Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/133 16. Wahlperiode 25. 01. 2017 133. Sitzung



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Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit, Herr Kollege.

Frank Herrmann (PIRATEN): Ich weiß, ich komme zum Schluss.

Auch diese müssen sich auf die Umsetzung einrichten und je nachdem, wann das Verfassungsgericht urteilt, ihre Arbeit einstellen. Die Verunsicherung ist schon jetzt groß. Deshalb unterstützen Sie unseren Antrag und setzen Sie sich für das Umsetzungsmoratorium ein!



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Jetzt kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Frank Herrmann (PIRATEN): Weder die Wirtschaft noch die Freifunkinitiativen im Land sollten wegen unsinniger Bundesgesetze zu Schaden kommen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank. – Der nächste Redner ist für die SPD-Fraktion Herr Kollege Stotko.

Thomas Stotko (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heute zu beratende Antrag zum Thema „Höchstspeicherdauer in Großbritannien und Schweden“ und den dazu ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs wird auf Wunsch von Ihnen, der Piratenfraktion, direkt abgestimmt, also ohne dass die Möglichkeit einer größeren inhaltlichen und breiten Diskussion besteht. Das erstaunt ein wenig, so will ich es deutlich formulieren.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das ist ein Zeitproblem!)

Ich finde, dass man das, was Sie da aufgeschrieben haben, zumindest einmal in Ruhe diskutieren könnte. Diese Gelegenheit wollen Sie uns aber nicht geben, sondern Sie wollen, dass wir das Ganze heute im 5-Minuten-Rhythmus abhandeln. Dann machen wir das eben auch.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wir haben die Zeit nicht!)

Ich finde es jedenfalls sehr schade.

In Ihrem Antrag fordern Sie in einem Landesparlament ein Moratorium für die Umsetzung in ganz Deutschland. Dazu will ich jetzt gar nichts sagen. Es ist ja manchmal so, dass die Piraten in NRW gerne etwas versuchen, weil sie nicht im Bundestag sitzen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Bundesratsinitiative! Steht drin! – Marc Olejak [PIRATEN]: Fragen Sie Herrn Lersch-Mense! Der weiß, wie das geht!)

Aber Sie zitieren in Ihrem Antrag, Herr Kollege Herrmann, und alle, die das jetzt ganz doof finden, eine Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs. Vielleicht war Ihnen der Text der Entscheidung einfach zu lang. Als klar war, dass ich zu diesem Punkt reden muss, habe ich mir jedenfalls die Mühe gemacht, die ganze Entscheidung durchzulesen.

Jetzt will ich Ihnen helfen: Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich sinngemäß aus dieser Entscheidung, weil ich keinen juristischen Diskurs abhalten will.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wir sind gespannt!)

Der EuGH sagt, dass EU-Recht einer nationalen Regelung entgegensteht, wenn die Formulierungen nicht auf schwere Straftaten beschränkt werden oder eine vorherige gerichtliche Kontrolle erfolgt. Da wäre es doch einfacher gewesen, Sie hätten festgestellt, dass wir in den deutschen Regelungen einen Richtervorbehalt haben, der zudem auf schwere Straftaten beschränkt ist. Der EuGH – so wie Sie die Pressemitteilung zitieren – sagt eben nicht nur, das dürfe man allgemein nicht.

Ich habe nicht umsonst gesagt, es wäre schöner gewesen, wir hätten darüber in Ruhe debattieren können. Dennoch will ich auf Sie zukommen und Ihnen klarmachen, dass die SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen erst einmal abwartet, wie die Bundesregierung die beiden Entscheidungen bewertet, die Großbritannien und Schweden betrafen, und ob man in der Bundesregierung der Auffassung ist, es gebe in Deutschland entweder einen Nachbesserungsbedarf oder einen Bedarf, das Ganze vollständig abzuschaffen – aus welchen Gründen auch immer.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Letzteres!)

Diesen Handlungsnotwendigkeiten werden wir in Nordrhein-Westfalen nicht im Wege stehen, aber Ihre in diesem Antrag formulierte undifferenzierte Einschätzung zu diesen beiden Entscheidungen können wir leider nicht mittragen.

