11
Lindop Parkinson’s Disease Mobility Assessment Scale (LPS)
Der LPS umfasst 2 Teile mit insgesamt 30 Punkten für Gehfähigkeit und Bettmobilität. Es ist ein
reliabler und valider Test für Gehfähigkeit und Bettmobilität
145
. Teil 1 (18 Punkte) beinhaltet das
Aufstehen, der TUG und freier Stand. Ebenfalls wird das Freezing oder Festinieren beim Drehen an Ort
(rechts und links) und beim Gehen durch eine Tür bewertet, wobei die Anzahl Schritte, respektive die
Anzahl Freezing-/Festinationsepisoden gezählt werden. Teil 2 misst die Zeit, welche benötigt wird für:
Abliegen, aus der Rückenlage links oder rechts drehen und aufsitzen. Jede Aufgabe wird auf einer
ordinalen 3 Punkt Skala ausgewertet wobei 0=“unmöglich durchzuführen oder Hilfe von 2 oder mehrere
Personen“ und 3=“ohne Hilfe innerhalb 5 Sekunden“ bedeutet. Für Teil 2 bedeutet ein totaler Skore von
12 Punkte „keine Beeinträchtigungen in der Bettmobilität“.
MDC und Cut-Off Werte
Weil alle Assessments Messfehlern unterliegen, ist es wichtig, die „Minimal Detectable Change“-Werte
zu kennen. Nur so kann ein Messfehler ausgeschlossen und die klinisch relevanten Veränderungen
festgelegt werden.
„Cut-off“ Werte sind Werte, die die Patienten in die eine oder andere Kategorie einstufen. In Tabelle 2
werden die aktuellen Cut-off Werte gezeigt, welche ein erhöhtes Sturzrisiko bedeuten bei PMP.
Assessment
Cut-Off
MDC-Wert
Berg Balance Scale
≤ 45/56 Pkt.
(wurde bei älteren Personen
erfasst)
5 Pkt.
143
Functional Gait
Assessment
≤ 15/30
141
5 Pkt. (wurde bei Personen mit CVI
erfasst)
146
TUG
≥ 8 Sek.
147
3.5-4.85 Sek.
139,148
5TSTS
≥ 16 Sek.
149
/
6 MGT
82 Meter
143
10 MGT
0.18 Meter/s
143
Tabelle 2: Cut-off und Minimal Detectable Change (MDC) pro Assessment
12
7. Physiotherapeutische Behandlung bei PMP (QRC 3 und 4)
Die aktuellen therapeutischen Strategien fokussieren vor allem auf die Kontrolle der Symptome
(symptomatische Behandlung) und Kompensationsmöglichkeiten. Die symptomatische Behandlung
beinhaltet eine Vielfalt medikamentöser Therapien und Rehabilitation (Siehe Tabelle 3). Mittlerweile
bestehen ausreichende Daten, welche physiotherapeutische Massnahmen bei PMP für Transfer,
Mobilität, Gehen, Vermeiden von Stürzen und FOG belegen
150
.
Kompensationsstrategien werden in vielen Situationen in den Therapien umgesetzt, häufig in einem
späten Krankheitsstadium
Tabelle 3: Die vielfältige symptomatische Behandlung bei PMP auf therapeutische und medizinische Ebene
7.1.Stadien-spezifische Behandlungsziele (Quick Reference Card 3)
Eine rechtzeitige Überweisung in einem frühen Krankheitsstadium ist erforderlich, da Schwierigkeiten
in den ADL’s auch ohne Verlust der Selbständigkeit entstehen können. Einen weiteren Grund für eine
frühe Überweisung ist der Erhalt eines ausreichenden Fitnessniveaus, um sekundäre Komplikationen zu
vermeiden.
• In den ersten Stadien stehen intensives Kraft-, Ausdauer-, Gleichgewichts- und
Koordinationstraining im Vordergrund, um Inaktivität vorzubeugen und die körperliche
Leistungsfähigkeit zu verbessern. Patienten müssen von Anfang an gecoacht und informiert
werden über Krankheitsverlauf und Therapiemöglichkeiten. Sie brauchen Unterstützung im
Selbstmanagement, um ihren Sport und die Bewegungen selbständig und konsequent
durchzuführen.
• In späteren Stadien werden Bewegungsstrategien priorisiert, um Freezing Episoden zu
reduzieren und um die Selbständigkeit zu erhalten. Im H&Y Stadium 4 und 5 bleibt der Erhalt
der Gehfähigkeit wichtig, hinzu kommt Kontraktur-, Druckstellen- sowie Pneumonie
Prophylaxe. In dieser Phase der Erkrankung ist es ebenfalls sinnvoll, die Betreuungspersonen
zu unterstützen.
Selbsthilfegruppen, Informationsbroschüren oder die Gratis-Hotline „Parkinfon“ (Parkinson Schweiz)
können sowohl Patienten als auch Angehörige und Betreuungspersonen in allen Krankheitsstadien
unterstützen.
