Historischer Verein für Ermland
V
Sommer 2010
UNSERE ERMLÄNDISCHE HEIMAT
Sommer
2010
Mitteilungsblatt d
des H
Historischen V
Vereins ffür E
Ermland
Jahrgang 5
56
Nr. 2
2/3
ne politische Selbständigkeit, durch
das Konkordat zwischen Preußen
und dem Hl. Stuhl von 1929 dann
auch die kirchenrechtliche Exemti-
on, indem es als Suffraganbistum
der neu gebildeten Kirchenprovinz
Breslau eingegliedert wurde.
Der Verlust traf das Selbstver-
ständnis von Klerus und Volk der
Diözese schwer. Kein Geringerer
als Dr. Otto Miller äußerte im Rah-
men seines Nachrufs auf Bischof
Augustinus Bludau in der
Ermländi-
schen Zeitung
vom 17. Februar 1930
(siehe den Wiederabdruck in UEH
Ostern und Sommer 2009) mit spit-
zer Feder heftige Kritik am Preu-
ßenkonkordat (siehe in der Oster-
nummer S. III).
Dazu nahm die Berliner Zen-
trumszeitung
Germania
ausführlich
Stellung und bedauerte die „schwe-
re(n) Entgleisungen in dem sonst
schönen Artikel“ Millers.
Zu einem Skandal wurde die Aus-
einandersetzung, als die Danziger
polnische Zeitung
Gazeta Gdańska
sie am 5. April aufgriff und zu hefti-
gen Anschuldigungen gegen den
deutschen Klerus des Ermlands be-
nutzte. Darüber berichtete die
Ger-
mania
am 10. April und veröffent-
lichte zugleich eine Stellungnahme
des ermländischen Dompropstes
Franz Xaver Sander. Das Domkapi-
tel sah sich durch die Presseberich-
te schließlich am 27. April zu einem
Schreiben an den Kardinalstaatsse-
kretär Eugenio Pacelli veranlasst, in
dem es sich von den Äußerungen
Millers distanzierte; gleichzeitig
richtete es eine Ergebenheitsadres-
se an Papst Pius XI.
Wir dokumentieren im Folgenden
den Pressestreit und die Stellung-
nahme des Domkapitels. Das
Schreiben und die Zeitungsaus-
schnitte finden sich in: Archivio de-
gli Affari Eccelsiastici Straordinari,
Ermländisches Domkapitel papsttreu
Ein Pressestreit nach dem Verlust der Exemtion 1930
Vor 750 Jahren – im Juni 1260 – er-
hob der erste Bischof von Ermland,
der Deutschordenspriester Anselm
(1250-1278), die Kirche zum Hl. An-
dreas in Braunsberg zu seiner Ka-
thedrale und begründete hier sein
Domkapitel, das seinen Sitz ab 1288
in Frauenburg hatte (zu den Jubilä-
umsfeierlichkeiten in Allenstein
und Frauenburg siehe Seite 4 und 5
der Ermlandbriefe 2010/3)
Als einziges preußisches Domka-
pitel war es nicht der Regel des
Deutschen Ordens unterworfen.
Deshalb gehörten auch die ermlän-
dischen Bischöfe zumeist nicht dem
Deutschen Orden an. Dies war eine
wesentliche Grundlage für die weit-
gehende ermländische Selbständig-
keit und Sonderstellung innerhalb
des Ordenslandes Preußen.
Einen weiteren Sonderstatus, auf
den die Ermländer immer stolz wa-
ren, bedeutete die jahrhundertlan-
ge Exemtion der Diözese, also ihre
Ausgliederung aus einem Metropo-
litanverband und ihre unmittelbare
Unterstellung unter den Papst.
Die vier Bistümer des Preußen-
landes waren 1246 mit denen Liv-
lands zu einem Erzbistum zusam-
mengefasst worden. Dem Metropo-
liten wurde das von Preußen weit
abgelegene Riga als Sitz zugeteilt. In
den folgenden zwei Jahrhunderten
ist das Suffraganverhältnis der vier
preußischen Bistümer zu Riga, un-
ter ihnen das des Ermlands, nie-
mals in Frage gestellt worden. Nach
dem Untergang des Erzbistums Ri-
ga (1566) war die Diözese Ermland
aber
de facto exemt
.
