H e r m e n e V t I k a in humanistika II



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ETHMANN



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ANGEWIESCHE

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ITTELSTRA



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IMON


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TOCK


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ANIFEST



  G

EISTESWISSENSCHAFT

Für die Philosophie, die der Philosophischen Fakultät ihren Namen gab, geht

diese Entwicklung schlecht aus. Das historische Interesse – nicht in seiner

systematischen Form bei Kant, sondern in Form der historischen Wissen-

schaften und ihrer 

,historistischen‘ Wirkung auf andere Wissenschaftsformen

– bemächtigt sich auch des Vernunftinteresses (im Sinne Kants), also auch des

Interesses der Philosophie im engeren Sinne, das sich am Ende selbst mehr

oder weniger in ein historisches Interesse verwandelt. Es entsteht ein Philo-

sophiebegriff, der der Begriff der Philosophiegeschichte bzw. der Philoso-

phiegeschichtsschreibung ist. Philosophie wird zur Geisteswissenschaft und

teilt von nun an die Probleme der Geisteswissenschaften.

2.2 Geisteswissenschaftliche Forschung

Der  Forschungsbegriff der Geisteswissenschaften ist ein anderer als der For-

schungsbegriff der Naturwissenschaften und der Sozialwissenschaften, sofern

diese sich den methodischen Idealen der Naturwissenschaften anzugleichen

suchen. Diese machen das Selbstverständnis der so genannten empirischen

Wissenschaften aus. Geisteswissenschaften sind keine empirischen Wissen-

schaften. Also muß auch ihr Forschungsbegriff ein anderer sein. Ob er im

Begriff der hermeneutischen Wissenschaften schon gefunden ist, bedarf der

Klärung, desgleichen der in diesem Zusammenhang auftretende Anspruch der

Hermeneutik, die ganze Erkenntnistheorie zu sein.

Bei der Bestimmung des Forschungsbegriffs der Geisteswissenschaften muß

unter anderem dem Forschungsbegriff Kants, vor allem aber auch demjenigen

Humboldts wieder Aufmerksamkeit geschenkt werden, insofern dieser in enger

Beziehung zu einem neuen Bildungsbegriff steht. Es ist ein Begriff, der das



forschende Subjekt, nach Humboldt auch im praktischen, d.h. im Vernunft-

sinne, nicht die forschende Einrichtung in den Blick nimmt bzw. mit dieser

identifiziert. So verstanden ist denn auch eine Bildungsintention der Wissen-

schaft nichts Fremdes – Stichwort: Bildung durch Wissenschaft –, sondern im

Forschungs- und Wissenschaftsbegriff Kants und Humboldts von vornherein

angelegt, nur daß der eine (Kant) dabei den systematischen Primat der Phi-

losophie, der andere (Humboldt) die organisatorische Aufgabe, d.h. die Auf-

gabe der Institutionalisierung einer 

,philosophischen‘ Universität, betont. Der

Streit der Fakultäten ist nicht nur ein Streit um den Wahrheitsbegriff, sondern

auch ein Streit um den Forschungsbegriff. Auch das wird häufig übersehen,

wenn es darum geht, die wissenschaftstheoretischen und die institutionellen

Dinge zwischen den Fakultäten wieder zurechtzurücken.

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HAINOMENA



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OKUMENTI


Unklarheiten hinsichtlich des geisteswissenschaftlichen Forschungsbegriffs

hängen eng mit Unklarheiten hinsichtlich des eigentlichen Gegenstandes der

Geisteswissenschaften zusammen. Die von Hegel konstatierte Stellung der

Gegenstände des objektiven und des absoluten Geistes zwischen den Gegen-

ständen der 

,denkenden‘ Substanz (res cogitans) und der ,ausgedehnten‘ Sub-

stanz (res extensa) droht immer wieder in eine der beiden Substanzen abzu-

gleiten. So gibt es seit dem 19. Jahrhundert immer wieder Versuche, das auto-

nome Forschungsverständnis der Geisteswissenschaften entweder naturali-

stisch – man denke nur an die aktuellen Versuche, die Aufgabenstellung der

Geisteswissenschaften auf neurowissenschaftlicher Basis zu reformulieren –

oder  psychologistisch aufzulösen. Dabei geht gerade verloren, worauf Hegel

mit dem Begriff des objektiven Geistes hinweisen wollte. Insbesondere die

Bestimmung, daß die Gegenstände des objektiven Geistes zwar mit den Na-

turgegenständen das Merkmal der Vorgegebenheit teilen, andererseits aber –

wie die Denk-Gegenstände – letztlich Produkte menschlicher Handlungen sind

und als solche durch Rekurs auf Handlungszwecke auch erklärt werden müs-

sen, geht durch Reduktionismen naturalistischer und psychologistischer Prä-

gung wieder verloren.

Während für Hegel die Gegenstände des objektiven und erst recht die Gegen-

stände des absoluten Geistes genuine Gegenstände der Philosophie waren, zieht

Dilthey die Hegelsche Konzeption des objektiven Geistes heran, um durch

sie die Gegenstände (der nun auch zu Recht so heißenden) 

,Geistes‘ Wissen-

schaften zu bestimmen. Der Forschungsbegriff der Geisteswissenschaften muß

sich also in jenem Gleichgewicht halten, das durch die Gegenstandsbestim-

mungen Hegels und Diltheys vorgegeben ist. Ist dies nicht der Fall, werden die

Geisteswissenschaften entweder durch die Naturwissenschaften vom Men-

schen oder durch Psychologie und Soziologie abgelöst.

Vieles spricht dafür, daß die Geisteswissenschaften selbst diesen Umstand aus

dem Auge verloren haben. So wird der theoretische Anspruch, der sich in

Hegels Begriff des objektiven Geistes und dem Auftrag seiner Erforschung in

den Geisteswissenschaften zum Ausdruck bringt und diesem Auftrag die Kö-

nigsrolle in einer Philosophischen Fakultät zuspielt, nicht mehr wahrgenom-

men. Die im 19. Jahrhundert einsetzende Konjunktur und der durchschlagende

Erfolg zumal der Altertumswissenschaften, die wiederum auf das Selbstver-

ständnis der Universität insgesamt zurückwirken, überspielen alles und lassen

Kants Konzeption der Philosophischen Fakultät und eine Theorie des objek-

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