Über Das Pallium Oder Den Philosophenmantel



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Über Das Pallium


Oder  
Den Philosophenmantel.

[\bersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner]

Inhalt:

1. Kap. Das Pallium ist von Haus aus ein altkarthagisches Kleidungsstück. Darum sollten die Einwohner von Karthago gewi_ am allerwenigsten diese Tracht auffallend finden.

2. Kap. Veränderungen in der Natur und Wechsel in der Menschenwelt sind etwas Gewöhnliches.

3. Kap. Ebenso kommen in der Tierwelt nicht selten Veränderungen vor.

4. Kap. Beispiele von Veränderungen in der Tracht, welche das damalige Leben, von Verkleidungen, welche die Mythologie, und von Wechsel in der Mode bei Männern und Weibern, welche die Geschichte bietet.

5. Kap. Humoristische Schilderung der Unbequemlichkeit der Toga. Das Pallium dagegen bildet eine bequeme Tracht; es ist das Kleid der Philosophen und ein Ausdruck der Liebe zur Einfachheit.

6. Kap. Das Pallium ist die bevorzugte Tracht derer, welche eine geistige Tätigkeit ausüben. Darum hat es auch Tertullian als Christ zu seiner Tracht gewählt.

 

1. Ihr Männer von Karthago, allzeit die Ersten in Afrika, geadelt durch Altertum, von der Neuzeit begünstigt, ich freue mich, da_ Ihr so glückliche Zeiten habt, wo Ihr Mu_e und Vergnügen daran findet, über Kleidertrachten zu spotten. Infolge des Friedens und der Wohlfeilheit habt Ihr gut Zeit dazu. Was die Politik und das Wetter anlangt, so gehts Euch ja auch gut.



Allein Eure Kleidung war früher auch eine andere: die Tunika, berühmt wegen der Sorgfalt ihres Gewebes,  |p12 der Gleichmä_igkeit ihrer Farben und der Richtigkeit ihrer Ma_verhältnisse, indem sie weder in verschwenderischer Fülle über die Knöchel, noch in den Anstand verletzender Weise nur bis an die Kniee reichte und weder an den Armen zu knapp, noch für die Hände zu eng sa_. Auch war es nicht leicht, mit dem Gürtel ein bauschiges Bruststück abzuteilen1), sondern in Viereckform sa_ sie dem Manne gerade recht. Der Mantel, der die Au_enkleidung bildete, war ebenfalls viereckig auf beiden Seiten zurückgeschlagen; mittels einer Spange um den Nacken befestigt, ruhte er auf den Schultern. In dieser Weise erscheint gegenwärtig die Priesterschaft vor Äskulap, der nunmehr der Eurige ist. So kleidete sich auch in unmittelbarer Nähe die Schwesterstadt2), und wo es noch sonst in Afrika ein Tyrus gab3). Als in der Schicksalsurne aber die Zeitenlose wechselten und Gott mehr den Römern hold war, da beeilte sich die Schwesterstadt, frühreif für römisches Wesen, auf eigene Faust eine Änderung zu machen, um den landenden Scipio zum voraus durch ihre Kleiderpracht zu begrü_en. Euch hingegen wurde erst nach Wiedergutmachung des Unrechtes, wie Leuten, die nur von ihrer Altersschwäche befreit, nicht ihres Vorranges enthoben sind, die Toga angeboten, und erst nach den unheilvollen Betrebungen der Gracchen und dem gewalttätig-komischen Ausgange des Lepidus4), nach dem dreimaligen Triumphe des Pompeius und dem langen Zögern des Cäsar, da man sich der gegenseitigen Eintracht erfreute, nachdem Statilius Taurus die Stadtmauer aufgebaut und Sentius Saturninus die feierlichen Gründungsworte ausgesprochen hatte.

O was für Wanderungen hat doch die Toga durchgemacht! Von den Pelasgern kam sie zu den Lydern, |p13 von den Lydern zu den Römern, um, den Schultern des erhabeneren Volkes entlehnt, die Karthager zu umhüllen. Von der Zeit an schürzt Ihr die Tunika, die nun länger ist, mittels eines Gürtels auf, legt die Fülle des nunmehr halbkreisförmigen Palliums in feste Faltenreihen zusammen der Länge nach herunter1), und was Euch sonst noch etwa der Stand, die Würde und die Jahreszeit an Kleidungsstücken umhängt. Über das Pallium2) aber macht Ihr, des Eurigen gänzlich vergessend, tadelnde Bemerkungen. Ich für meine Person finde das nicht auffallend im Hinblick auf ein älteres Beispiel. Denn Karthago, voll rauhen, kriegerischen Strebens3), soll auch zuerst den Widder -- nicht den Widder meine ich, welchen Laberius4) den "gewundene Hörner tragenden, wollhäutigen, den Hoden mühsam schleppenden" nennt, sondern den Balken, die Maschine, welche zum Zerbrechen von Mauern dient -- diesen Widder also, den vorher noch niemand aufgehängt hatte, soll Karthago zuerst als Kriegsgerät gebraucht haben, um ihn als wuchtiges Pendel in Schwung zu setzen, indem man sich die Kraft der Kriegsmaschine vorstellte wie die jenes Viehes, welches im Zorne sich seines Kopfes bedient. Und doch, als die letzten Zeiten unserer Vaterstadt herankamen und der Widder, der nun schon römisch war, gegen die einst ihm gehörenden Mauern anstürmte, da staunten ihn plötzlich die Karthager an als eine neue, fremde Erfindung. So sehr vermag das ferne Altertum die Verhältnisse umzukehren5). Daher kennt man denn jetzt auch das Pallium nicht wieder.

2. Fassen wir nun die Sache von einer ändern Seite, um zu zeigen, da_ die punische Art vor den Römern nicht zu erröten oder zu trauern braucht! Es ist eine ausgemachte Sache, da_ das Gewand zu wechseln ein |p14 gewöhnliches Geschäft der ganzen Natur ist. Auch die Welt, die wir bewohnen, nimmt es zuweilen vor. Meinetwegen mag Anaximander mehrere Welten annehmen, meinetwegen mag es auch noch irgendwo eine andere Welt geben bei den Meropern, wie Silenus dem Midas-vorschwatzte, dessen Ohren freilich noch grö_ere Fabeln vertragen können. Die Welt, welche Plato annimmt, von welcher die unsrige ein Abbild sein soll, befindet sich ebenso in der Notwendigkeit, sich verändern zu müssen. Denn, wenn sie eine Welt ist, so wird sie aus verschiedenen Substanzen und Kräften bestehen, entsprechend der Form dessen, was die Welt hier ist; sie würde ja keine Welt sein können, wenn sie nicht ebenso wäre wie die Welt. Verschiedene Dinge, zur Einheit verbunden, bleiben durch Veränderung verschieden. Denn der Wechsel verbindet und eint den Zwiespalt der Verschiedenheit. So wird jede Welt nur zu einer Welt dadurch, da_ sie aus verschiedenen Dingen zusammengesetzt ist und auf dem Wechsel basiert.

Unsere Wohnstätte wenigstens ist, was man mit geschlossenen, ja selbst mit Homerischen1) Augen wahrnehmen kann, durchaus etwas die Gestalt Wechselndes. Tag und Nacht wechseln ab. Die Sonne variiert in jährlichen Zwischenräumen ihre Sonnenwenden, der Mond hat monatliche Veränderungen. Die ordnungsvolle und doch verwirrende Menge der Gestirne lä_t zu Zeiten etwas sinken, zu Zeiten wieder emporsteigen. Der Umkreis des Himmels ist bald heiter glänzend, bald durch Gewölk verdüstert; oder es stürzen Regengüsse herab und manchmal Hagelgeschosse mit den Regengüssen gemischt; dann folgt Sprühregen und von neuem Heiterkeit. So ist auch die Zuverlässigkeit des Meeres übel berüchtigt; denn es erheben sich ebenfalls aus einer ruhenden, traulichen und mä_ig bewegten Fläche in Folge des Umschlags der Winde alsbald ungeheure Wogen, So ist es auch, wenn man die Erde betrachtet, die sich je nach Jahreszeiten zu bekleiden liebt. Es fehlt nicht viel, so könnte man leugnen, da_ sie dieselbe sei. Man denkt sie sich noch grün und sieht sie sehen gelb; bald |p15 wird man sie auch grau und öde sehen. Auch bei all ihrem übrigen Schmuck verändert sich das eine aus dem ändern: die Rücken der Berge durch Herabrutschen, die Wasseradern der Quellen durch Ausbleiben, die Rinn sale der Flüsse durch Verschütten.

Einst hat sich auch die ganze Erdoberfläche verändert, indem sie mit allen Wassern bedeckt war. Nochtreiben sich die Muschelschalen und Gehäuse auf den Gebirgen umher und möchten Plato gern davon überzeugen, da_ auch die höher gelegenen Punkte im Wasser gestanden haben. Auch, nachdem der Erdboden wieder in seiner gewöhnlichen Form herausgetreten, hat er sich nochmals verändert; ein anderer und doch derselbe. Er ändert auch stellenweise seine Gestalt, wenn irgend eine Gegend Schaden leidet, da es unter den Inseln kein Delos mehr gibt, Samos ein Sandhaufen ist und die Sibylle nicht lügt; da man im Atlantischen Meere ein Libyen oder Asien gleichgro_es Land vermi_t1); da das ehemalige Seitenteil von Italien, durch den Andrang des Adriatischen und Tyrrhenischen Meeres zur Hälfte verschlungen, aus den Resten die Insel Sizilien entstehenlie_ und.die ganze Wunde des Risses, welcher den kämpfenden Zusammensturz der Gewässer in die Enge treibt, dem Meere eine ganz neue fehlerhafte Eigenschaft mitteilte, nämlich die, die Schiffstrümmer nicht auszuwerfen, sondern hinabzuschlingen. Es erfährt auch das Festland Zerstörungen durch den Himmel oder durch sich selbst. Blicke nach Palästinal Wo der Jordanflu_ die Grenzscheide bildet, ist eine ungeheure Einöde, eine verlassene Gegend und der Anbau vergeblich. Und doch gab es früher dort Städte und zahlreiche Völkerschaften und der Boden war dankbar2). Späterhin trat Gott als Richter auf; die Gottlosigkeit verdiente einen Feuerregen; von nun an gibt es kein Sodoma und Gomorrha mehr; alles ist Asche und das nahe Meer lebt mit dem Erdboden daneben ein Leben des Todes. Durch |p16 eine solche Wolke verlor auch Tuscien sein Volsinii im Feuer, und mehr noch als dies hat Kampanien, dem sein Pompeji entrissen ist, von seinen Bergen zu gewärtigen. Möge das fernbleiben! O da_ doch auch Asien nun sicher wäre vor der Gefrä_igkeit der Erde! O da_ doch auch Afrika zum ersten und zum letzten Male den Schlund gefürchtet hätte und genug gestraft wäre mit der Entrei_ung eines einzigen Heerlagers1). Auch durch viele andere Beschädigungen der Art ist das Aussehen des Erdkreises verändert und sind Landstriche aus der Stelle gerückt worden.

Auch die Kriege haben vieles bewirkt. Jedoch es verdrie_t mich ebensosehr, traurige Ereignisse aufzuzählen, als die Umwälzungen der Staaten. Wie vielmal mögen sich die letzteren von Ninus, dem Sprö_ling des Belus, an umgestaltet haben! wofern nämlich Ninus wirklich der erste Herrscher war, wie unsere profanen Vorgänger annehmen. In der Regel geht bei Euch der Griffel2) nicht weiter hinauf. Frühestens mit den Assyriern öffnet sich die Pforte der Weltgeschichte. Wir aber, die wir die heiligen Schriften flei_ig lesen, besitzen Kenntnis der Weltgeschichte von Anbeginn der Welt selber an. Also denn, das Erfreuliche wechselt mit dem Übel; denn auch das Erfreuliche wechselt. Infolge dessen kehrt, was das Meer etwa weggespült oder der Himmel versengt, die Erde verschlungen, das Schwert weggefegt hat. später an einer ändern Stelle als Tausch und Ersatz wieder. Denn zu Anfang war ja auch die Erde dem grö_eren Teile nach öde und menschenleer, und wenn auch irgendwo ein Volk Besitz ergriffen hatte, so war es ganz für sich allein. Daher hat sie, wenn sie überhaupt etwas erkennt3), den Plan, da_ auf der einen Stelle eine dichtgedrängte Menge alles bebaue, auf der ändern Seite eine auswandernde Menge alles durchwühle und durchforsche, so da_ Völker aus Völkern und Städte aus Städten hervorgehen und sich wie |p17 Ableger und Setzlinge über alle Teile des Erdkreises verbreiten. Es flogen aus die Schwärme der überzähligen Völker: die Scythen geben in den Persern ihren Überflu_ ab, die Phönizier ergie_en ihn nach Afrika, die Phrygier erzeugen die Römer, der chaldäische Nachwuchs wird nach Ägypten ausgeführt und bildet in der Folge, indem er wieder von da hinübergeführt wird, das jüdische Volk, So geht auch die Nachkommenschaft des Herkules hervor, um in gleicher Weise unter Temenus den Peloponnes in Besitz zu nehmen; so versorgen die Ionier, die Gefährten des Neleus, Asien mit neuen Städten; so befestigen auch die Korinther unter Archias Syrakus.

