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Karl Marx, Friedrich Engels
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intensiverer Kultur, unerhörter Akkumulation des dem Boden einverleibten und des seiner Bearbeitung
gewidmeten Kapitals, Steigerung des Bodenprodukts ohne Parallele in der Geschichte der englischen
Agronomie, strotzenden Rentrollen der Grundeigentümer und schwellendem Reichtum der kapitalisti-
schen Pächter. Nimmt man dies zusammen mit der ununterbrochnen raschen Erweiterung des städtischen
Absatzmarkts und der Herrschaft des Freihandels, so war der Landarbeiter post tot discrimina rerum
endlich in Verhältnisse gestellt, die ihn, secundum artem Regeln der Kunst nach> glückstoll machen mußten.
<707> Professor Rogers gelangt dagegen zum Resultat, daß der englische Landarbeiter heutigentags, gar
nicht zu sprechen von seinem Vorgänger in der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts und im 15. Jahrhun-
dert, sondern nur verglichen mit seinem Vorgänger aus der Periode 1770-1780, seine Lage außerordent-
lich verschlechtert hat, daß "er wieder ein Leibeigner geworden ist", und zwar schlecht gefütterter und
behauster Leibeigner. Dr. Julian Hunter, in seinem epochemachenden Bericht über die Wohnlichkeit der
Landarbeiter, sagt:
"Die Existenzkosten des hind" (der Zeit der Leibeigenschaft angehöriger Name für den Landarbeiter)
"sind fixiert zu dem möglichst niedrigen Betrag, womit er leben kann ... sein Lehn und Obdach sind nicht
berechnet auf den aus ihm herauszuschlagenden Profit. Er ist eine Null in den Berechnungen des Pächters
... Seine Subsistenzmittel werden stets als eine fixe Quantität behandelt." "Was irgendeine weitere Re-
duktion seines Einkommens angeht, so kann er sagen: nihil habeo, nihil curo
kümmert nichts>. Er hat keine Furcht für die Zukunft, weil er über nichts verfügt außer dem, was zu sei-
ner Existenz absolut unentbehrlich ist. Er hat den Gefrierpunkt erreicht, von dem die Berechnungen des
Pächters als Datum ausgehn. Komme, was wolle, er hat keinen Anteil an Glück oder Unglück."
Im Jahre 1863 fand eine offizielle Untersuchung über die Verpflegungs- und Beschäftigungszustände der
zu Transportation und öffentlicher Zwangsarbeit verurteilten Verbrecher statt. Die Resultate sind in zwei
dickleibigen Blaubüchern niedergelegt.
"Eine sorgfältige Vergleichung", heißt es unter anderem, "zwischen der Diät der Verbrecher in den Ge-
fängnissen von England und der der Paupers in Workhouses und der freien Landarbeiter desselben Lan-
des zeigt unstreitig, daß die erstem viel besser <708> genährt sind als irgendeine der beiden andren Klas-
sen" während "die Arbeitsmasse, die von einem zu öffentlicher Zwangsarbeit Verurteilten verlangt wird,
ungefähr die Hälfte der vom gewöhnlichen Landarbeiter verrichteten beträgt."
Einige wenige charakteristische Zeugenaussagen: John Smith, Direktor des Gefängnisses zu Edinburgh,
verhört.
Nr. 5056: "Die Diät in den englischen Gefängnissen ist viel besser als die der gewöhnlichen Landarbei-
ter." Nr. 5057: "Es ist Tatsache, daß die gewöhnlichen Agrikulturarbeiter Schottlands sehr selten irgend-
welches Fleisch erhalten." Nr. 3047: "Kennen Sie irgendeinen Grund für die Notwendigkeit, die Verbre-
cher viel besser (much better) zu nähren als gewöhnliche Landarbeiter? – Sicher nicht." Nr. 3048: "Halten
Sie es für angemessen, weitere Experimente zu machen, um die Diät zu öffentlichen Zwangsarbeiten ver-
urteilter Gefangenen der Diät freier Landarbeiter nahe zu bringen?" "Der Landarbeiter", heißt es, "könnte
sagen: Ich arbeite hart und habe nicht genug zu essen. Als ich im Gefängnis war, arbeitete ich nicht so
hart und hatte Essen in Fülle, und darum ist es besser für mich, im Gefängnis als im Freien zu sein."
Aus den dem ersten Band des Berichts angehängten Tabellen ist eine vergleichende Übersicht zusam-
mengestellt.
Wöchentlicher Nahrungsbetrag
Stickstoff-
haltige
Stickstoff-
reie Be-
Minerali-
sche Be-
standteile
Gesamt-
summe
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Karl Marx, Friedrich Engels
460
Be-
standteile
standteile
Unzen
Unzen
Unzen
Unzen
Verbrecher im Gefängnis
von Portland
28,95
150,06
4,68
183,69
Matrose in der königl. Ma-
rine
29,63
152,91
4,52
187,06
Soldat
25,55
114,49
3,94
143,98
Kutschenmacher (Arbeiter)
24,53
162,06
4,23
190,82
Setzer
21,24
100,83
3,12
125,19
Landarbeiter
17,73
118,06
3,29
139,08
Das allgemeine Resultat der ärztlichen Untersuchungskommission von 1863 über den Nahrungszustand
der schlechter genährten Volksklassen ist dem Leser bereits bekannt. Er erinnert sich, daß die Diät eines
großen Teils der Landarbeiterfamilien unter dem Minimalmaß "zur Abwehr von Hunger- <709> krank-
heiten" steht. Es ist dies namentlich der Fall in allen rein agrikolen Distrikten von Cornwall, Devon, So-
merset, Wilts, Stafford, Oxford, Berks und Herts.
"Die Nahrung, die der Landarbeiter erhält", sagt Dr. Smith, "ist größer, als das Durchschnittsquantum
anzeigt, da er selbst einen viel größeren, für seine Arbeit unentbehrlichen Teil der Lebensmittel erhält als
seine übrigen Familienglieder, in den ärmeren Distrikten fast alles Fleisch oder Speck. Das Quantum
Nahrung, das der Frau zufällt und ebenso den Kindern in ihrer Periode raschen Wachstums, ist in vielen
Fällen, und zwar in fast allen Grafschaften, mangelhaft, hauptsächlich an Stickstoff."
Die bei den Pächtern selbst wohnenden Knechte und Mägde werden reichlich genährt. Ihre Zahl fiel von
288.277 im Jahre 1851 auf 204.962 im Jahr 1861.
"Die Arbeit der Weiber auf freiem Feld", sagt Dr. Smith, "von welchen sonstigen Nachteilen auch immer
begleitet, ist unter gegenwärtigen Umständen von großem Vorteil für die Familie, denn sie liefert dersel-
ben Mittel für Beschuhung, Kleidung, Zahlung der Hausrente, und befähigt sie so, besser zu essen."
Eins der merkwürdigsten Resultate dieser Untersuchung war, daß der Landarbeiter in England bei weitem
schlechter genährt ist als in den andren Teilen des Vereinigten Königreichs ("is considerably the worst
fed"), wie die Tabelle zeigt.
Wöchentlicher Konsum von Kohlenstoff und Stickstoff durch den ländlichen Durchschnittsarbeiter
Kohlenstoff
Stickstoff
Gran
Gran
England
40.673
1.594
Wales
48.354
2.031
Schottland
48.980
2.348
Irland
43.366
2.434
<710> "Jede Seite von Dr. Hunters Bericht", sagt Dr. Simon in seinem offiziellen Gesundheitsbericht,
"gibt Zeugnis von der unzureichenden Quantität und elenden Qualität der Wohnlichkeit unsres Landar-
beiters. Und seit vielen Jahren hat sich sein Zustand progressiv in dieser Hinsicht verschlechtert. Es ist
jetzt viel schwerer für ihn, Hausraum zu finden, und, wenn gefunden, ist er seinen Bedürfnissen viel we-
niger entsprechend, als vielleicht seit Jahrhunderten der Fall war. Besonders innerhalb der letzten 30 oder
20 Jahre ist das Übel in raschem Wachstum begriffen, und die Wohnlichkeitsverhältnisse des Landmanns
sind jetzt im höchsten Grad kläglich. Außer soweit diejenigen, die seine Arbeit bereichert, es der Mühe
wert halten, ihn mit einer Art von mitleidiger Nachsicht zu behandeln, ist er ganz hilflos in der Sache. Ob
er Behausung findet auf dem Land, welches er bebaut, ob sie menschlich oder schweinisch ist, ob mit