H e r m e n e V t I k a in humanistika II



Yüklə 3,96 Mb.
Pdf görüntüsü
səhifə212/233
tarix26.11.2017
ölçüsü3,96 Mb.
#12732
1   ...   208   209   210   211   212   213   214   215   ...   233

303

G

ETHMANN



, L

ANGEWIESCHE

, M

ITTELSTRA



ß, S

IMON


, S

TOCK


:

M

ANIFEST



  G

EISTESWISSENSCHAFT

lichung von Studiengängen nach dem Bachelor- und Master-Modell darf keine

inhaltliche Vereinheitlichung erfolgen. Einheitliche EU-Normen für die Lehr-

inhalte wären ein Hemmnis für die Universitäten, spezifische Schwerpunkte

auszubilden, und für die Studierenden, ihr Studienprogramm variabel auf unter-

schiedliche Berufsfelder abzustimmen.

Im Zentrum eines Universitätsstudiums sollte schon in der BA-Phase die Schu-

lung in den methodischen Grundlagen stehen. Das ist die wichtigste Mitgift

der Absolventen geisteswissenschaftlicher Fächer, die nicht für bestimmte Be-

rufsfelder ausbilden: methodische Schulung als Voraussetzung für eine allge-

meine Problemlösungskompetenz auf der Grundlage wissenschaftlichen Den-

kens und der Kenntnis der dafür notwendigen fachspezifischen Verfahren. Da-

mit läßt sich zugleich das universitäre BA-Studium von dem stärker berufs-

feldbezogenen BA-Studium an der Fachhochschule abgrenzen. Eine klare Auf-

gabenteilung zwischen Universität und Fachhochschule, wie sie der Wissen-

schaftsrat empfohlen hatte, verbunden mit einer Verlagerung anwendungsbe-

zogener Fächer und Studiengänge an die Fachschule, würde beiden Seiten

nutzen.

• Für die Geisteswissenschaften (und nicht nur für sie) ist die heutige Per-



sonalstruktur der deutschen Universität ein historischer Ballast. Sie kennt nur

,Lehrlinge‘ und ,Direktoren‘ – Assistenten und Professoren. Dazwischen gibt

es (fast) nichts. Wer den Sprung über diesen Graben nicht schafft, gilt als

gescheitert und muß die Universität verlassen. Das ist unvernünftig, vernichtet

Lebensentwürfe und vergeudet Ressourcen. Daß dies nicht so sein muß, lehrt

die Vielfalt angesehener selbständiger Positionen unterhalb der Professur, über

die britische Universitäten verfügen. Sie sind auf Lehre und Forschung aus-

gerichtet, ohne daß der Schritt zur Professur notwendig wäre. Wer nicht Pro-

fessor wird, ist nicht und gilt nicht als gescheitert. Mit der Juniorprofessur war

ein Schritt in diese Richtung geplant, doch er ging nicht weit genug. Erfor-

derlich ist hier keine kleine Korrektur, sondern ein radikaler Bruch, um die

Universität auch in diesem Bereich endlich darauf einzustellen, daß sie seit

langem ein Großbetrieb geworden ist, der eine stärker differenzierte Perso-

nalstruktur benötigt.



5.2 Exzellenzzentren an Universitäten

In den USA (auch in einigen europäischen Ländern) gibt es an jeder Univer-

sität, die etwas auf sich hält, ein Institute for Advanced Study, vornehme kleine

Manifest Geisteswissenschaft.pmd

10.7.2006, 18:05

303



304

P

HAINOMENA



15/55–56                                                   D

OKUMENTI


Forschungseinheiten, in denen jenes nationen-, fach- und disziplinenübergrei-

fende Gespräch gepflegt wird, aus dem die gedankliche Innovation entstehen

kann. Der französische Romancier Michel Houellebecq hat diesem Gespräch

den Erfolg der berühmten Kopenagener Schule im Umkreis von Niels Bohr

und seiner Nobelpreisschmiede zugeschrieben. In seinem Landhaus Tilsvilde

empfing Niels Bohr “Wissenschaftler aus anderen Fachrichtungen, Politiker,

Künstler; die Gespräche verliefen in zwanglosen Bahnen, von der Physik zur

Philosophie, von der Geschichte zur Kunst, von der Religion zu Alltäglichem.

Seit den Anfängen der griechischen Philosophie hatte es nichts Vergleichbares

gegeben; in diesem außergewöhnlichen Kontext wurden in den Jahren 1925

bis 1927 die grundlegenden Begriffe der 

,Kopenhagener Deutung‘ formuliert,

die die bestehenden Kategorien Raum, Kausalität und Zeit weitgehend auf-

hoben”.


Das ist eine ungefähre Beschreibung des Grundprinzips jener Institutes for

Advanced Study, die hier vorgeschlagen werden. Dieses Prinzip beruht auf dem

Dialog und kommt damit der Arbeitsweise der Geisteswissenschaften ideal

entgegen. Wissenschaftler können sich – ganz oder teilweise freigestellt von

anderen Verpflichtungen – Forschungen widmen, die das interdisziplinäre Ge-

spräch, nicht jedoch aufwendige Projektstrukturen benötigen. Man tritt auf Zeit

aus dem Alltagsgeschäft, nicht jedoch aus der Universität heraus. In Verbindung

mit Promotionskollegs bleibt die Einheit von Forschung und Lehre erhalten;

Nachwuchswissenschaftlergruppen könnten hinzukommen.

Die Absicht, Zeiten konzentrierter Forschung zu ermöglichen, teilen diese

Zentren mit den Wissenschaftskollegs, die in Berlin und Delmenhorst bestehen,

mit dem Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) und dem

Max-Weber-Kolleg in Erfurt. Frankreich verfügt mit den Maisons des Sciences

des Hommes über solche Einrichtungen; in Stanford und Princeton haben die

Institutes for Advanced Studies im Bereich der Geisteswissenschaften Weltruf

erlangt; in Budapest und Bukarest suchen Institute wie das von Andrei Plesu

gegründete New Europe College neue Eliten in den Ländern der Transition zu

begründen. Die enge Einbindung in die Universität, gekoppelt mit der Ein-

richtung in Konkurrenz und auf Zeit, unterscheidet die vorgeschlagenen Zen-

tren jedoch von allen anderen.

Angesichts des erhebliche Defizits, das im Bereich geisteswissenschaftlicher

Gemeinschaftsforschung gegenüber den USA besteht, sollten mindestens zehn

Manifest Geisteswissenschaft.pmd

10.7.2006, 18:05

304



Yüklə 3,96 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   208   209   210   211   212   213   214   215   ...   233




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə