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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
und auf das ich im zweiten Teil dieser Studie noch
ausführlicher eingehen will, auf eine abschließende
Ausstellung.
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Vielmehr lag der Akzent des auf ein-
einhalb Jahre angelegten Projekts israelischer, paläs-
tinensischer und internationaler Künstler/-innen,
Kuratoren/-innen und Autoren/-innen darauf, neue
Wege der Kommunikation und Zusammenarbeit zu
erschließen. Während Rost angibt, keinen wie auch
immer gearteten ideologischen Standpunkt zu ver-
treten, bezeichnete Danon als erste Grundlage für
das Gelingen des Projekts ein Vertrauen, das sich
nur auf Basis der Offenlegung eines klaren politi-
schen Standpunkts erreichen ließe. Über Frieden im
Nahen Osten werde viel geredet, so Danon, aber
immer in einer Perspektive der Trennung, während
ein Zusammenleben nicht diskutiert werde. Da sich
dabei zugleich die Situation immer nur weiter zu-
spitze, stellt für ihn die Besatzung gegenüber Frie-
den das ungleich wichtigere Thema dar. Ziel war
daher nicht, ein Modell der Zusammenarbeit vorzu-
führen, sondern Wissen zu sammeln, Netzwerke
aufzubauen und Strategien zu entwickeln, um ge-
genüber vorherrschenden Diskursen andere Optio-
nen aufzuzeigen. Anders als Rost, anders auch als
OWEN bringen Danon und seine Mitstreiter nicht
von außen Lösungsvorschläge in einen Konflikt ein,
sondern „versuchen zu verstehen, was wir in unse-
rer eigenen Gesellschaft tun können.‚
„Omnibus 1325‚, das Projekt, das Joana Barelkows-
ka vorstellte, bezieht sich im Titel auf die Resolution
1325 des UN-Sicherheitsrats zur Position von Frauen
in Krisengebieten. Als Projekt der Friedenspädago-
gik von ifa-zivik gefördert, arbeitete „Omnibus
1325‚ von 2006 bis 2009 in allen Ländern und auto-
nomen Regionen der Kaukasus-Region – darauf
bezieht sich der andere Teil des Titels „omnibus‚ –
lateinisch „für alle‚. „Omnibus 1325‚ entstand aus
persönlichen Kontakten innerhalb des seit 18 Jahren
vorwiegend in Mittel- und Osteuropa tätigen Frau-
en-Netzwerks. Friedenspädagogik gewann für
OWEN auch und gerade nach dem 11. September
2001 an Bedeutung.
In „Omnibus 1325‚ waren Menschen jeden Alters
und beiderlei Geschlechts aufgefordert, ihre eigenen
9
http://liminalspaces.org/.
Selbst- und Fremdbilder mit denen anderer Teil-
nehmer zu vergleichen. Wenn es sich auch nicht um
eine künstlerische Initiative handelte, so spielten
doch die Ansätze der Gestaltpädagogik und der
Theaterpädagogik in Zusammenarbeit mit dem
Paulo Freire Institut eine wichtige Rolle.
10
Anhand
von Fotografien, unter anderem von Nationaldenk-
mälern,
setzten
sich
die
Teilnehmer/-
innen mit ihren Auffassungen von Geschlechterrol-
len und den verschiedenen Formen des historischen,
individuellen, kollektiven und kommunikativen
Gedächtnisses auseinander. In Rollenspielen verar-
beiteten sie ihre Erfahrungen mit Themen wie Kopf-
tuchzwang oder Zwangsheirat. Nachdem ein/e Teil-
nehmer/-in zunächst aus eigener Betroffenheit eine
Szene darstellte, versuchte anschließend ein/e unbe-
teiligte/r Zuschauer/-in die Situation nachzuempfin-
den und dabei alternative Möglichkeiten aufzuzei-
gen. In der Kommunikation mit eingeladenen Frie-
densaktivisten/-innen aus Lateinamerika half die
Bildtheater-Methode, Verständigungsschwierigkei-
ten zu überwinden.
Marina Gržinić, die einleitend bereits auf die Rolle
Europas als zweitgrößter Waffenexporteur nach den
USA hingewiesen hatte, wollte Rosts Aussage, sei-
nen Workshop-Teilnehmern ohne ideologische Ziele
gegenüberzutreten, nicht gelten lassen und mahnte
stattdessen an, die eigene Involviertheit in einen
jeweiligen Konflikt stets mit zu bedenken. Diese
zeigt sich für Gržinić nicht nur in direktem militäri-
schem Engagement und Waffenlieferungen, sondern
zum einen innenpolitisch in Form von Sicherheit,
Überwachung, Kontrollen und Grenzen, zum ande-
ren auch an den Interessen, welche die jeweiligen
kulturpolitischen Institutionen mit der Förderung
eines Projekts verfolgen.
Konflikt oder Krieg?
Zur Eingrenzung des Themas
Die Konflikte in Afghanistan, im Kaukasus und in
Israel/Palästina lassen sich schwerlich auf einen
gemeinsamen Nenner bringen – es sei denn, man
10
http://www.ewi-psy.fu-
berlin.de/v/ina/arbeitsbereiche/pfi/home/index.html.
