Tordierte Fingerringe
aus dreifach genommenem Draht, wie das Exemplar aus dem
Gouvernement Moskau (Taf. 1/8), haben dieselben Enden wie auch die dreifach gewun-
denen Armreife: ösenförmig mit dem darin liegenden einzelnen Draht. In Novgorod
fanden sich zwei solcher Fingerringe, gefertigt aus dünnem, vergoldetem Bronzedraht,
in Schichten des 12. bzw. des 13. Jh. (S
EDOVA
1959: 256).
Die gekerbten Fingerringe, die eine Tordierung nachahmen (Taf. 1/9), wurden in einer
Form gegossen, die von echt tordierten Fingerringen abgenommen wurde. In Novgorod
fanden sie sich in Schichten sowohl des 10. wie auch des 12. und des 13. Jh. (Ebd.).
Armreife:
Armreife kommen in den Kurganen sehr häufig vor; sie wurden von Frauen aller sozia-
len Schichten getragen. Bei den Kurgan-Bestattungen der bäuerlichen vjatitischen Be-
völkerung finden sich am häufigsten solche aus Bronze (A
RCICHOVSKIJ
1947a: 17). Es
lassen sich aus verschiedenen Drähten gewundene oder geflochtene und bandförmig ge-
gossene Armreife unterscheiden.
Gewundene Armreife:
Von den metallenen Armreifen sind die aus mehreren Bronzedrähten gewundenen (Taf.
1/10) am charakteristischsten für die Vjatiˇcen. Sie finden sich bedeutend häufiger in den
vjatitischen Kurganen als bei den Kriviˇcen, kommen aber auch bei den Novgoroder
Slovenen vor, bei den übrigen altrussischen Stämmen dagegen nur sehr selten.
Charakteristisch sind sie für das 12.-13. Jh. (S
EDOVA
1959: 247; R
AVDINA
1968: 117).
Die in der russischen Literatur so bezeichneten 2x3 gewundenen Armreife wurden her-
gestellt, indem zuerst ein doppelt gelegter Bronzedraht von rundem Querschnitt umein-
ander gewunden und dieser tordierte Doppeldraht dann dreifach zusammengelegt und
wiederum umeinander gewunden wurde. Das ist der am weitesten verbreitete Typ
gewundener Armreife. Beide Enden eines solchen Armreifs bestehen jeweils aus einer
Öse und dem freien geraden Ende darin. Manchmal ist das freie Ende auch nach der
Form der Öse umgebogen (S
EDOVA
1959: 249).
In den Becken der Flüsse Moskva, Kljazma und der Oberen Oka bilden diese Formen
40-60% aller Armreife. Die dreifachen und die sog. 2x3 gewundenen Armreife nehmen
die erste Stelle ein, dann folgen die vierfachen, die 3x3 und 2x4 gewundenen (N
IKOL
’
SKAJA
1981: 113). Auch die komplizierter gewundenen Armreife (2x4, 3x3, 4x3), die sich aller-
dings seltener als die dreifachen und die 2x3 gewundenen finden, sind in das 12. und in
das 13. Jh. zu datieren (R
AVDINA
1965: 128; 1968: 118).
Geflochtene Armreife:
Seltener als die verschiedenartig gewundenen kommen die aus einigen im Querschnitt
runden Drähten geflochtenen Armreife (Taf. 4/1) vor. Sie sind sowohl bei den Vjatiˇcen,
wie auch bei den Kriviˇcen und Mordvinen bekannt. Der hier vorgelegte Armreif ist aus
7 Drähten sehr kunstvoll geflochten. Leider sind beide Enden nicht erhalten. In Novgorod
gibt es zwei Typen dieser Armreife: geflochten aus 7 Drähten, mit freien Enden, sowie
geflochten aus 4-7 Drähten, mit blechförmigen ovalen kleinen Schilden an den Enden.
Geflochtene Armreife mit freien Enden lebten - urteilend nach den Novgoroder Analo-
gien - von der zweiten Hälfte des 11. bis in die Mitte des 13. Jh. (S
EDOVA
1997: 75).
H
EINRICH
: Ostslavische Grabfunde in der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums
103
©Naturhistorisches Museum Wien, download unter www.biologiezentrum.at
Aus 7 dünnen Drähten in ganz ähnlicher Weise geflochtene Fingerringe wurden in
Novgorod in Schichten vom Ende des 12. bis in die zweite Hälfte des 13. Jh. gefunden.