Indes das Altertum ist bereits ein Nichts, da es hei_t, unsere Rennwagen vorf Wie viele Veränderungen hat nicht das gegenwärtige Jahrhundert auf dem Erdkreise bewirkt. Wie viele Städte hat nicht die dreifache Tugend der gegenwärtigen Staatsregierung neu geschaffen, vergrö_ert oder wieder hergestellt, indem Gott so vielen Kaisern zumal günstig ist! Wie viele Steuern sind schon umgeschrieben, wie viele Völkerschaften fiberwältigt, wie viele Stände in ihrem alten Glänze wiederhergestellt, wie viele Barbaren abgewiesen worden! In Wahrheit, der Erdkreis ist weiter nichts als ein sorgfältig kultiviertes Ackerfeld dieser Regierung, wo jedes Giftgewächs der Feindschaft ausgerissen, alle Stachel- und Schlinggewächse falscher Freundschaft zerpreten sind; lieblicher ist er noch als der Obstgarten des Alkinous und der Rosenhain des Midas. Da man also die Veränderungen auf dem Erdkreise lobt, warum tadelt man sie denn beim Menschen?

3. Auch die Tiere wechseln zwar nicht ihr Gewand, wohl aber ihr Aussehen, obwohl das Gefieder des Pfauen ein Gewand ist, und zwar ein Festgewand, echter gefärbt sogar als aller Purpur, der je einen Hals geziert, glänzender als der Goldstreifen, der je auf einem Rücken gestrahlt hat, und voller als irgend eine Schleppe, welche als Schweif auf dem Boden schleifte. Es ist vielfarbig, verschieden und wechselnd in seinen Farben, niemals dasselbe, immer ein anderes, obwohl |p18 immer das nämliche. Wenn es ein anderes erscheint, ändert es sich so vielmal, als es nur bewegt wird. Anzuführen ist auch, wenngleich erst hinter dem Pfauen, die Schlange; denn auch sie ändert, was sie hat, ihre Haut und ihr Lebensalter. Sobald sie nämlich das Alter herankommen sieht, zwängt sie sich in eine Enge, und indem bei ihr in die Löcher kriechen und die Haut ausziehen eins ist, rollt sie sich sofort an der Schwelle selbst, ihr abgelegtes Kleid, welches zurückbleibt, abstreifend, als ein neues Wesen auseinander, und mit den Schuppen zugleich legt sie auch ihre Lebensjahre ab. Bei der Hyäne dauert, wenn man sie beobachten will, das Geschlecht nur ein Jahr, das männliche und das weibliche wechseln bei ihr ab. Vom Hirsche will ich schweigen; er ist ebenfalls Herr über sein Alter, wenn er eine Schlange gefressen hat, so wird er krank und dann wieder jung.

Es gibt auch einen "Vierfü_er langsamen Schritts, die Felder bewohnend, niedrig und rauh anzufühlen"1). Du meinst wohl, es sei die Schildkröte nach Pacuvius? Mit nichten. Auch noch auf ein anderes Tierchen pa_t der Vers; es ist nur von sehr mä_iger Grö_e, aber sein Name ist volltönend. Wenn man den Namen Chamäleon hört und es noch nicht kennt, so sollte man fürchten, es sei noch etwas Schlimmeres als der Löwe. Aber wenn Du es antriffst im Weinberge, so steckt das Dingelchen fast ganz unter einer Weinranke und die Verwegenheit seines griechischen Namens wird Dich sogleich lachen machen. Denn sein Körper besitzt nicht einmal Blut, welches sonst selbst bei geringen Tieren reichlich flie_t. Am Chamäleon lebt nur die Haut, Das Köpfchen sitzt ihm gleich am Rücken; denn der Hals fehlt. Daher ist es ihm schwer, sich umzuwenden; will es sich umsehen, so treten ihm die Äugelchen heraus, oder richtiger, die Lichtpunkte drehen sich herum. Stumpf und matt hebt es sich kaum von der Erde, es setzt sich in Bewegung, um zu gehen, stutzend bewegt es sich vorwärts und deutet den Schritt mehr an, als da_ es ihn ausführt. Es ist nämlich stets ohne Nahrung und zehrt sich doch nicht |p19 ab. Unter Gähnen fri_t es, mit blasebalgartigen Bewegungen käuet es wieder, aus dem Winde nimmt es Nahrung. Doch vermag sich das Chamäleon völlig zu verändern, weiter kann es nichts. Während ihm nämlich nur eine Farbe eigentümlich ist, wird es von jedem gefärbt, was hinzutritt. Das ist dem Chamäleon allein verliehen, um seine Haut zu spielen, wie man sprichwörtlich sagt.

Vieles war zu sagen, um gut vorbereitet endlich auf den Menschen zu kommen. Mag der Uranfang, von welchem Ihr ihn herkommen lasset, sein, wie er will, in jedem Falle stand der Mensch nackt und unbekleidet vor seinem Bildner. Erst später setzte er sich in den Besitz einer voreilig ergriffenen, ihm noch nicht zukommenden Wissenschaft. Auf der Stelle beeilte er sich, dem, dessen man sich an dem neugebildeten Körper noch nicht zu schämen brauchte, eine vorläufige Umhüllung von Feigenblättern zu geben, darauf ward er aus dem Orte seiner Erschaffung, weil er gesündigt hatte, vertrieben und in Kleidern von Fellen auf die Erde gebracht, wie zu Bergwerksarbeiten.

Doch das sind geheime Dinge, die nicht alle verstehen. Heraus nunmehr mit Euren Geschichten, welche die Ägypter erzählen, die Alexander1) berichtet und die Mutter liest, heraus mit den Geschichten aus der Zeit des Osiris, da aus Libyen der an Schafen so reiche Ammon zu ihm kam. Kurz, sie sind mit ihnen der Meinung. Merkur habe, durch die Weichheit eines zufällig gestreichelten Widders erfreut, ein Schäflein kahlgeschoren, und indem er, wie die Zartheit des Stoffes es anzeigte, die Probe weiter machte, durch fortgesetztes Ziehen einen Faden hervorgebracht und ähnlich wie früher das Netz, das er aus Streifen von Lindenbast verfertigte, so jetzt ein Gewebe gemacht. Doch Ihr neigt Euch mehr dahin, alle Verwendung der Wolle und die Herstellung von Geweben der Minerva zuzuschreiben, obwohl Arachne eine Werkstätte hatte, wo es flei_iger zuging. Seit jener Zeit gibt es Kleiderstoffe. |p20 

Ich rede nicht weiter von den Schafen, den milesischen, Belgischen, altinischen, oder denen, die etwa, von Tarent oder Baetica ihren Namen führen, wo die Natur sie färbt, weil auch Bäume Kleiderstoffe liefern und die Stengel des Flachses durch die Wäsche ihre grüne Farbe in Wei_ verwandeln. Auch genügte es nicht mehr, seine Tunika zu pflanzen und zu säen, man mu_te sein Gewand auch noch aus dem Wasser herausfischen. Das Meer nämlich liefert uns auch Wolle, insofern die prächtigeren Muscheln mit einem Haar von moosiger, wolliger Beschaffenheit versehen sind1). Sodann ist es. nicht unbekannt, da_ die Seidenraupe -- eine Art kleiner Würmer --, welche durch die Luft Fäden zieht und ein Gespinnst, schöner als die Sonnenuhren der Spinnen2), verfertigt und dann wieder aufzehrt, einen Gewandstoff aus ihrem Hinterleibe von sich gibt3). Wenn man sie getötet hat, so wird man einen lebendigen Faden abrollen.

