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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
aufzeigen zu können. Ein Schwerpunkt lag auch auf
dem Thema der Kartografie aufgrund der Beteili-
gung der Architektin Anke Hagemann an dem von
dem Künstler/-innenduo bankleer initiierten sowie
von Gunda Isik und mir gemeinsam getragenen
Projekt.
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Die beteiligten Künstler/-innen und Künstlergrup-
pen, Aktivisten/-innen und Architekten/-innen, ihre
Projekte und Arbeiten bilden neben anderen, die
zum Teil auch in Betracht gezogen, aber aus unter-
schiedlichen Gründen nicht für die Ausstellung
geeignet befunden wurden, den Ausgangspunkt der
nachfolgenden Zusammenstellung. Zuvor sollen
anhand einer weiteren Podiumsdiskussion am 1.
Dezember 2010 Erwartungen, die an Kunst im Kon-
flikt gestellt und Chancen, die ihr eingeräumt wer-
den, diskutiert werden.
Kontrastprogramm (ifa zivik):
Konfliktintervention durch
künstlerische Aktionen?
Erfahrungen und Perspektiven. Prä-
sentation und Diskussion
1. Dezember 2010, Landesvertretung
Baden-Württemberg, Berlin
Eine Podiumsdiskussion zum Themenbereich Kunst
und Konflikt, wiederum verbunden mit der Vorstel-
lung dreier beispielhafter Projekte, fand auf Initiati-
ve von ifa-zivik am 1. Dezember 2010 in der baden-
württembergischen Landesvertretung in Berlin statt.
Vorgestellt wurden:
-
der Film „My Unknown Enemy‚ des Berliner
Regisseurs Hakim El-Hachoumi über den Auf-
bau eines „Zentrums für Theater in Konfliktre-
gionen‚ im Sudan, entstanden im Kontext eines
Workshops des Regisseurs Alexander Stillmark
und des Internationalen Theaterinstituts (ITI) in
Khartoum
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Friedensschauplätze / Theater of Peace, Ausst.-Kat, NGBK, Berlin
2010.
-
eine Fotodokumentation über trauernde Frauen
und Männer, deren Angehörige 1988 während
der Anfal Operation im kurdischen Teil des Irak
ums Leben gekommen waren, aufgenommen
von Zana Mohammed Rasul, Ahmed Ali und
Jamal Ibrahim an der Gedenk- und Begegnungs-
stätte für die Angehörigen der Opfer in Su-
mut/Rizgary
-
ein „Hörspaziergang “Blickwinkel‘‚ der Künst-
lerin Silvina Der Meguerditchian durch Istanbul
auf den Spuren ehemaligen armenischen Lebens
und der Massaker und Vertreibungen im Jahr
1915
Es diskutierten der Friedensforscher, Konfliktbera-
ter, Theater- und Erzählpädagoge Reiner Steinweg,
die stellvertretende Leiterin von Berghof Conflict
Research, Martina Fischer, der Politologe und Mitar-
beiter am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF)
der Universität Duisburg-Essen, Jochen Hippler, die
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Moder-
ner Orient (ZMO), Andrea Fischer-Tahir und der
Direktor des deutschen Zentrums des Internationalen
Theaterinstituts (ITI), Thomas Engel, moderiert von
der ZDF-Redakteurin Ulrike Brödermann.
Angesichts der vorgestellten Beispiele, die mit Thea-
terarbeit und ihrer Dokumentation im Film, einer
auf Initiative Betroffener zustande gekommenen
Gedenkstätte, fotografischen Porträts der Trauern-
den an diesem Ort sowie einer im engeren Sinne
künstlerischen Arbeit ein weites Spektrum abdeck-
ten, konzentrierte sich die Diskussion zunächst auf
die Frage nach der möglichen Wirkung von Kunst in
Konfliktsituationen. Es bestand Einigkeit darüber,
dass man künstlerische Arbeiten nicht mit Erwar-
tungen überfrachten solle, Kunst nicht per se frie-
densstiftende Wirkung entfalte, sondern manchmal
auch an der Mythenbildung beteiligt sei, die wiede-
rum
eher
konflikt-
verlängernde Wirkung habe, dass ferner im unmit-
telbaren Konfliktfall die Möglichkeiten der Kunst
begrenzt seien. „Kultur oder künstlerische Projekte
in sich selbst haben‚, so Thomas Engel, „immer das
Potential zu scheitern.‚
Umgekehrt wurde künstlerischen Initiativen durch-
aus die Fähigkeit zugesprochen, Probleme zu be-
nennen und dadurch Veränderungen anzustoßen,
Dinge sichtbar zu machen, die vielleicht tabuisiert
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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
werden, auch in der internationalen Wahrnehmung
Möglichkeiten des Dialogs und bestimmte An-