Ein weiterer Grund, weshalb ich auf Sie zugehen will und warum ich eine Diskussion im Innenausschuss schöner gefunden hätte, ist Ihre Formulierung zum Thema „Freifunkinitiative“. Losgelöst von der EuGH-Entscheidung – davon hängt das, was Sie sagen, ja gar nicht ab; die sind von Beginn an verpflichtet, das zu tun; damit hat die EuGH-Entscheidung nichts zu tun – möchte ich für meine Fraktion, sondern insbesondere auch für unseren medienpolitischen Sprecher Alexander Vogt betonen, dass uns die Arbeit und das Engagement der Freifunkinitiativen seit Jahren am Herzen liegt. Erst im Herbst 2016 – das erwähnen Sie in Ihrem Antrag nicht – haben wir von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit einem eigenen Antrag klargestellt, wie wichtig uns die Arbeit der Freifunkinitiativen ist und wie sehr wir diese wertschätzen.

Im Zusammenhang dieser Entscheidungen des EuGH und möglicher Entscheidungen im Bund können wir nur sagen, dass wir bisher keine existenzbedrohende Einschränkung der Freifunkinitiativen erkennen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das ist schade!)

Wenn dem aber so sein sollte und wir feststellen, dass Freifunkinitiativen derzeit wegen ihres ehrenamtlichen Engagements mit dem, was auf sie zukommt, nicht mehr zurechtkommen, dann wird die SPD-Landtagsfraktion einem Gespräch mit den Betroffenen über die Fragen, wie man damit umgehen kann und welche Möglichkeiten wir vonseiten des Landes haben, ihnen zu helfen, nicht im Wege stehen.

Insgesamt ist Ihr Antrag leider zu undifferenziert, als dass wir ihm in einer direkten Abstimmung zustimmen könnten. Schade drum! Das sage ich noch einmal. Sie haben es aber so gewollt. Wir werden Ihren Antrag daher ablehnen. – Besten Dank.



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Stein.

Robert Stein (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stotko, Sie machen es mir einfach, denn Sie haben viele Teile meiner Rede vorweggenommen. Ich kann Ihnen in vielen Punkten beipflichten.

(Thomas Stotko [SPD]: Hat mir einer geschickt!)

Wir haben uns nicht abgesprochen. Ich zitiere zumindest gleich noch den originalen Wortlaut des Gerichtsurteils bzw. eine Passage daraus. Dann haben wir es nicht nur sinngemäß.

Herr Herrmann, es ist richtig, dass der Europäische Gerichtshof am 21. Dezember 2016 ein Urteil zur Verarbeitung personenbezogener Daten sowie der Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation gefällt hat, welches sich auf Gesetze zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in Schweden und Großbritannien bezieht. In Deutschland existiert das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht mit einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, welche – das haben Sie gesagt, Herr Herrmann; das ist richtig – spätestens bis zum 1. Juli 2017 endgültig umgesetzt werden muss.

Jetzt müssen wir im Detail aufpassen. Der EuGH hat vor allem auch das Fehlen einer richterlichen Instanz in Schweden und Großbritannien bemängelt. Ich zitiere eine kleine Passage aus dem Urteil des EuGH:

„… ohne den Zugang einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsbehörde zu unterwerfen …“

Das ist der entscheidende Unterschied. Hier in Deutschland gilt hingegen der Zugriff auf Verbindungsdaten nur für schwere Straftaten, und er steht unter einem richterlichen Vorbehalt. Dies ist der wichtige Unterschied zu den Gesetzen zur Vorratsdatenspeicherung in Schweden und Großbritannien, die der EuGH bemängelt hat.

Darüber hinaus – das möchte ich auch nicht unerwähnt lassen – sieht das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung sehr kurze Fristen vor.