Einen so bedeutenden Vorrat von Stoffen hat also die Erfindungsgabe der Kleiderbereitungskünatler zu erzielen gewu_t, zuerst, um die Blö_e des Menschen zu bedecken, weil das Notwendige allem vorgeht, in der Folge aber auch, um ihn zu schmücken, ja sogar um ihn aufzublasen4), indem der Hochmut hinzukam, und mit den verschiedensten Gewandformen bekannt machte. EinTeil derselben wird von einzelnen Völkern bewohnt, sie sind im übrigen ungewöhnlich: der andere Teil aber ist, allgemein und sie sind für alle brauchbar, wie eben dieses mein Pallium, welches, obschon mehr griechisch, doch in der Sprache bereits latinisiert ist. Mit der Bezeichnung hat das Kleid Eingang gefunden. Und daher |p21 hat selbst der Mann, der als Zensor die Griechen aus Rom vertrieb, sich in seinen alten Tagen noch in ihrer Sprache und Wissenschaft unterrichten lassen, und derselbe Cato, der zu seiner Zeit für die Juristerei seiner Schulter entblö_te1), hat sich durch Tragen des Palliums den Griechen nicht weniger günstig gezeigt.

4. Aber nun, wenn das Heil für alle in der römschen Mode besteht, warum werdet Ihr denn jetzt auch in weniger ehrbaren Dingen zu Griechen? Oder, wenn dem nicht so wäre, woher in aller Welt kommen dann in Provinzen, die in besseren Dingen geübt sind und welche die Natur eher zur Bewältigung des Erdreichs2) bestimmt hat, die Studien der Ringschule, die vergeblich altern und sich zwecklos abmühen? woher das Einsalben mit Dreck, das Wälzen im Staube und die trockene Mästung? Woher kommt es, da_ bei einigen Numidiern, die eine Mähne besitzen trotz einem Rosse, der Rasierer sich an ihrer Haut zu schaffen macht und der Scheitel allein vom Schermesser verschont bleibt? Woher bei borstigen und struppigen Leuten das Pech, das unter der Achsel so räuberisch, und das Zängelchen, das um das Kinn so diebisch ist3). Es ist ein Wunder, da_ es solche Moden gibt, ohne das Pallium; zu ihm pa_t diese ganz asiatische Sitte. Was hast du, Libyen und Europa, mit den sauberen Moden der Ringschule zu schaffen, für welche du kein passendes Gewand kennst! Denn in der Tat, was soll es hei_en, sich auf Griechenweise enthaaren, aber nicht sich wie die Griechen kleiden wollen?

Sein Äu_eres zu ändern, kommt in einem Falle sogar einem Vergehen nahe, wenn nämlich nicht blo_ mit |p22 der Mode, sondern mit dem Naturell eine Veränderung vorgenommen wird. Daran ist viel gelegen in Hinsicht auf die Ehre, welche der Zeit gebührt, und auf den religiösen Sinn. Die Mode soll der Zeit und die Natur Gott treu bleiben1).

Mithin hat der Held von Larissa2) an der Natureinrichtung gerüttelt, indem er sich in eine Jungfrau verkleidete, er, der mit dem Marke wilder Tiere gro_gezogen worden -- weshalb auch sein Name ein passender war --, da er keine Lippen hatte, um die Mutterbrust saugen zu können3); er, der bei seinem Erzieher, dem Bauernlümmel, dem Waldmenschen und Scheusal4) in der Steinschule unterrichtet wurde. Man könnte es sich schon gefallen lassen, wenn er zu der Zeit noch als Knabe die schützende Sorge der Mutter genossen hätte. Aber er war schon ein ziemlich borstiger Bursche, hatte sicher schon heimlich an irgend einer Person seine Mannheit erprobt und lä_t sich doch noch in ein Weiberkleid hüllen, das Haar kräuseln, die Haut schminken, den Spiegel vorhalten und den Hals schmücken, hat auch nach Weiberart das Ohrläppchen durchbohrt, wie sein in Sigeum befindliches Brustbild es noch zeigt. Später wurde er allerdings ein Krieger; denn die Notwendigkeit gab ihm sein Geschlecht wieder zurück. Die Schlacht ertönte und Waffen waren in der Nähe. "Das Schwert selbst schon", hei_t es von ihm, "zieht den Mann an"5). Wenn er aber trotz solchen Reizmittels ein Mädchen geblieben wäre, dann hätte er auch einen Mann nehmen können. Siehe da, das ist also die Veränderung! Er ist ein ungeheuerliches Doppelwesen, aus einem Mann wird er ein Weib, aus dem Weibe hernach wieder ein Mann, während doch entweder die |p23 Wirklichkeit niemals abgeleugnet oder die Lüge niemals hätte eingestanden werden dürfen. Beide Arten, sein Äu_eres zu verändern, sind sittlich schlecht, die eine ist gegen die Natur gerichtet, die andere nicht heilsam.

Schändlicher noch ist es, wenn aus Wollust die Zierde des Mannes umgestaltet wird, als wenn es die ängstliche Besorgnis einer Mutter tut. Trotzdem wird er von Euch angebetet, der bekannte Keulen-, Pfeil- und Fellträger1), über den man vielmehr erröten sollte, der seinen ganzen Schmuck, der ihm doch sein Epitheton verschafft hatte, für ein Weiberkleid hingab. So viel durfte sich die lydische heimliche Zuhälterin erlauben, da_ Herkules in der Omphale und Omphale im Herkules prostituiert wurde. Wo bleiben nun Diomedes und seine blutigen Pferdekrippen? Wo Busiris und seine einem Leichenverbrennungsplatz gleichenden Altäre? Wo der dreiköpfige Geryon? Es wäre seiner Keule lieber gewesen, vom Gehirn der Genannten zu stinken, als durch den Geruch der Pomaden beleidigt zu werden. Das alte Blut der Hydra und der Centauren, das noch an den Pfeilen klebte, wurde mit dem zum Glätten des Haarpfeiles dienenden Bimstein entfernt. Die Weichlichkeit wurde so ausgelassen, da_ die Pfeile, nachdem sie zum.Durchbohren von Ungeheuern gedient, vielleicht zum Verfertigen von Kränzen gebraucht wurden2). Ein nüchternes Weib oder Mädchen würde auch das abgezogene Fell einer solchen Bestie3) nicht auf ihren Schultern haben leiden können, wenn es nicht vorher erst lange Zeit hindurch aufgeweicht und von seiner Steifheit und seinem Gestanke befreit worden wäre. Dies ist bei Omphale, wie ich. hoffe, mit Balsam und Haaröl geschehen und die Mähnen wurden, glaube ich, mit dem Kamme bearbeitet, sonst hätte es dem zarten Nacken |p24 Löwenentzündungen1) gerieben. Der gähnende Rachenwurde mit Haaren ausgefüllt, die Backenzähne unter den Seitenlöckchen versteckt. Das so ganz geschändete Maul hätte gebrüllt, wenn es gekonnt hätte. Nemea2) wenigstens, wenn es einen Genius des Ortes dort gibt, hat sicherlich geseufzt; denn da sah es endlich ein, da_ es seinen Löwen quitt war. Welche Figur Herkules im seidenen Kleide der Omphale spielte, davon hat schon die in der Löwenhaut des Herkules abgebildete Omphale eine Beschreibung geliefert.