schlüsse zu schaffen, die transformierende Wirkun-
gen entfalten könnten, Traumata zu bearbeiten und
Dialoge in Gang zu setzen. Kunstprojekte können,
so Martina Fischer „Räume schaffen *<+, um alter-
native Sichtweisen *<+ aufzuzeigen und damit auch
öffentlichen Raum zu besetzen.‚ „Wir haben ein
großes Problem zu benennen, wo die Wirkung ist,
wenn wir über gesellschaftliche Phänomene spre-
chen‚, stellt Fischer fest, „erst recht in der Frage,
was bewirkt das in der Friedensförderung, in der
Konfliktbearbeitung.‚ Angesichts der Situation im
Irak diagnostiziert Andrea Fischer-Tahir: „zu viel
Militär aus meiner Sicht und zu wenig im Kulturbe-
reich.‚
Traumata-Bearbeitung und Dialogförderung gehör-
ten zu den Themen, auf die sich die Diskussion wei-
terhin konzentrierte. Als besonders aussichtsreich
erschien das von Augusto Boal entwickelte Forum-
Theater, das auch schon von Joanna Barelkowska in
der Diskussion am 26. Mai angesprochen worden
war. Es fällt auf, dass in beiden Veranstaltungen der
Begriff der Kunst nicht vorab definiert worden war:
In beiden Fällen ging es nur teilweise um zeitgenös-
sische Kunst im engeren Sinne, dafür waren beide
Male auch Fotografie und eben Forum-Theater an-
gesprochen. Nun bieten verschiedene Genres und
Medien der Kunst sicherlich unterschiedliche An-
satzpunkte, verbunden auch mit unterschiedlichen
Zielsetzungen und Erfolgsaussichten. Zu bemerken
ist auch, dass in beiden Fällen fast ausschließlich
europäische, zumeist deutsche Diskussionsteilneh-
mer über Projekte und Konflikte in anderen Teilen
der Welt sprachen, während Akteure aus diesen
Konfliktgebieten selbst kaum einbezogen waren.
Hierauf wird in einer weiteren Auseinandersetzung
mit dem Thema mehr Aufmerksamkeit gelegt wer-
den müssen.
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„Wer spricht?‛ ist vielleicht die zentrale Frage der
postkolonialen Kritik seit Edward Said, s. etwa: Edward W. Said:
Orientalism, New York 1979; Gayatri Chakravorty Spivak: ‚Can
the Subaltern Speak?‛ in: C. Nelson, L. Grossberg (Hrsg.):
Marxism and the Interpretation of Culture, Chicago 1988; Elisabeth
Bronfen, Benjamin Marius (Hrsg.): Hybride Kulturen,
Tübingen1997.
Kunst im Konflikt: Zielsetzungen
und Erfolgsaussichten
Welche Hoffnungen auf Erfolg an Kunst im Konflikt
herangetragen werden können, hängt zunächst ein-
mal davon ab, was ein jeweiliges künstlerisches
Projekt überhaupt erreichen will. Dass sich mit
Kunst ein akuter Konflikt beenden ließe, wird kaum
jemand erwarten. Kunst und Waffengewalt spre-
chen sozusagen verschiedene Sprachen. Der Erfolg
eines Projekts lässt sich daher nur an seinen eigenen
Zielen bemessen, die sehr unterschiedlich sein kön-
nen, wie die folgende kurze Auflistung illustrieren
mag. Mögliche Zielsetzungen könnten sein:
-
Aufmerksamkeit erregen
-
Informieren
-
Sichtbar machen
-
Hintergründe veranschaulichen
-
Verdrängungsprozessen entgegenwirken
-
Konflikte aufarbeiten
-
Traumata verarbeiten helfen
-
Gegenwart und Vergangenheit konfrontieren /
miteinander aussöhnen
-
Vor Ort intervenieren
-
Dialoge in Gang bringen
-
Modellhaft Lösungsansätze durchspielen
-
Utopien entwickeln
Wie diese zweifellos ergänzungsbedürftige Zusam-
menstellung zeigt, können künstlerische Projekte
sehr verschiedene Aspekte eines Konflikts bearbei-
ten: Sie können sich auf die Vergangenheit, die Ge-
genwart oder die Zukunft konzentrieren, zur Ver-
sachlichung beitragen oder die Gefühle ansprechen,
wobei das Eine das Andere jeweils nicht ausschlie-
ßen muss: Aufmerksamkeit zu erregen, Probleme
sichtbar zu machen ist oft der erste Schritt in Rich-
tung einer Lösung, die nicht von der Kunst bereitge-
stellt werden kann, sondern im gesellschaftlichen
Konsens verhandelt werden muss. Die Auseinan-
dersetzung mit kollektiven Traumata kann eine
notwendige Voraussetzung sein, um Zukunftsper-
spektiven zu entwickeln.
Aufmerksamkeit, Sichtbarkeit, Information und
Hintergründe sind Bereiche, die nicht nur (aber viel-
leicht auch) das lokale Umfeld betreffen, sondern
gerade auch die mediale Vermittlung. Künstlerische
Arbeiten, die sich mit diesen Gebieten beschäftigen,
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