Sprache.
Wie kaum einer der heimischen
Ermländer, die im 19. Jahrhundert
geboren waren, beherrschte er die
Sprache, übersetzte Werke von Bi-
schof Ignacy Krasicki und Włady-
sław Reymont, schrieb Bücher.
Die Deutschen indes mussten
beunruhigt sein, weil er sich für die
Rechte der Polen auf ihre eigene
Sprache und Kultur einsetzte. Dabei
ließ er sich vom christlichen Gebot
der Nächstenliebe leiten. Viel hat er
darüber geschrieben und geredet.
Professor Viktor Steffen schilderte in
seinen Erinnerungen eine Episode
aus dem Jahre 1919: Als der Direktor
des Wormditter Gymnasiums erfuhr,
dass Steffen und zwei andere Erm-
länder den Polnisch-Unterricht bei
Buchholz besuchten, drohte er ih-
nen, sie von der Schule zu verwei-
sen, wenn sie damit nicht aufhören
würden. Steffen merkte an, dass sie
bis dahin nur deshalb nicht von der
Schule verwiesen worden sind, weil
sie in anderer Hinsicht mustergültige
Schüler waren.
1
Eugen Buchholz entstammte einer
deutschen Familie, die seit vielen
Generationen im nördlichen Erm-
land ansässig war. Wie sein um 19
Jahre älterer Bruder Franz geschrie-
ben hat, war bis dahin sowohl in der
Familie des Vaters, des Bäckers Au-
gust, als auch der Mutter Berta, ge-
borene Thiel, niemand in solch ei-
nem Maße der polnischen Kultur
verbunden. Verständnis und Freund-
schaft für Polen hat erst Eugen initi-
iert.
Eugen Buchholz ist am 6. März
1865 in Wormditt geboren. Er war ein
schwächliches Kind und bis ans Le-
bensende von zarter Gesundheit.
Wie er selbst später schrieb, ist sein
Verständnis für die Polen während
einer Wallfahrt nach Dietrichswalde
erwacht, als er als 12-jähriger Junge
in Begleitung seiner Mutter, Groß-
mutter und einer weiteren Frau
frommen Polen begegnete. Ihre Ver-
ehrung der Muttergottes, ihre ver-
trauensvolle Hingabe, machten auf
ihn großen Eindruck. Mit 15 Jahren
verließ er die Schule in Wormditt
und begann eine Ausbildung in der
Danziger Handels-Akademie, die er
nach drei Jahren mit Auszeichnung
beendete. Gleichzeitig nahm er pri-
vaten Polnisch-Unterricht. Er trat
auch der polnischen Gesellschaft
„Ogniwo“ bei. Um seine Kenntnisse
der polnischen Sprache zu vertiefen,
absolvierte er ein zweijähriges Prak-
tikum in der Posener Buchhandlung
Edward Bote und Bock, später arbei-
tete er eine Zeitlang in der Verlags-
druckerei und –buchhandlung G. Si-
winna in Kattowitz. Mit Sicherheit
hat sein Aufenthalt bei den Polen sei-
ne Verbindungen zu unserer Kultur
vertieft. Den Winter 1886 und den
Anfang des nächsten Jahres ver-
brachte er in Königsberg. Er arbeite-
te dort als Dolmetscher in einer Fir-
ma, die mit Kaviar handelte. Bereits
in Königsberg korrespondierte er
mit der
Ermländischen Zeitung.
2
Der Beginn einer selbständigen öf-
fentlichen Tätigkeit von Eugen Buch-
holz steht in Verbindung mit dem im
Februar 1887 erfolgten Kauf der
Buchhandlung, der Papier- und De-
votionalienhandlung von Adam Na-
pieralski in Wartenburg. Diese Ein-
richtung baute er aus zu einer gegen
Entgelt zu nutzenden Lesehalle und
Buchbinderei. Da er neben dem
deutschen Schild eins in polnischer
Sprache anbrachte, kam es zum
Streit mit den deutschen Behörden.