In der heutigen Zeit, in der auch Deutschland im Fokus des internationalen Terrorismus steht, ist es von besonderer Bedeutung, dass Polizei und Strafermittler in seltenen Fällen auf alle rechtlich zulässigen Aufklärungsinstrumente zugreifen können, Herr Herrmann. Dies gilt insbesondere im digitalen Zeitalter, da schwere Verbrechen und terroristische Straftaten mitunter im digitalen Raum vorbereitet und geplant werden. Deswegen wurde ja auch dieser gesetzliche Rahmen geschaffen. Die Anschläge von Paris, Brüssel und Berlin unterstreichen die Notwendigkeit, glaube ich.

Grenzübergreifende Ermittlungsarbeit darf nicht dadurch, dass ein Mitgliedstaat keine Daten speichert, unnötig erschwert werden. Das sollte hier auch einmal betont werden.

(Beifall von der CDU)

Diese Daten können einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung solcher schrecklichen Verbrechen leisten und Spuren zu den Hintermännern und deren Gehilfen offenlegen. Darüber hinaus können sie helfen, diese Personen einer gerechten Strafe zuzuführen. Deswegen erleichtern diese Aufklärungsinstrumente im Idealfall den Ermittlungsbehörden ihre wichtige Arbeit und sorgen dafür, dass Schwerkriminelle, dass Terroristen und deren Unterstützer schneller aus dem Verkehr gezogen werden können, bevor sie weitere Straftaten begehen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Durch die herausragenden innenpolitischen Entwicklungen, die wir in letzter Zeit erleben, sollte eigentlich die Notwendigkeit klar sein. Insofern können wir Ihrem Antrag nicht folgen und werden ihn bei der anschließenden Abstimmung ablehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Frank Herrmann [PIRATEN]: Wenn die GroKo in dieser Qualität das Urteil auswertet, dann gute Nacht! Dann muss man tatsächlich auf Karlsruhe warten! Das ist ja unglaublich! – Dirk Schatz [PIRATEN]: Machen die bei der CDU eine Gehirnwäsche?)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir hier über die Vorratsdatenspeicherung debattieren. Die Positionen sind weitgehend ausgetauscht. Herr Kollege Herrmann hat bereits daran erinnert. Bündnis 90/Die Grünen, die Piratenfraktion, die FDP und einige Teile der Sozialdemokratie sind gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, andere Teile der Sozialdemokratie und die CDU sind für die Vorratsdatenspeicherung. Das haben wir hier oft genug miteinander besprochen.

Ich finde den Sound der heutigen Debatte durchaus wohltuend anders als in der Vergangenheit, und zwar insofern, als wir beispielsweise festgestellt haben, dass uns über die verschiedenen Sichten zum Thema „anlasslose Vorratsdatenspeicherung“ hinweg immerhin eint, dass wir beispielsweise Freifunkinitiativen unterstützen und das gemeinsam tun wollen.

Wenn wir uns das EuGH-Urteil anschauen und uns fragen, was sich substanziell geändert hat, dann ist es tatsächlich folgendermaßen: Die ersten Überschriften lasen sich – jetzt aus Sicht eines Gegners der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung – recht vielversprechend, nämlich so, als hätte der Europäische Gerichtshof die anlasslose Vorratsdatenspeicherung endgültig beerdigt. Nach dem zweiten Lesen ist das aber nicht mehr ganz so eindeutig. Das Urteil scheint eher die Linie von 2014 zu bestätigen.

Insofern muss man sehr genau hinschauen, ob diese Linie eher ein „Nein, aber“ oder eher ein „Ja, aber“ ist. Sowohl das EuGH-Urteil aus 2014 als auch das EuGH-Urteil aus 2016 schließen die Vorratsdatenspeicherung nicht kategorisch aus. Nach Einschätzung renommierter Juristen in Deutschland sind aber wesentliche Aspekte der deutschen Gesetzgebung mit diesen Anforderungen nicht oder nur schwer vereinbar, wenngleich ich weiß, dass die Bundesregierung zumindest in ihren ersten Äußerungen eine andere Position vertreten hat.