Sie sind vor allem bei den Kriviˇcen, den Novgoroder Slovenen und bei den Vjatiˇcen ver-
breitet (Ebd.: 77).
Blechförmige Armreife:
Beliebt waren bei der ländlichen Bevölkerung auch die bronzenen Armreife aus dünnem
Blech (Taf. 1/11) mit ösenförmig umgebogenen Enden (N
IKOL
’
SKAJA
1981: 113; S
EDOV
1982: 150). Die Außenseite trägt - ähnlich wie die der blechförmigen Fingerringe - ein
feines Muster in Tremolierstichtechnik. Diese Armreife sind hauptsächlich für das Areal
der Vjatiˇcen kennzeichnend (N
IKOL
’
SKAJA
1981: 113; E
NUKOV
1987: 191) und wurden
in Bestattungen des 11.-13. Jh. entdeckt. In den Kurganen von Novgorod treffen sie sich
selten, und wenn, dann eher in den späteren Bestattungen des 13. und 14. Jh. (S
EDOVA
1959: 250-252).
Halsreife:
Der Halsschmuck der Frauen bestand aus Halsreifen und Ketten. Wenn man auch nicht
sagen kann, daß die Halsreife aus Metall zu den charakteristischsten Schmuckstücken
der Vjatiˇcen gehörten, so fanden sie sich doch in den vjatitischen Kurganen häufiger als
in jenen der anderen ostslavischen Stämme (S
EDOV
1982: 150).
Schon allein das Vorhandensein von Halsreifen in einer Bestattung zeugt von einer be-
deutenden gesellschaftlichen Stellung der Bestatteten, aber gewöhnlich trifft man Hals-
reife in solchen Bestattungen an, die auch an anderen Schmuckstücken reich sind. Sie
wurden in den Gräbern immer in einem Exemplar gefunden. Nur in einem Einzelfall
fand sich ein Halsreif bei einer männlichen Bestattung (N
IKOL
’
SKAJA
1981: 115). Ziem-
lich häufig bilden sie auch wichtige Bestandteile von Schatzfunden (S
EDOVA
1997: 65).
Die Mode der Halsreife erscheint bei der ländlichen Bevölkerung in der zweiten Hälfte
des 11. Jh.; am Ende des 12. - Anfang des 13. Jh. kommen sie stufenweise außer Ge-
brauch. Etwa im 11. und 12. Jh. waren in den vjatitischen Dörfern gewundene Halsreife
aus einfachem oder kompliziert geflochtenem Draht mit blechförmig ausgeschmiedeten
Enden und zwei Ösen verbreitet (Taf. 4/3; 2/14). Zu einer späteren Zeit (12. - Anfang
13. Jh.) gehören die gewundenen Halsreife aus kompliziertem Geflecht und mit angelö-
teten blechförmigen Enden (Taf. 2/12-13) und zwei Ösen oder einem Haken und einer
Öse. Manchmal sind diese gewundenen Halsreife noch mit einem dünnen Draht um-
wickelt (N
IKOL
’
SKAJA
1981: 116 f.), wie auch bei dem hier vorgelegten Exemplar aus
Kosino (Taf. 4/3).
Ähnliche gewundene oder geflochtene Halsreife (wie auch Armreife), allerdings aus rei-
nem Silber, sind - wie schon erwähnt - auch aus Schatzfunden oder sog. Hacksilberfun-
den, sowohl von slavischem wie von skandinavischem Gebiet, aber auch von den Briti-
schen Inseln bekannt. Diese Silberfunde werden allerdings zumeist in das 10.-11. Jh.
datiert (z.B. G
RAHAM
-C
AMPBELL
& K
IDD
1980: 48 f., Abb. 18). Ein besonders reiches
Beispiel aus dem 11. Jh. ist der Schatzfund von Farve (Schleswig-Holstein)
12
, im Gebiet
der ostholsteinischen Slaven, der ursprünglich - neben anderen Objekten - aus 17 unter-
104
Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien 101 A
12
Auch als Fund von Wangels bekannt (s. W
IECHMANN
1998: 16).
©Naturhistorisches Museum Wien, download unter www.biologiezentrum.at