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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
konstruiert einen globalen Konflikt zwischen der
„islamischen Welt‚ und „dem Westen‚. Unter dieser
Perspektive, in der sich zwei große Blöcke antago-
nistisch gegenüber stehen, lassen sich allerdings
Lösungen kaum vorstellen.
11
In Wirklichkeit enthält
jeder Konflikt jedenfalls auch eine lokale Dimension:
Die Ursachen reichen in allen drei Fällen Jahrzehnte
zurück und lassen sich jeweils an bestimmten Ereig-
nissen festmachen wie etwa im Falle Afghanistans
der russischen Besatzung oder in Israel der Staats-
gründung,
dem
Sechstagekrieg,
dem
Oslo-
Friedensprozess oder der ersten und zweiten Intifa-
da. Diese spezifischen Daten und Hintergründe sind
nicht vergleichbar, wohl aber lassen sich einige
grundsätzliche Beobachtungen zur Natur der Aus-
einandersetzungen treffen.
Wenn hier von Konflikten die Rede ist, muss die
Frage zunächst lauten: Wovon sprechen wir? Kon-
flikte sind ein unvermeidlicher Teil des menschli-
chen Zusammenlebens.
12
Sie sind notwendig, um
Probleme anzusprechen und auszuhandeln und
einen Ausgleich widerstrebender Interessen herbei-
zuführen. Konflikte gibt es in der Familie, in der Ehe,
in jeder Freundschaft, aber auch im Zusammenleben
ganzer Dörfer, Städte und Länder. Um Konflikte in
diesem Sinne – obwohl die Verfahren der Konflikt-
lösung identisch sein mögen – soll es hier nicht ge-
hen, sondern um gewaltsame Auseinandersetzun-
gen zwischen Gruppen, gleich ob diese sich ethnisch,
religiös, weltanschaulich oder national definieren.
Gewalt lässt sich in diesem Zusammenhang wiede-
rum am besten eingrenzen nicht anhand der ange-
wandten Maßnahmen und technischen Hilfsmittel –
von rein körperlicher Gewaltanwendung bis hin zu
den Waffenarsenalen der Großmächte – sondern
aufgrund der Intention: Gewalt heißt, nicht nach
einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, sondern
dem Kontrahenten den eigenen Willen aufzuzwin-
gen oder ihn physisch zu vernichten.
11
William Pfaff, „Huntingtons Irrtum: Zivilisationen handeln
nicht und führen keine Kriege‚, in: Lettre International, Heft 37, 2.
Vj. 1997, S. 12-14.
12
Vgl. Markus Miessen: „Die Gewalt der Partizipation‚, in:
springerin 1/2007, S. 42-45.
Traditionell sprechen wir bei gewaltsamen Ausei-
nandersetzungen zwischen Nationen von Krieg.
Nun unterstehen die Armeen, die in den heutigen
weltweiten Konflikten zum Einsatz kommen, auch
in Bündnissen, noch immer nationaler Entschei-
dungshoheit. Wenn also etwa die amerikanische,
deutsche, russische oder israelische Armee zum
Einsatz gelangt, wäre es daher nur konsequent, von
Krieg zu sprechen. Allerdings gilt nicht nur für Af-
ghanistan, Tschetschenien oder Palästina, dass der
Gegner eben nicht die offizielle Armee eines Staates
ist, sondern ein schwer greifbarer, im Verborgenen
agierender Feind, der aus der lokalen Bevölkerung
auftaucht und wieder verschwindet, der mit wenig
geeigneten, handgefertigten Waffen gegen eine
haushohe Übermacht ankämpft und dennoch offen-
bar nicht zu besiegen ist. Für diese Konstellation, die
seit dem Ende des Kalten Krieges eher die Regel als
die Ausnahme darstellt, hat sich die Bezeichnung
Konflikt eingebürgert. Wir sprechen in diesem Sinne,
etwa im Nahen Osten oder in Tschetschenien, von
asymmetrischen Konflikten.
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Zugleich – und dies macht jeden Versuch einer Kon-
fliktlösung außerordentlich schwierig – steckt wohl
in den meisten Konflikten heute sowohl eine lokale,
als auch eine globale Komponente. Wären es nur
verschiedene Ethnien oder Religionsgemeinschaften,
die einen lokalen Konflikt ausfechten, ließe sich mit
einem geeigneten Verfahren der Mediation vielleicht
in manchen Fällen eine Lösung finden. Aber im
Kaukasus kämpft die russische Armee, in Afghanis-
tan die USA samt ihren europäischen Verbündeten,
und auch der Nahostkonflikt scheint ohne Einbezie-
hung globaler Akteure nicht lösbar.
Umgekehrt handelt es sich aber auch nicht, wie noch
im „Kalten Krieg‚, um einen Konflikt zwischen zwei
feindlich gesinnten Supermächten. Globale Interes-
sensphären haben sicherlich nach dem Ende des
Kalten Krieges nicht aufgehört zu existieren: Wirt-
schaftliche und geostrategische Interessen bestim-
men auch weiterhin das Handeln aller global agie-
renden Mächte. Gleichwohl gibt es in jedem Konflikt
13
Vgl. etwa: Linda Hentschel (Hrsg.): Bilderpolitik in Zeiten von
Krieg und Terror. Medien, Macht und Geschlechterverhältnisse,
Berlin 2008; Jour fixe Initiative Berlin (Hrsg.), Krieg, Berlin 2009.
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