Der EuGH ordnet beispielsweise an, dass nur Kommunikationsdaten von Menschen gespeichert werden dürfen, wenn sie mit einer schweren Straftat im Zusammenhang stehen. Wenn man die deutsche Regelung daneben legt, dann stellt man fest, dass danach anlasslos und allgemein Daten erhoben werden sollen. Das beißt sich natürlich.

Wir als Grüne haben in der Vergangenheit immer wieder betont, dass aus unserer Sicht allenfalls ein Quick-Freeze-Verfahren denkbar wäre, auch wenn man sich – das ist jetzt wirklich nur noch etwas für die Fachdebatte – immer darüber unterhalten muss, ob das grundrechtlich verhältnismäßig ist. Dabei kommt es dann darauf an, wie das ausgestaltet ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen – gerade diejenigen, die sich nicht jeden Tag mit innenpolitischen und datenschutzpolitischen Fragen beschäftigen –, dass die Materie komplex ist. Deshalb ist aus meiner Sicht die Bundesregierung jetzt dringend gefragt, das Urteil sehr gründlich auszuwerten und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen.

Die sinnvollste wäre aus meiner Sicht der Verzicht auf die anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Sollte sie diese Konsequenz nicht ziehen, dann wird eben Karlsruhe diese Frage klären.

Wie sich das Bundesverfassungsgericht entscheidet, lieber Kollege Herrmann, bleibt abzuwarten. Ich bin immer im Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht als dem höchsten deutschen Gericht so unterwegs, dass ich mich mit Prognosen zurückhalte. Aber ich tendiere in eine ähnliche Richtung wie Sie. So vorsichtig will ich es sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Grüne ist klar: Wir lehnen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. Wir stehen zu unserem Wort, sie an keiner Stelle politisch zu unterstützen. Es ist ja der Bundesregierung nur mit einigen Verrenkungen gelungen, einen Gesetzentwurf zu schreiben, der im Bundesrat nicht zustimmungsbedürftig war. Das hatte natürlich damit zu tun, dass im Bundesrat grün mitregierte Länder sitzen.

Wir werden uns auch keinen Forderungen anschließen, wie sie aus der CDU immer wieder formuliert werden, beispielsweise auf eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf Messenger-Dienste, eine Verlängerung der Speicherfristen und Ähnliches, weil wir das für unverhältnismäßig halten; denn das wäre ein noch krasserer Grundrechtseingriff als das, was heute schon normiert ist.

Darüber hinaus schaffen wir auch keine landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen für den Zugriff auf die anlasslos und massenhaft erhobenen Daten; denn das wäre jedenfalls nach meiner Lesart des EuGH-Urteils damit definitiv nicht vereinbar, weil man so die Auflage verletzten würde, dass die Daten, wenn überhaupt, nur bei schweren Straftaten zugänglich gemacht werden dürfen und eben nicht bei weniger gravierenden Straftaten.

Statt anlassloser Massenüberwachung haben wir sinnvoll in die Sicherheitsbehörden investiert mit guter Ausstattung und mit so viel Personal bei der Polizei wie noch keine Regierung zuvor.

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Ball für eine Neugestaltung oder hoffentlich das Ende der Vorratsdatenspeicherung liegt in Brüssel und in Berlin. Was das Land angeht, betone ich gerne noch einmal, …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Ihre Redezeit ist beendet.

Matthi Bolte (GRÜNE) … dass wir eine Regelung, die die Vorratsdatenspeicherung rechtlich oder politisch legitimiert, nicht mittragen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP spricht Herr Dr. Wolf.

Dr. Ingo Wolf (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Piraten haben ein wichtiges Thema angesprochen, das allerdings nicht unmittelbar in die Zuständigkeit des Landtags fällt. Deswegen will ich mich mit Blick auf die Zeitverzögerung auch relativ kurz halten.

Fakt ist: Der EuGH hat die anlasslose VDS, also die Vorratsdatenspeicherung, für unionsrechtswidrig erklärt. Auch wenn das zunächst einmal die Regelungen in Großbritannien und Schweden betrifft, hat diese Entscheidung sicherlich auch Auswirkungen auf Verfahren in Deutschland.

Wir Freien Demokraten haben schon früher Anlassbezug gefordert. Insofern ist die Prognose nicht allzu schwierig, dass die aktuelle VDS in Deutschland keinen Bestand haben wird. Denn der Europäische Gerichtshof hat jede Form der nach Zielobjekt oder subjekt undifferenzierten VDS untersagt.

Allerdings hat der EuGH auch Alternativen aufgezeigt: VDS gegenüber einem begrenzten Personenkreis, nur in bestimmten Regionen, nur bei Verdachtsmomenten – Stichwort: Gefährder –, nur bei Hinweisen auf sonstige Nutzung der Daten für die Aufklärung von Straftaten.

Damit kann es nach Auffassung des EuGH Vorratsdatenspeicherung geben, aber nur in ausgesprochen engem Rahmen. Das muss uns klar sein. Insofern ist es wichtig, dass Deutschland schnell reagiert. Das heißt: Die Bundesregierung ist hier gefordert.

Dazu, wie das im Einzelnen aussehen soll, haben die Piraten noch keinen Vorschlag. Das Entscheidende ist wohl, dass bis zur anlassbezogenen Neuregelung einer möglichen VDS auf Bundesebene eine unionsrechtskonforme Auslegung vorgenommen wird. Das kann und muss man fordern. Insofern sehen wir den entsprechenden Verhandlungen in Berlin mit Spannung entgegen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Der fraktionslose Abgeordnete Schwerd hat sich gemeldet und um das Wort gebeten. Bitte schön.

Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren am Stream! Mit den Innenpolitikern und der Vorratsdatenspeicherung ist das ein bisschen so wie bei dem Kind mit der Kerze: Immer wieder verbrennt es sich am heißen Wachs die Finger; aber es kann es einfach nicht lassen, damit zu spielen. – Immer wieder aufs Neue versucht man, eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen, und immer wieder stößt man an die Grenzen des Erlaubten. Anstatt aber einzusehen, wo die Grenzen des Rechtsstaats sind, nennt man das Projekt eben anders und versucht es erneut.

Jetzt hat die Vorratsdatenspeicherung also auf europäischer Ebene eine Klatsche bekommen. Das Urteil ist unmissverständlich. Die massenhafte Speicherung von Daten ohne konkreten Anlass und ohne Einschränkung der zu überwachenden Personen ist illegal. Flächendeckend verpflichtende Speicherung aller Verkehrsdaten geht nicht.

Das geht an die Adresse von Herrn Stotko, der irgendwie die Flucht ergriffen hat. – Nein, da hinten ist er; super. Herr Stotko, die Speicherung der Daten findet lange vor dem Richtervorbehalt statt. Das ist das Problem.

Auch wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zunächst die Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien und Schweden betrifft, darf man nicht so tun, als ginge das Deutschland nichts an. Unsere Vorratsdatenspeicherung ist genauso konstruiert. So sicher wie das Amen in der Kirche wird auch die deutsche Vorratsdatenspeicherung Gegenstand vor dem EuGH werden, und genauso sicher wird sie da dieselbe Begründung kassieren.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, derzeit sind die Telekommunikationsunternehmen unseres Landes damit beschäftigt, die technischen Voraussetzungen für eine Vorratsdatenspeicherung zu schaffen. Während das für große Unternehmen leicht zu stemmen ist, ist es für kleine Unternehmen ein Kraftakt. Nicht weniger als 2.500 Unternehmen sind davon betroffen. Der eco Verband spricht von Kosten in Höhe von 600 Millionen €.

Eine echt frustrierende Aussicht, wenn man sich vor Augen hält, dass diese Ausgaben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Tonne sind! Letztlich wird das alles der Verbraucher in Form von steigenden Telekommunikationskosten zahlen müssen. Der Bürger bezahlt für seine eigene Überwachung. Und wir haben dabei noch nicht einmal über die ganzen Fragen von Privatsphäre und Datenschutz gesprochen!