Auch der, welcher durch seine Kunst nach Tirynth gekommen war, der Faustkämpfer Cleomachus3), unter und über der Haut verhauen, so da_ er in den "Walkern" des Novius4) schon einen Kranz verdient hätte und mit Recht von Lenlulus, dem Verfasser der Schwanke, in den "Katanensern" erwähnt wird -- als dieser Cleomachus sich nach den Olympischen Spielen5) aus einem Mann in ein Weib verweichlichte, hat er dieblauen Flecke der Cästushiebe mit Armbändern zugedeckt und ebenso seine rauhe Pferdedecke durch ein feingewebtes Festgewand ersetzt. Von Physcon und Sardanapal mu_ man schweigen; denn wenn sie nicht in der Wollust gro_ gewesen wären, in ihrer Eigenschaft als Könige würde sie niemand kennen. Man mu_ von ihnen schweigen, sonst würden sie als Entgegnung etwas, über gewisse von Euren Kaisern, die ebenso schamlos ausgelassen waren, hermurmeln, um es nicht etwa einer zynischen Frechheit zuzuschreiben, einen Menschen zum Kaiser zu ernennen, der geiler als Physcon und weichlicher als Sardanapal war, und dazu noch ein halber Nero6). |p25 

Ebenso wirksam in bezug auf Veränderung der Anzüge, ohne da_ das männliche Geschlecht dabei aufgegeben würde, ist auch der Einflu_ eitler Ruhmsucht. Jeder Affekt besteht in Hitze, wenn er aber zur Affektation angefacht wird, so wird er sogleich durch den entzündenden Ehrgeiz zur förmlichen Glut. Es gibt also einen gro_en König -- er war nur kleiner als sein Ehrgeiz -- einen König, in welchem dieser Zunder zur Flamme wurde1). Er hatte das Volk der Meder besiegt und wurde besiegt durch das Gewand der Meder, Den sieghaften Schuppenpanzer legte er ab und starb in der Sarabara der Besiegten2); seine mit den Abdrücken der Schuppen gezeichnete Brust entblö_te er, indem er sie mit einem halbdurchsichtigen Gewebe bedeckte, und da sie noch von den Beschwerden des Feldzugs keuchte, erdrückte er sie gleichsam mit weichlich wallendem Seidengewande. Dieser Mazedonier war noch nicht hinlänglich im Geiste aufgebläht, darum hatte er sein Ergötzen an einem noch aufgeblasenem Gewände.

Die Philosophen freilich lieben auch, wie ich glaube, dergleichen Dinge. Ich höre nämlich, da_ man im Purpur philosophiert habe3). Wenn man in Purpur den Philosophen spielt, warum nicht auch in der einfachen Sandale? Denn tyrische Fu_bekleidung zu tragen ohne Gold hei_t noch keineswegs gräzisieren. Man wird sagen: Ein anderer aber ging in Seide und mit eisenbeschlagenen griechischen Schuhen einher. Mit Recht ging er, um im Bacchanten-Anzüge etwas zu klingeln, mit der Schelle einher. Hätte damals Diogenes schon aus seinem Fasse herausgekläfft, so würde er den Empedokles nicht blo_ mit seinen kotigen Fü_en, womit die Sofas des Plato Bekanntschaft machten, getreten4), sondern überhaupt den ganzen Kerl in die unnahbaren Heiligtümer der Kloakengöttinnen befördert haben, damit er, der faselte, ein Himmelsbewohner zu |p26 sein, erst seine Schwestern und dann als Gott die Menschen begrü_e.



Solche Leute also, welche naturgemä_e und wohlanständige Trachten ändern, verdienten es, da_ man sie mit scharfem Blick fixiere, mit dem Finger auf sie wiese und den Kopf schüttelte1). Und wenn einer sein üppiges Kleid aber gar in der weibischen Art eines Menander am Boden schleift, der sollte zu hören bekommen, was der Komiker sagt: "Welch schönes Gewand richtet dieser verrückte Mensch zugrunde". Freilich, nachdem es mit dem Stirnrunzeln und mit dem verweisenden Blick des Zensors schon lange nichts mehr ist, begegnen uns allerwärts Freigelassene in Ritterkleidung; lahm geprügelte Sklaven sind gekleidet wie Gentlemen, Kriegsgefangene wie freie Leute, Bauernlümmel wie Stadtherren, Possenrei_er wie Amtleute, Zivilisten wie Soldaten. Der nächtliche Totenverscharrer, der Hurenwirt und der Gladiator, sie ziehen sich an wie Du.