Therapie bei PMP
Zielgerichtet und Patientenorientiert
Therapeutisch
Evidenzbasiert
QRC 4
Laufband
Cueing‐Strategien
Tai‐Chi
Konventionelle PT
Stadienspezifisch
QRC 3
H&Y 1 ‐ 5
Medizinisch
Medikamentös
Levodopatherapie
Duodopapumpe
S.31‐32
S. 176‐177
Neurochirurgie
Tiefer Hirnstimulator
S. 33
13
7.2 Behandlungsziele und Massnahmen
Die Europäische Richtlinien bieten Empfehlungen auf 4 Evidenzniveaus:
Starke Empfehlung für
–
Schwache Empfehlung für
–
Schwache Empfehlung gegen –
Stark gegen
. Die spezifischen
Behandlungsmassnahmen, welche den Evidenzlevel ‘starke Empfehlung für’ erhalten haben, sind:
Abbildung 1: Spezifische Massnahmen pro Behandlungsschwerpunkt aus dem Poster von Samyra Keus et al, 2015
151
Die Behandlungsmassnahmen, welche mit einer ‘starken Empfehlung für’ beurteilt wurde, werden
zusammengefasst erläutert.
Wir empfehlen aber allen Physiotherapeuten, welche PMP betreuen,
die vollständige Leitlinie zu lesen!
7.2.1 Cues und Bewegungsstrategien (Bewegung aufteilen) S.95-99
Cueing und Aufmerksamkeitsstrategien
Die Ausführung von automatischen und repetitiven Bewegungen beim PMP ist gestört infolge eines
grundlegenden Problems der internen Kontrolle (Basalganglien). Um diese reduzierte oder fehlende
interne Kontrolle zu ergänzen oder zu ersetzen, werden sogenannte “Cues“ oder Strategien verwendet.
Cueing, Aufmerksamkeit und Bewegungsstrategien für komplexe Bewegungsabläufe (früher kognitive
Bewegungsstrategien) kompensieren diese Defizite in der internen (automatischen) Kontrolle.
Externe Cues sind definiert als zeitliche oder räumliche externe Reize, die mit der Initiierung und
fortgesetzten Ausführung motorischer Aktivitäten (Gehen) in Zusammenhang stehen. Es wird vermutet,
dass durch Cues die Bewegung direkt vom Cortex kontrolliert wird, mit nur geringem oder keinem
Einbezug der Basalganglien
152
.
Sie können visueller Art sein und darauf abzielen Amplitude zu generieren, oder auditiv oder taktil (auch
wenn diese kaum je zur Anwendung kommen) und auf die Generierung von Rhythmus abzielen
153
. Cues
können die Aufmerksamkeit fokussieren, insbesondere während der Ausführung komplexer Aufgaben
und somit bei der Priorisierung des Gehens helfen
153
.
Nicht alle Patienten profitieren vom Gebrauch von Cues. Bis heute gibt es keine klaren Hinweise, von
welchen Cues PMP profitieren und welchen nicht. Vorteile vom Gebrauch der Cues werden aber nach
einer Trainingseinheit sichtbar. Cues können auch bei PMP mit leichten kognitiven Defiziten auch für
Einzel- oder Doppelaufgaben, Gehgeschwindigkeit und Schrittlänge hilfreich sein
154
.
Aufmerksamkeitsstrategien sind von „Cueing“ zu unterscheiden, da sie intern selbst ausgelöst werden
und so ein interner Fokus auf die Bewegung generiert wird. Dieses Generieren wird durch exekutive
Prozesse, präfrontale und frontale Regelschleifen gesteuert und können so mehr Aufmerksamkeit
verlangen im Vergleich zu externen Cues
155
. Sehr häufig werden Aufmerksamkeitsstrategien und
externe Cues kombiniert. Beide können einmalig (bei Bewegungsinitiierung) oder konstant (um FOG
zu vermeiden) angewendet werden. Cues können auch während des Trainings angewendet werden, um
so optimale Bewegungen zu generieren.
GRADE-basierte Empfehlungen (QRC 4):
Starke Empfehlung Cueing anzuwenden und folgende Outcomes zu verbessern:
• Gehgeschwindigkeit
Transfer
•
Funktionelle
Mobilität:
‐ Bewegung
aufteilen +
‐ Cues
Gehen
• Gehtempo:
‐ konventionelle
PT
(Gleichgewicht,
Kraft,Geh‐
training)
‐ Cues
‐ Laufband
• Doppel
schrittlänge:
‐ Laufband
Gleichgewicht
• Funktionelle
Mobilität:
‐ Bewegung
aufteilen +
‐ Cues
•Stürze: Tai‐Chi
Körperliche
Leistungsfähigkeit
•
Muskelkraft:
‐ konventionelle PT
‐Tai‐Chi
motorische
Funktionen
• UPDRS III:
‐ konventionelle
PT
‐ Tai‐Chi