Die Sorgfaltspflicht, die wir gegenüber den Bewohnern, den Steuerzahlern, den Unternehmern dieses Landes haben, gebietet es eigentlich, diesen vollkommen unsinnigen Aufwand von ihnen abzuwenden. Es wäre dringend notwendig, bis zur höchstrichterlichen Prüfung die Umsetzung erst einmal auf Eis zu legen, also so lange, bis die Prüfung auch der deutschen anlasslosen Vorratsspeicherung vor dem EuGH abgeschlossen ist. Kommt das Gericht dann, wie zu erwarten, zu demselben Schluss, haben wir uns Hunderte von Millionen unnötiger Kosten erspart. – Vielen herzlichen Dank.



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! In der Debatte ist von den meisten schon viel Richtiges gesagt worden. Herr Herrmann, ich glaube, Sie haben nicht unbedingt dazu gezählt.

Ich will das noch einmal kurz zusammenfassen: Der EuGH hat nicht über ein deutsches Gesetz geurteilt. Der EuGH hat über Regelungen in Schweden und Großbritannien entschieden. Die Maßstäbe, die er bei seiner Entscheidung anlegt, sind für uns in Deutschland nicht neu. Darüber haben wir hier lange und manchmal sehr emotional diskutiert.

Die Begründung des EuGH bietet übrigens auch erst einmal wenig Anlass für Schnappatmung, weil wir eine deutsche Regelung haben, die geschaffen wurde, um schwere Straftaten zu verfolgen und Gefahren abzuwehren –

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wir speichern aber alle!)

eine Regelung, die sehr enge Grenzen setzt sowohl für die Speicherung als auch für den Abruf, der nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. Dazu zählt auch der Richtervorbehalt nach der Strafprozessordnung; das ist gerade schon angesprochen worden. Für meine Begriffe ist das ein sachgerechter Ausgleich zwischen zwei Grundbedürfnissen und Grundrechten, die die Menschen haben: Freiheit auf der einen Seite und Sicherheit auf der anderen Seite.

Meine Damen und Herren, der Presse war zu entnehmen, dass die Bundesregierung das Urteil auswerten will. Das ist gut. Das sollte übrigens auch der Gesetzgeber tun. Jetzt gibt es keinen Anlass, über ein Moratorium oder gar von Verstößen gegen die Grundrechtecharta zu sprechen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/14004. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/14004 mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und FDP sowie des fraktionslosen Abgeordneten Stüttgen gegen die Stimmen der Piraten und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd abgelehnt.

Ich rufe auf:

11 Fragestunde

Drucksache 16/14022 – Neudruck

In Verbindung mit:

Würgt ausgerechnet die Landesregierung einen wichtigen Motor für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen ab?

Kleine Anfrage 5303


des Abgeordneten Matthias Kerkhoff (CDU)
Drucksache 16/13342

Mit der Drucksache 16/14022 – Neudruck – liegt Ihnen die Mündliche Anfrage 88 vor.

Ich rufe nun auf:

Mündliche Anfrage 88



Fehlende Transparenz beim Krankenstand der nordrhein-westfälischen Lehrkräfte – Welche der ihr bald vorliegenden Ergebnisse wird die Landesregierung zu Fehlzeiten bei Lehrern rechtzeitig vor der Landtagswahl publizieren?

Bereits seit dem Jahr 2010 gibt es einen jährli-chen Krankenstandsbericht von der Landesregierung, der die Fehlzeiten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ressorts darstellt. Die Angabe der Krankheitstage bei Lehrern fehlt seitdem völlig und ist im aktuellen Bericht, der Ende 2016 erschienen ist, erneut nicht enthalten.

Dieser Umstand ist ausgesprochen unerfreulich, denn die Lehrerschaft macht quantitativ den mit Abstand größten Anteil der Landesbediensteten aus, und deren Krankenstand entfaltet unmittel-bar seine Auswirkungen beim Unterrichtsausfall und ist daher für Schüler und Eltern folgenreich. Die FDP-Landtagsfraktion hat deshalb schon seit längerem eine frühzeitige Erfassung und Offenlegung der Daten gefordert.

