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Geht man in einer Konfliktlage nur kämpferisch, flüchtend oder lösend vor - als
Selbstzweck und ohne Berücksichtigung der Unterschiede der Impulse und der
Qualität der Befriedigung -, so kann man einen destruktiven, leidvollen und störhaften
Verlauf voraussagen.
4.3.
Konfliktbearbeitung
oder das Leben mit Konflikten
Die Nichtauseinandersetzung mit Konflikten bindet Energien und macht uns häufig
gelähmt und stumpf in unserer Lebensgestaltung. Es geht daher bei der Konflikt-
bearbeitung nicht um das Beseitigen aller Konflikte, sondern um die erhöhte Qualität
unseres Lebens, die die belebende Ruhe nach Konfliktsituationen schafft.
Folgende Überlegungen scheinen mir für die Bearbeitung von Konflikten und dem
Leben mit Konflikten nützlich zu sein:
• Konfliktbewusstsein
Es gibt kaum eine Tätigkeit, Handlung oder Entscheidung, die nicht gleichzeitig eine
Konfliktbewältigung ist. Ich kann darin aber auch meine einzigartige Selbständigkeit
erkennen und daraus Mut für meine Weiterentwicklung schöpfen.
• Konflikte akzeptieren
Kann ich eigene Konflikte in mir oder mit anderen Personen gelten lassen, ohne sie
zu beschönigen oder einfach zu leugnen?
Wünsche ich mir eine Wunderwelt nach meinen Vorstellungen, in der alles so ist,
wie ich es haben möchte, mit der einen Ausnahme, dass diese Welt nicht ist?
• Konflikte erkennen
Konflikte zu erkennen bedeutet Bescheid zu wissen
über eigene und fremde
• Ziele
• Forderungen
• Bedürfnisse
• Wünsche
• Interessen
• Abwehrmaßnahmen usw.
Bin ich in der Lage, diese Divergenzen wertfrei wahrzunehmen und die Spannung,
den Reiz nach Loslösung zu spüren?
• Distanz schaffen
Auch wenn ich selbst in den Konflikt massiv verwickelt bin, brauche ich für die
Bewältigung Hilfen, um meine Handlungen und Ansichten kritisch zu reflektieren.
• Berufe ich mich auf fiktive Vorstellungen, Illusionen oder Phantasien oder setze ich
meine Sinne zur Wahrnehmung forschend und lebendig ein?
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• Die unterschiedlichen Konfliktebenen erkennen
Kann ich die Konflikte unterschiedlichen Ebenen zuordnen?
Zum Beispiel der • Leistungsebene
• Bedürfnisebene
• Körperebene usw.
• Auseinandersetzen
Bin ich bereit, mich in die Auseinandersetzung zu begeben, auch wenn sie noch
so stupide, lästig, fad, langwierig, nervtötend, angstbesetzt, ärgerniserregend
usw., ist?
• Übereinstimmung
Bin ich bereit, eine Übereinstimmung anzupeilen mit der Grundhaltung, das beste
Ergebnis für mich, den anderen und die Sache zu erzielen, oder Siegen die
Rechthaberei, der Stolz, die Begierde, die Gewalt oder die Überheblichkeit?
• Wertschätzende Akzeptanz und friedliche Koexistenz
Bin ich in der Lage, auch bei aussichtslosen Konfliktsituationen das, was ist, und
das, was sein soll, auseinanderzuhalten, oder tendiere ich dazu, Vorschläge,
Ratschläge oder Schläge des „Sollte-sein“ zu verteilen?
• Bitten
Manchmal hilft es, in einem Konflikt zu bitten oder zu betteln, statt den anderen zu
überzeugen.
• Lernen
Bin ich bereit, zu lernen und mein Wissen wertschätzend auszutauschen und zu
vermitteln?
Bin ich verrückt genug, um in der Auseinandersetzung neue Ideen zu haben, oder
ist der Konflikt bereits ein festes Programm in meinem Leben?
• Ja-Nein
Traue ich mich, mich ganz einfach zu jemandem, zu etwas zu bekennen mit einem
JA? Wenn ich NEIN sage, zu wem oder was sage ich JA?
4.4.
Bewältigung von Lebenskrisen
4.4.1. Der
Prozess des Trauerns - Trennungen und Trauern
Prof. Brigitte Dorst-Münster: Der Weg zurück ins Leben
Trauern ist ein langwieriger Prozess. In diesem zyklischen Geschehen gibt es einige
typische Phasen.
Die erste Phase ist häufig Schock, Betäubung, Nichtwahrhabenwollen, wir können
es nicht fassen, halten alles nur für einen bösen Traum, aus dem wir erwachen
werden. Auch wenn der Verstand die Tatsache wahrnimmt, der Rest von uns ist
bemüht, sie zu verleugnen.
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Mara, die bei der Scheidung auch das Sorgerecht für ihren Sohn verlor, weil das Kind
ihrem Mann zugesprochen wurde, konnte diese Tatsache monatelang nicht
realisieren, weigerte sich, dieses Faktum zur Kenntnis zu nehmen, hielt es für einen
vorübergehenden Irrtum. Der Verlust des Sohnes war für sie lange Zeit unerträglich.
Nur mit therapeutischer Hilfe konnte sie sich dieser Lebenssituation stellen.
Die zweite Phase ist oft die intensiver psychischer Qualen. Der ganze Körper ist
in Mitleidenschaft gezogen; Weinen, Lethargie, Anklagen, Überaktivitäten, Regres-
sionen in ein hilfloses Stadium sind kennzeichnend, Trennungsangst und hilflose,
hoffnungslose Verzweiflung bestimmen das Gefühl, ebenso Wut und Zorn auf die
Person, die uns verlassen hat. Bei Toten richtet sich die Wut der Hinterbliebenen
manchmal auf die Ärzte, die ihn/sie nicht gerettet haben oder auf die, die es ver-
suchen wollen, zu trösten. Wut ist Bestandteil des Trauerprozesses. Wir sind
wütend und hassen so, wie ein Kleinkind die Mutter hasst, die es verlässt. Und
ähnlich wie bei Kindern können Wut und Hass, die sogenannten bösen Gefühle,
dazu führen, dass wir uns schuldig fühlen. Auch Schuldgefühle sind Bestandteil des
Trauerprozesses.
Schuldbewusstsein im nachhinein, nicht liebevoll genug gewesen zu sein, egoistisch
gewesen zu sein, die Ambivalenz, dass da, wo wir lieben, immer auch hassen, Intim-
partner immer auch Intimfeinde sind, ist jetzt unerträglich.
Wir fühlen uns schuldig, am anderen versagt zu haben und es ist sehr schwierig,
differenzieren zu lernen zwischen den irrationalen Anteilen und denen, die zu uns
gehören, da wir im Leben immer auch schuldig werden.
Eine Form des Umganges mit Schuldgefühlen ist Idealisierung. Der/die andere wird
zum besten Menschen überhaupt, eine Art Heiligsprechung findet statt, nichts
Negatives darf mehr gedacht oder gesagt werden. Insbesondere gegenüber toten
Eltern wird Idealisierung so zu einer Art Wiedergutmachung für das, was uns ins-
geheim Schuldgefühle bereitet.
Eine Form des Umganges mit Schuldgefühlen, wenn diese für das geschwächte Ich
unerträglich sind, ist Verschiebung.
Der andere wird zum Sündenbock, zum Inbegriff des Bösen schlechthin, nichts Gutes
ist mehr an ihm oder ihr zu finden, ein Teufel, eine Hexe in Menschengestalt.
Eine dritte Form des Umganges mit Schuldgefühlen ist Selbstbestrafung und
Selbstvernachlässigung. „Ich habe es nicht anders verdient, ich bin nun einmal so
schlecht, daß niemand mich lieben kann, wenn ich verlassen werde, so bestätigt dies
nur meine Wertlosigkeit, es ist alles meine Schuld.“
Subtile Formen der Selbstbestrafung sind häufig in der therapeutischen Arbeit mit
Frauen zu finden, deren Selbstwertgefühl aufgrund der geschlechtsspezifischen
Sozialisation nicht hinreichend gestärkt und entwickelt werden konnte.
Die Differenzierung von neurotischen Schuldgefühlen und der erwachsenen Annahme
meines Anteils an Schuld und Versagen ist Bestandteil des Trauerprozesses.
Die Auseinandersetzung mit Schuld-, Hass- und Wutgefühlen braucht oft lange Zeit.