Seit der Mitte des 15. Jahrhun-
derts - also 200 Jahre nach der
Gründung der Bistümer und noch
rund 100 Jahre vor dem Untergang
des Erzbistum Riga – findet sich in
einer Reihe von Urkunden, die das
Ermland betreffen, die Behaup-
tung, die Diözese sei
ex eius funda-
tione et dotatione sedi Apostolicae
immediate subiecta
– also durch
Gründung und Dotation unmittel-
bar dem Apostolischen Stuhl unter-
stellt. Die Formel kennzeichnet hier
die unmittelbare Unterordnung der
Landesherrschaft des Bistums un-
ter den Papst. Viele Zeugnisse des
15. und des beginnenden 16. Jahr-
hunderts, die das Weiterbestehen
des Metropolitanverhältnisses des
Ermlands zu Riga eindeutig bele-
gen, beweisen, dass jene in den Ur-
kunden benutzte Formel -
sedi Apo-
stolicae immediate subiecta
- nicht
kirchenrechtlich als Exemtion ver-
standen wurde. Die unmittelbare
Unterstellung der Diözese unter
den Papst wurde als Mittel zur Ver-
teidigung der politischen Sonder-
stellung der geistlichen Territorial-
herrschaft des Ermlands innerhalb
des Staates des Deutschen Ordens
interpretiert. Die dergestalt umge-
deutete „Exemtion“ verteidigten Bi-
schof und Domkapitel gemeinsam
aus eigener Initiative und mit
wechselnder Begründung auch
nach der Eingliederung ihres Herr-
schaftsgebiets in die Krone Polen
in unmittelbarer Auseinanderset-
zung mit dem Gnesener Erzbischof
bzw. dem polnischen König und
durch Appellation an den Papst.
Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts
führten die ermländischen Bischö-
fe dementsprechend nach deut-
schem Vorbild den Titel „Fürstbi-
schof“ (bis 1836). Nachdem in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
die Rechtsstellung der Metropoli-
ten zunehmend schwächer gewor-
den und in der polnischen Adelsre-
publik die Dezentralisierung der
Macht fortgeschritten war, konnte
die Exemtion mit immer wieder
neuen Argumenten als Ausdruck
der politischen Eigenständigkeit
des Bistumslandes
de facto
be-
hauptet werden.
Durch die Eingliederung des
Fürstbistums in den preußischen
Staat (1772) verlor das Ermland sei-
Fortsetzung auf Seite VI
Fortsetzung auf Seite VI (Randspalte)
Zur Beachtung
Bitte Adressen-
änderungen melden
Zahlreiche Exemplare von Band
53 (2009) der ZGAE (Jahresgabe
2009) sind an den Aschendorff
Verlag zurück gegangen, da die
Empfänger unter der angegebenen
Anschrift nicht zu ermitteln waren.
Die Mitglieder sind herzlich gebe-
ten, Änderungen der Anschrift
mitzuteilen an die
Geschäftsstelle des
Historischen Vereins für Ermland
Dr. Hans-Jürgen Karp
Brandenburger Str. 5
35041 Marburg
E-Mail: karp@staff.uni-marburg.de
Vereins-
nachrichten
Am 12/13. Februar 2010 fand in
Berlin die konstituierende Sitzung
des am 17. Oktober 2009 neu gewähl-
ten engeren und erweiterten Vor-
standes des Historischen Vereins für
Ermland statt. Prof. Dr. Robert Traba,
neues Mitglied des erweiterten Vor-
standes, hatte in das von ihm geleite-
te Zentrum für Historische For-
schung der Polnischen Akademie
der Wissenschaften eingeladen.
Im Mittelpunkt der Beratungen
standen die Perspektiven und kon-
krete Arbeitsziele der Vereinsarbeit
in den kommenden Jahren. Dafür gilt
es, alle an der Kirchen- und Religi-
onsgeschichte des Ermlands und der
ganzen Region Altpreußens interes-
sierten Forscher im In- und Ausland
in einem aufzubauenden Netzwerk
zusammenzuführen. Hierzu ist nicht
zuletzt der Ausbau der Internetplatt-
form des HVE erforderlich.
Im kommenden Frühjahr soll in
Berlin ein Workshop für Studenten
und jüngere Historiker aus Deutsch-
land und Polen organisiert werden,
also eine Veranstaltung, auf der an
Quellen zu Themen der Konfessiona-
lisierung im 19. Jahrhundert gearbei-
tet und auf der ggf. bereits begonne-