Als ein wichtiger Grund für die bis zum heutigen Tag nicht vorliegenden Daten gibt Innenminister Ralf Jäger fünf Jahre nach der Veröffentlichung der Daten aller anderen Ressorts tatsächlich den Krankenstand eines Programmierers an, der die Datenverfügbarkeit bislang verhindert habe.

Laut Krankenstandsbericht S. 6 funktioniert aber die Datenerfassung mittlerweile:

Seit Anfang 2016 ist sichergestellt, dass die Krankentage in den Schulen systematisch erfasst und für die jährliche Statistikmeldung zum jeweiligen Stichtag elektronisch aufbereitet und übermittelt werden. Die Ergebnisse sollen in den Bericht der Landesregierung zur Erhebung des Krankenstandes im Jahr 2016 einfließen.



Dem Vernehmen nach soll die Veröffentlichung des Krankenstandsberichtes für das Jahr 2016 aber erst nach der Landtagswahl erfolgen.

Im Personalausschuss des Landtags ist bei der letzten Sitzung vom Vertreter des MSW bestätigt worden, dass die Krankenstandsdaten bis Ende Februar 2017 vorliegen und an den Innenminister unverzüglich übermittelt werden.

Eine Zusage, ob und in ggf. welcher Form sowie Vollständigkeit eine Bereitstellung der Daten zum Krankenstand bei Lehrkräften rechtzeitig vor der Landtagswahl noch für Parlament und interes-sierte Öffentlichkeit erfolgt, will die Landesregie-rung aber bislang nicht geben.

Aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen ist schon einmal vorsorglich auf die Ergebnisse einer Datenschutzprüfung hingewiesen worden. Da es sich um vollständig anonymisierte und aggregierte Daten von rund 150.000 Lehrkräften handelt, wird durch die Kommunikation der Landesregierung eher der Verdacht genährt, Gründe zu suchen, damit eine Veröffentlichung des Krankenstandes vor der Landtagswahl keinesfalls mehr erfolgt.

In welcher Form und Vollständigkeit wird die Landesregierung dem Parlament bis spätestens Ende April 2017 die ihr dann bereits mindestens zwei Monate vorliegenden Daten zum Krankenstand bei nordrhein-westfälischen Lehrkräften übermitteln?

Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Jäger, dem ich hiermit das Wort erteile, diese Frage beantwortet.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident, so vollständig, wie ich die Beantwortung vornehmen kann, will ich das gerne tun. – Die Mündliche Anfrage von Frau Kollegin Gebauer von der FDP-Fraktion unterstellt eine fehlende Transparenz bei der Erhebung des Krankenstandes der Lehrkräfte. Davon – das möchte ich im Folgenden begründen – kann nicht die Rede sein.

Die Landesregierung hat den Unterausschuss Personal über den Stand der Umsetzung, über den Stand dieses Vorhabens sowie über unbestreitbare Schwierigkeiten und eingetretene Verzögerungen fortlaufend informiert. Ich verweise hier auf die jährlichen Krankenstandsberichte an den Landtag und zusätzlich auf den Bericht des MSW vom 14. November 2014 Vorlage 16/2412 sowie auf den Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 13. Januar 2017 Vorlage 16/4638.

Bislang waren Lehrkräfte von der jährlichen Landesstatistik nicht erfasst, da zunächst die tatsächlichen und die rechtlichen Voraussetzungen für eine elektronische Erhebung der Krankentage geschaffen werden mussten. Eine händisch erstellte Krankenstatistik für rund 183.000 Lehrkräfte an rund 5.300 öffentlichen Schulen ist mit vertretbarem Aufwand nicht zu leisten.