Wende Dich nun auch zu den Frauen! Da kannst Du sehen, was Caecina Severus dem Senate vorrückte, da_ Matronen ohne Obergewand ausgehen2). Nach den Beschlu_ des Augurn Lentulus traf denn auch die Personen, welche sich so weit weggeworfen hatten, die Strafe der Hurerei, weil die Tracht den Ausdruck und den Schutz der weiblichen Würde bildet und einige das Obergewand als hinderlich beim Betreiben von Buhlschaften mit Flei_ abgelegt hatten3). In jetziger Zeit hingegen üben die Weiber gegen sich selber Buhlschaft und haben, um besser zugänglich zu sein, sowohl dem Obergewand als der Obertunika, dem Kopfputz und der Haube Feindschaft geschworen, ja sogar auch den Sänften und Tragstühlen, deren sie sich beim Ausgehen |p27 sowohl als auch zu Hause und insgeheim bedienten. Der eine löscht sein Licht aus, der andere steckt eins an, das flicht ihm gehört. Wirf einen Blick auf die Metzen, die käuflichen Gegenstände der öffentlichen Lust, ja sogar auf die ärgsten Dirnen, Trotzdem da_ es vorzuziehen ist, dfe Augen von diesen Greueln der öffentlichen Abschlachtung von Zucht und Sitte abzuwenden, blicke nur dreist hin; Du wirst Matronen zu sehen glauben!1) Und wenn die Aufseherinnen der Latrinen ein seidenes Gewand in der Luft flattern lassen, und wenn sie ihren Hals, der noch unreiner ist als ihr Aufenthaltsort, mit; Halsketten schmücken, wenn sie ihre mit Schamlosigkeiten aller Art vertrauten Hände in Armbänder zwängen, welche selbst Matronen als Präsente tapferer Helden nur mit Scheu anlegen würden, wenn sie ihren unreinen Knöcheln die wei_en oder roten Halbstiefelchen von Saffian anlegen, warum sollte man von diesen Dingen oder diesen Anzügen den Blick wegwenden, die zugunsten ihrer Neumodigkeit lügenhafter Weise den Schutz der Religion in Anspruch nehmen? Durch ihren ganz wei_en Anzug, durch das Abzeichen einer Kopfbinde and durch das Vorrecht des Hutes sind sie ja der Ceres geweiht; wie man durch die gegenteilige2) Neigung für das düstere Gewand und das dunkle Vlie_ auf dem Kopfe im Tempel der Bellona in Raserei gerät; wie man durch den Prunk eines breitern Purpurstreifens am Gewande und das darüber getragene galatische Rot an den Saturn erinnert und eben das Pallium, wovon wir reden, in dieser Art, nur ungraziöser geordnet, mit Schuhen nach griechischer Mode, den Aeskulapius ehrt. Um wieviel mehr solltest Du jene Art von Pallium nun zum Gegenstand Deiner Anklage machen und es mit Deinen Blicken verfolgen, da es, obwohl einfach und ungekünstelt, des Aberglaubens schuldig ist! In der Tat, da da» Pallium nun zum ersten Male dieser Weisheit3), |p28 welche dem so törichten Aberglauben widerstrebt, als Kleid dient, so ist es ein über alle Waffenrüstungen und Göttergewänder erhabenes Kleid und ein über die heiligen Alützen und Kopfzierden gehender priesterlicher Schmuck, Senke Dein Auge und ehre die Tracht, durch welche vorläufig blo_ einer Deiner Irrtümer seine Abweisung erfährt!

5. Und doch rufst Du: "Also von der Toga zum Pallium!" Wie denn, wenn es hie_e, vom Diadem oder vom Szepter zum Pallium? Oder war die Veränderung, welche Anacharsis vornahm, da er es vorzog, Philosoph zu sein, statt Scythien zu regieren, etwa eine andere? Doch geben wir zu, da_ keine Anzeichen einer Hinwendung zum Bessern vorhanden seien, so ist das Gewand selbst die bewirkende Ursache einer solchen. -- Vorerst, was sein blo_es Anlegen betrifft, so ist es frei von Unannehmlichkeiten. Denn man bedarf dazu keines Künstlers, der es am Tage vorher von oben an in kleine Falten legt, diese bis zu den gro_en Längsfalten1) herunterführt und dann das ganze künstliche Gebilde des eingezogenen Ellbogens2) mittels zusammenhaltender Spangen zurechtlegt. Am ändern Morgen wird dann die Tunika durch den Gürtel aufgeschürzt -- die man hätte doch lieber gleich knapper anfertigen sollen -- der Ellbogenbausch wird noch einmal gemustert und, wenn er etwas aus der Lage gekommen, wieder zurecht gerückt. Einen Teil lä_t er für die linke Seite übrig, den Au_enteil aber, woraus der Busen gebildet wird, wo schon keine Längsfalten mehr sind, zieht er von den Schultern zurück und häuft ihn mit Ausschlu_ der rechten über die linke, verleiht nun auch dem Rücken der Länge nach ein anderes ähnliches Faltenwerk und legt auf diese Weise dem Menschen in seiner Kleidung eine |p29 förmliche Last an. Ich will Dich schlie_lich einmal aufs Gewissen fragen, wofür Du Dich, wenn Du in der Toga steckst, eher zu halten geneigt bist, ob für einen bekleideten oder für einen bepackten Menschen? Für einen geputzten Mann oder einen Lastträger? Wenn Du nein sagst, so werde ich Dich nach Hause begleiten und sehen, was Du -- eben über die Schwelle getreten -- so eilig tust. Man gratuliert sich fürwahr bei keinem ändern Kleide zum Ablegen wie bei der Toga. Von den Schuhen sagen wir nichts, dieser zur Toga zugehörigen Plage, der höchst unsauberen, aber zugleich auch nutzlosen Bedeckung der Fü_e1). Denn wem würde es nicht zuträglicher sein, als Barfü_er bei Hitze und Kälte steif zu werden, als sich die Fü_e in Schuhe einschnüren zu lassen. Für eine gewaltige Erleichterung beim Gehen haben die venetianischen Schuhfabriken gesorgt mit ihren weibisch-weichlichen Stiefeletten.

Nichts ist dagegen bequemer als das Pallium, wenn es auch das doppelte des Krates wäre. Das Ankleiden ist niemals mit Zeitverlust verbunden. Denn die ganze Arbeit, die man damit hat, besteht in einem zwanglosen Sichbedecken, Dies kann man mit einem einmaligen Umwerfen erreichen, und zwar braucht es niemals gewaltsam zu geschehen. So umhüllt es den ganzen Menschen auf einmal. Was die Umhüllung der Schulter angeht, so gibt es dieselbe frei oder umschlie_t sie. Was das übrige betrifft, so sitzt es an der Schulter fest, es braucht nicht gehalten zu werden, es schnürt niemals «in, es macht keine Mühe wegen der Bewahrung der Längsfalten, es lä_t sich leicht in Ordnung halten und leicht wieder in Ordnung bringen; auch wird es, wenn man es ablegt, nicht etwa einer Stellage für den morgigen Tag anvertraut. Wenn man noch ein Hemd darunter an hat, so ist man frei von der Plage des Gürtels; wenn eine Fu_bekleidung dazu angezogen wird2), so ist |p30 das ein sehr reinliches Wesen. Oder die Fü_e bleiben lieber nackt; dann erscheinen sie gewi_ mannhafter als in Schuhen. So viel vorläufig zugunsten des Palliums, inwiefern Du es hinsichtlich seines Namens und Wesens geschmäht hast1).

Nunmehr legt es aber auch hinsichtlich seiner Obliegenheiten Berufung ein. "Ich habe", sagt es, "keine Verpflichtungen für das Forum, keine für das Marsfeld and die Ratsversammlung, ich brauche zu keinem Dienst früh aufzustehen2), zu keiner Rednerbühne dränge ich mich hinzu, nach keinem prätorischen Amthause habe ich mich zu richten, in die Kanäle habe ich meine Nase sieht zu stecken3), die Gerichtsschranken betrete ich sieht4), die Richterbänke beschwere ich nicht, das Recht verwirre ich nicht. Proze_reden belfere ich nicht herunter; ich bin nicht Richter, nicht Soldat, nicht Regierungsbeamter. Ich bin aus dem Volke ausgeschieden und habe nur ganz allein mit mir zu tun; ich bin nur dafür besorgt, da_ ich keine Sorgen habe. In der Zurückgezogenheit würdest auch Du Dein Leben besser genie_en als in Geschäftigkeit. Aber Du verschreist das als schlaffe Untätigkeit; denn natürlich, man mu_ dem Vaterlande, dem Reiche und dem Erwerbe leben. Das war früher die herrschende Ansicht. Allein es wird niemand für einen ändern geboreil, da man nur für sich selbst stirbt. Wenigstens, wenn die Rede auf Leute wie Epikur und Zeno kommt, so nennt man diese ganze Lehrkörperschaft der Geschäftslosigkeit, welche im Namen der höchsten und einzigen Lust das Nichtstun für heilig erklärt hat, weise Männer.