Die Angelegenheit wurde von der
Gazeta Olsztyńska
und vom
Pielgrzym aufgegriffen. Noch aus
Wartenburg schickte er dem
Dzien-
nik Poznański seine Szkice Warmiń-
skie (Ermländische Skizzen). Er
sprach darin das Unrecht an, das
den Polen im südlichen Ermland
durch die Germanisierung zugefügt
werde, und die Schwierigkeiten ihrer
nationalen Wiedergeburt innerhalb
der vertrauten lokalen ermländi-
schen Umgebung. Er wies auf den
Rückzug des polnischen Elements
hin, auf das Fehlen authentischer
und entsprechend vorbereiteter
Führer. Diese Aussagen waren inso-
fern wichtig, als sie einen besonde-
ren Impuls für die erwachende pol-
nische Bewegung darstellten, die die
Gazeta Olsztyńska seit ihrer Entste-
hung zu integrieren versuchte. Trotz
anderer Intentionen trug Buchholz
dazu bei, dass den vergessenen Po-
len im Ermland geholfen wurde. Er
unterstrich die Notwendigkeit, die
ermländischen Verhältnisse zu be-
rücksichtigen. Ebenso wie die Positi-
visten rief er dazu auf, Bildung durch
die polnische Zeitung zu verbreiten.
Er schrieb:
Unter dem Einfluss der
Germanisierung und der besonders
zahlreichen Einwanderung der deut-
schen Bevölkerung aus dem nördli-
chen Ermland, zieht sich das polni-
sche Element beständig nach Süden
zurück. Er nahm nicht wahr oder
wollte nicht wahrnehmen, dass es
notwendig ist, die polnische Bewe-
gung mit den Zentren in Großpolen
und in Pommern zu vereinen. Da-
mals schickte er auch Beiträge an
den
Pielgrzym, den Orędownik so-
wie an deutsche Zeitungen wie die
Ermländische Zeitung und Warmia.
Angeblich überredet durch Pfarrer
Dr. Felix Schreiber, verkaufte Buch-
holz am 25. Oktober 1889 (Schreiber
verstarb am 21. Juli des gleichen Jah-
res) die Buchhandlung in Warten-
burg an O. Orłowski und kaufte sich
ein Haus vom Uhrmacher Schneider
in Allenstein. Das war ein einstöcki-
Gedenktafel für
Eugen Buchholz
Aus Anlass seines 140. Geburtsta-
ges wurde am 10. März dieses Jahres
an den ermländischen Volksschrift-
steller Eugen Buchholz (*6. 3. 1865)
1
mit der Enthüllung einer zweispra-
chigen Gedenktafel in Allenstein am
Haus an der Ecke der heutigen Ulica
Lewela / Ulica Staromiejska (früher
Oberstraße / Karlstraße) erinnert.
Die Inschrift lautet:
An diesem Ort hat der Schriftstel-
ler Eugen Buchholz (1865 - 1928)
ein Freund Polens in den Jahren
1890 - 1905 polnische und deutsche
Zeitungen herausgegeben und redi-
giert
Die Einwohner von Allenstein
Initiatoren des Gedenkens waren
die Professoren Janusz Jasiński,
Ehrenbürger von Allenstein, und
Andrzej Kopiczko sowie Dr. Jan
Chłosta. Die Gedenkveranstaltung
wurde organisiert von der Ermlän-
disch-Masurischen Sektion der Ka-
tholischen Gesellschaft
Civitas
Christiana, dem Ermländisch-Masu-
rischen Museum und der Polni-
schen Historischen Gesellschaft
(PTH), Sektion Allenstein. Die
Schirmherrschaft hatten der Erzbi-
schof von Ermland Dr. Edmund
Piszcz und der Allensteiner Stadt-
präsident Mag. Jerzy Małkowski
übernommen. Die Gedenktafel wur-
de von der Stadt finanziert.
Grußworte sprachen der Stadt-
präsident, der auch die Tafel ent-
hüllte, der Vorsitzende der Allen-
steiner Sektion der PTH Dr. Andrzej
Korytko sowie der Vorsitzende des
Historischen Vereins für Ermland
(Wortlaut siehe unten). Erzbischof
Piszcz weihte die Tafel.
Anschließend konnte Museums-
direktor Jan Cygański im Coperni-
cus-Saal des Schlosses, in dem ein
Großfoto des Geehrten aufgestellt
war, zahlreiche Gäste zu einem Vor-
trag von Jan Chłosta begrüßen:
Eu-
gen Buchholz – der ermländische
Schriftsteller, Redakteur und Verle-
ger – ein Freund Polens (siehe ne-
benstehenden Text).
Am Abend zelebrierte Erzbischof
Piszcz in der Konkathedrale St. Ja-
kobi eine heilige Messe für Eugen
Buchholz und würdigte ihn in sei-
ner Predigt als einen tief religiösen
Menschen, der durch sein Leben
und seine Tätigkeit für seinen Glau-
ben Zeugnis abgelegt habe.
1 Vgl. UEH 36, 1990, Nr. 2 und 43, 1997,
Nr. 4.
Fortsetzung auf Seite VI