Nur am Rande sei angemerkt, dass der Unterausschuss Personal des Landtages nicht im Jahre 2010, sondern vielmehr im Januar 2012 definitiv um die Einbeziehung der Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen in die Krankenstandserhebung gebeten hat. Im Dezember 2014 ist IT.NRW dann beauftragt worden, ein Programm zur elektronischen Erfassung der Krankentage jeder Lehrkraft an den einzelnen Schulen zu erarbeiten. Vorangegangen waren die Anpassung der Erhebungsparameter der Landesstatistik an die Besonderheiten im Schulbereich und die Entwicklung einer Auftragsbeschreibung für das Programm „Gesundheitsstatistik per PC“, kurz GPC genannt.

Im Mai 2014 hat der Ausschuss für Schule und Weiterbildung des Landtages NRW nach vorheriger Durchführung der Verbändebeteiligung der notwendigen Änderung der Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten der Lehrerinnen und Lehrer zugestimmt. Im Mai 2015 stimmten schließlich die sieben Lehrerhauptpersonalräte beim MSW nach einem umfänglichen Beteiligungsverfahren der Einführung und der Anwendung von GPC zu. Damit waren die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung von GPC geschaffen.

Ursprünglich war geplant, GPC gegen Ende des Schuljahres 2014/2015 an die Schulen auszuliefern. Die Schulen sollten nach einer Erprobungsphase zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 mit der Erfassung der Krankentage beginnen. Diese Zielvorgabe konnte von IT.NRW nicht eingehalten werden. Im Rahmen der Programmierung von GPC haben sich noch gravierende, tiefgreifende Fehler in der Software gezeigt. Ein langfristiger krankheitsbedingter Ausfall des verantwortlichen Programmierers bei IT.NRW kam hinzu.

Diese Verzögerung hat die Landesregierung bedauert und von Anfang an transparent gemacht. Dies alles steht bereits auf Seite 6 des Krankenstandsberichtes für das Jahr 2014, der dem Landtag im November 2015 übersandt wurde, ebenso im Bericht für das Jahr 2015. Die Berichte sind auch öffentlich.

Das seinerzeit angekündigte Ziel des MSW, mit einer gesicherten Erhebung der Krankentage der Lehrkräfte ab Anfang 2016 zu beginnen, ist also erreicht worden. Dies ist im Unterausschuss Personal auch im Einzelnen am 17. Januar 2017 berichtet worden.

Meine Damen und Herren, der 28. Februar 2017 ist der landesweit vorgegebene Stichtag, an dem die Schulen für ihren Bereich das anonymisierte Summendatenblatt zusammenstellen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass bei 5.300 Schulen nicht alle pünktlich liefern werden. Hier wird die Schulaufsicht sofort nachfassen. Erst wenn eine ausreichende Anzahl von Schulen die erforderlichen Daten geliefert hat, werden die Meldungen zu einer Landesstatistik zusammengefasst und vom MSW an mein Haus übersandt. Das Ergebnis fließt dann in den landesweiten Krankenstandsbericht für das Jahr 2016 ein.

Der Unterausschuss Personal hat das MSW nun gebeten, zu prüfen, ob ihm, losgelöst vom Krankenstandsbericht der Landesregierung für 2016, eine landesweite Krankenstatistik der Lehrkräfte bereits Ende März 2017 vorgelegt werden kann. Die angekündigte Prüfung hat ergeben, dass Datenschutzregelungen einer vorzeitigen Übersendung der Krankenstatistik nicht entgegenstehen. Dies gilt auch für die Frage der Mitbestimmung nach dem Landespersonalvertretungsgesetz.

Welchen Lieferstand das MSW exakt erreichen wird, lässt sich nicht vorhersagen. Schließlich handelt es sich um die erste elektronische Erfassung des Krankenstandes der Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen.

Der Unterausschuss hat zu erkennen gegeben, dass er auch mit einer Teilerhebung einverstanden wäre. Aus einer Teilerhebung – das ist hoffentlich allen Beteiligten klar – können methodisch sauber auch nur Teilschlüsse gezogen werden. Unter diesen Rahmenbedingungen beabsichtigt das MSW, der Bitte des Unterausschusses zu entsprechen. – Ich hoffe, dass ich die Frage ausreichend beantwortet habe.



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