Doch es wird mir fast auf gleiche Weise gestattet sein, mich öffentlich zu zeigen. Ich pflege an jeder Schwelle und bei jedem Hausaltar zu stehen und Heilmittel für die Sittlichkeit anzugeben, welche den |p31 Staaten, den Städten, den Ländern mit mehr Erfolg die Gesundheit verschaffen würden, als Deine Anstrengungen. Denn, wenn ich zu scharfen Waffen gegen Dich greifen wollte, so haben die Togen des Friedens dem Staater mehr geschadet als die Panzer des Krieges. Ich aber beschönige keinen Fehler, schone keines alten Unrats and keines Aussatzes. Ich setze das Brenneisen an die Art des Ehrgeizes, womit M. Tullius eine runde Tischplatte von Citrusholz um 500 000 Sesterzen erwarb, und Asinius Gallus für einen ebensolchen mauretanischen Tisch noch zweimal so viel bezahlte. Hm! Einem anständigen Vermögen haben sie die Masern des Holzes gleich geschätztl Und wie bringt Sulla seine hundertpfundigen Silberschüsseln vom Fleck? Ich befürchte in der Tat, da_ dieses Gewicht noch klein erscheine, da Drusillanus -- er war der Sklave des Claudius -- einen Tafelaufsatz von 500 Pfund erbaute; er war für die eben beschriebenen Tische so vielleicht nötig, und wenn man für ihn eine eigene Werkstätte errichten mu_te, dann vielleicht auch einen besonderen Speisesaal. Ebenso setze ich meine Lanzette auch an die Grausamkeit, womit Vedius Pollio seinen Muränen Sklaven zum Frä_e vorwarf. Indem er an der ganz neumodischen Grausamkeit und zwar eines zahnlosen, krallen- und hörnerlosen Landtieres1) Gefallen fand, hatte er die Liebhaberei, aus Fischen wilde Tiere zu machen; denn sie sollten sofort gegessen werden, damit er selber in ihren Eingeweiden noch etwas von den Körpern seiner Sklaven genie_e. Beseitigen werde ich jene Art der Leckerhaftigkeit, infolge deren der Redner Hortensius der erste war, der den Pfau zu schlachten und zu essen imstande war, infolge deren Aufidius Lurco als der erste den Körper dieses Tieres durch Mästung entstellte und durch eingezwungene Nahrung zu einem unechten Wohlgeschmacke präparierte, infolge deren Asinius Celer für Seebarben zu einer einzigen Mahlzeit 6000 Sesterzen bot, der Schauspieler Aesopus aus Vögeln von  |p32 derselben Kostbarkeit, da sie nämlich die besten und flei_igsten Singvögel sind, eine Schüssel von 100 000 in Vorrat hatte, und sein Sohn selbst nach einer solchen Delikatesse einen noch kostspieligem Appetit zu haben vermochte. Er schlürfte nämlich Perlen, deren Name schon an Kostbarkeiten erinnert, vermutlich, um nicht lumpiger als sein Vater gespeist zu haben. Von Leuten wie Nero, Apicius und Rüfus1) schweige ich lieber. Ich werde ein Mittel geben gegen die Unlauterkeit des Scaurus, die Spielsucht des Curius und die Trunksucht des Antonius.

Und vergi_ nicht, da_ dieses vorläufig nur wenige sind von den vielen, die mit der Toga bekleidet waren. Im Pallium gibt es derartige Leute so leicht nicht. Wer wird diese Krankheitsstoffe des Staates ableiten und auseitern machen, wenn nicht die Predigt des Palliums?

6. Mit Worten, als dem vernünftigsten Mittel, hei_t es, hast du mich überzeugt. -- Aber auch wenn die Stimme ruht, sei es durch Mangel an Reife versagend, sei es durch Befangenheit zurückgehalten, -- denn es gibt auch eine Philosophie ohne Worte, die sich mit dem Lebenswandel begnügt -- dann spricht der Anzug selbst. Dann findet der Philosoph überhaupt Gehör, wenn er gesehen wird. Durch eine blo_e Begegnung beschäme ich die Laster. Wer wird nicht, wenn er seinen Gegner sieht, unangenehm berührt? Wer kann den Anblick dessen ertragen, an den zu denken er nicht ertragen kann? Das ist gerade die gro_e Wohltat des Palliums, da_ schon beim Gedanken daran die Immoralität errötet. Die Philosophie mag nun sehen, was sie uns hilft! Sie ist es nämlich nicht allein, die es mit mir hält. Ich habe auch noch andere Fertigkeiten in meinem Besitz, die im Leben Nutzen gewähren2). In mich kleidet sich der erste Elementarlehrer, der erste Sprachlehrer, der erste Rechenlehrer, der Grammatiker, der Rhetor und |p33 der Sophist1), aber auch der Arzt, der Dichter, der Chordirigent2), der Sterndeuter, der den Vogelflug beobachtet; alles was wissenschaftlichen Bestrebungen obliegt, kleidet sich in meine vier Zipfel. "Also doch geringer als die römischen Ritter." -- Freilich, aber auch der Fechtmeister und das ganze Gladiatorenpack stolziert ja in der Toga umher. Das hat es in Wirklichkeit mit deinem unwilligen Ausruf: "Von der Toga zum Pallium" auf sich.

Ich dagegen halte es nun auch mit jener bekannten Philosophenschule Gottes und ihrer Sittenlehre. Freue dich Pallium und frohlockel Eine bessere Philosophie hat dich nunmehr ihrer gewürdigt, seitdem du einen Christen zu bekleiden angefangen hast3).





Anmerkungen

p.12

1) Ich folge der Lesart: dividere expeditüm (so. erat) quadratae etc.

2) Utica. Dio Cass. 49, 10.

3) D. h. eine Kolonie von Tyriern.

4) In Sizilien verlie_ ihn 32 v. Chr. sein Heer, als Octavian ohne alle Begleitung in dessen Lager ging. Sentius Saturninus ward Konsul 19 v. Chr., 735 nach Gründung Roms. T. Statilius Taurus besetzte Lybien 36 v. Chr.

p. 13

1) Tabulatio sind die Längsfalten, im Unterschied zu den Querfalten des sinus.

2) Verstehe: das Pallium wie es Tertullian trug, welches viereckig war

3) Studiis asperrima belli. Worte Vergils, Aen. I. 14.

4) Mimendichter zur Zeit Cäsars.

5) Vers Vergils, Aen. III. 415.



p. 14

1) Homer soll blind gewesen sein.



p. 15

1) Die Insel Atlantis.

2) Ich glaube, man mu_ an dieser Stelle solus in solum umändern. Solum audiebat entspricht dem Torangehenden frustra ager. Solum audiebat der Boden gehorehte, nämlich dem Anbauen.

p. 16

1) Welches durch Sandstürme in der Wüste verschüttet wurde. 

2) d. h. die schriftlichen historischen Nachrichten gehen nicht weiter als bis Ninus.

3) Nach der Lesart si demum intelligens.



p. 18

1) Ein Vers des Pacuvius (Tragödiendichter v. 220-geg. 130 v. Chr.).



p. 19

1) Alexander Polyhistor, Freigelassener des Cornelius Lentulus, der seiner Mutter seine Schrift de rebus Aegyptiacis widmete.



p. 20

1) Die Steckmuschel, aus deren wolligen Fäden Handschuhe und andere Kleidungsstücke, aussehend wie schmutzig wei_e Seide, verfertigt wurden. Man nannte den Stoff πιννίχου ἐριον Steckmuschelwolle.

2) Die Netze mancher Spinnen sehen Sonnenuhren ähnlich.

3) Ich folge der Lesart alvo reddere nnd ergänze als Objekt aus dem vorigen Satze vestitum; animale aber nehme ich im Sinne Animalisch, aus dem Tierreiche.

4) Tertullian braucht dies Bild, wie gleich nachher das Bild, vom Bewohnen eines Hauses, von übermä_ig weiten Gewandformen.

p. 21

1) Cato trug zu Haus und auf dem Lande die Toga, ohne eine Tunica darunter anzuziehen, wodurch die nackte Schulter zum Vorschein kam. So gekleidet ging er auch in die Stadt, um Recht zu sprechen. Vgl. öhlers Anmerkung zu dieser Stelle.

2) Zum Ackerbau.

3) Spielt auf die Gewohnheit der Gigerl des Altertums an, sich an den genannten Stellen des Körpers die Haare vermittelst einer Pechkugel oder Pinzette ausziehen zu lassen.



p. 22

1) Das hei_t, es soll sich jeder seinem Alter und Geschlecht entsprechend kleiden, also nicht die Schranken der Zeit und Natur niederrei_en.

2) Achilles.

3) Achilles wird abgeleitet von a priv. und χειλος ohne Lippen.

4) Dem Centauren Chiron.

5) Homer. Odyss., 16, 294.



p. 23

1) Scytalosagittipelliger, ein komisch schwerfälliges, von Tertullian eigens fabriziertes Wort.

2) Es wird damit angespielt entweder auf die Corona radialis oder besser Sutilis der Alten. Letztere bestand aus Blumen, ohne Stiele welche mit Nadeln zusammengehalten wurden. Vgl. Rich s. v. Corona.

3) Das Löwenfell des Herkules.



p. 24

1) Das Original hat hier den sehr gesuchten griechischen Ausdruck Sciria leonina; σκιρον ist eine Entzündung mit Geschwulst. Die ganze Darstellung ist lauter Ironie.

2) Wo der Löwe gelebt hatte.

3) Cleomachus, früher ein wackerer Paustkämpfer, ergab sich, später den Buhlschaften und einem weichlichen Leber. 

4) Ein Atellanendichter. 

5) Andere Lesart: Nachher zu Olympia. 

6) Tertullian meint hier den Domitian. Vgl. Apol. c. 5.

p. 25

1) Alexander der Grosse.

2) Das weite persische Beinkleid. 

3) Bezieht sich auf Aristipp, Hippias and Gorgias.

4) Öhler vermutet wohl mit Recht, da_ inculcasset oder insultasset ausgefallen sei.

p. 26

1) Das scheint also dem Tertullian in Karthago passiert zu sein.

2) Tgl. Tacitus Ann., III. 88.

3) Welche Klasse von Frauenspersonen man Frictrices (hier und De ressur. c. 16) nannte, steht nicht fest.   Was die Interpreten darunter verstanden wissen wollen, scheint nicht hierher zu passen. Giftbereiterinnen können es nicht gewesen sein, sondern eine öffentlich kenntliche Klasse von schlechten Frauensperson.



p. 27

1) So anständig sind sie gekleidet.

2) Der Kultus der Ceres hatte einen freudigen, der der Beilona einen düstern Charakter. Die Bellonarii gebärdeten sich bei ihren Funktionen wie Basende.

3) Dem Christentum. Salmasius bezieht es ganz verkehrt auf Tertullians Priestertum. Eine eigene Priestertracht gab es damals nicht.



p. 28

1) Die richtige Lesart ist ohne Zweifel in tabnlas. Tabulae _iud die gro_en Längsfalten, welche einem Bretterbau, contabulatio, ähnlich sehen.

2) Des rechten Arms, der nämlich im künstlich gefalteten und über die linke Schulter geschlagenen Ende der Toga ruhte.

p. 29

1) Zur Toga gehörten die calcei Schuhe welche man im Hause nicht trug.

2) In diesem Falle sind es dann blo_e Sandalen, keine hohen Schuhe, wie bei der Toga.

p. 30

1) Das auffallende und unerklärliche comitiasti ist vielleicht zu lesen conviciasti, als Nebenform von convicior. 

2) Als Klient bei einem Patron.

3) Wie die Ädilen.

4) Adoro will nicht recht passen. Ich vermute adorio, altertümliche Nebenform für adorior.

p. 31

1) Ich folge an dieser schwierigen und dunkeln Stelle der Lesart delectatus terrenae bestiae et edentulae et exunguis et excornis.



p. 32

1) Er soll Störche gespeist haben.

2) Tertullian lä_t hier das Pallium sich rühmen, da_ es die gewöhnliche Tracht derer sei, die geistigen Bestrebungen obliegen.

p. 33

1) Diese Stelle ist für die Entwicklung des Unterrichtswesens bei den Römern von einiger Bedeutung. Der niedere Unterricht wurde in den ältesten Zeiten bekanntlich erteilt von Grammatikern, dann folgte der Rhetor und Dialektiker, hier Sophist genannt. Später hatte man für das Lesen und Schreiben einen besonderen Lehrer, den Grammatisten lat. Literator, oder man verwendete auch den sog. Paedagogus dazu, was Quintilian jedoch nicht billigt. Hier sind noch drei niedere Stufen vor dem Grammatiker eingeschoben. Im übrigen ist in betreff der formalen Seite des Unterrichts bei den Alten zu vergleichen: O. Willmann, Didaktik 2. Aufl. I 180-194 und Blümner, Römische Privataltertümer, München 1911 S. 312-360.

2) Qui musicam pulsat, wörtlich: der den Takt schlägt.

3) Es ist unverkennbar, da_ Tertullian, der durch Ablegung der Toga und Gebrauch des Pallium in Karthago Aufsehen er regte, kurz vorher Christ geworden ist. Das geht aus diesen Schlu_worten klar und deutlich hervor.







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