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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
auch Fälle, die vielleicht eher am Rande der The-
menstellung liegen, mit einzubeziehen, um eine
möglichst breite Ausgangsbasis für weitere Überle-
gungen zu erhalten.
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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
2.
Fallbeispiele: Künstlerische Arbeiten, Initiativen,
Projekte
Eine Auflistung künstlerischer Projekte und Strate-
gien, die prinzipiell den ganzen Globus umfasst,
kann niemals einen wie auch immer gearteten An-
spruch auf Vollständigkeit oder Repräsentativität
erheben. Sie kann mit anderen Worten nur exempla-
risch vorgehen. Im Begriff des Beispiels steckt aber
von vornherein eine Mehrdeutigkeit. Die hier aufge-
führten Beispiele sind einerseits – anders ist dies
nicht möglich – insofern willkürlich ausgewählt, als
sie demjenigen, der schreibt, durch eine Reihe nicht
planbarer Kontingenzen mehr oder minder zufällig
bekannt geworden sind, während es sicherlich viele
weitere gibt, die seiner Aufmerksamkeit entgangen
sind. Daher ist es schlichtweg unmöglich, nur solche
Arbeiten, Vorhaben oder Initiativen auszuwählen,
gleich aus welcher Perspektive, die in besonderem
Maße beispielhaft im Sinne von vorbildlich sind –
was natürlich umgekehrt erstrebenswert wäre. In
einem dritten Sinne sollen sie jedoch durchaus als
beispielhaft gelten, nämlich jeweils für eine be-
stimmte Situation und die Art und Weise, mit dieser
umzugehen.
Der Begriff der Situation bezeichnet einen Ort, eine
Lage. Er kann sich hier im wörtlichen Sinne auf eine
konkrete, geografisch bestimmte Topografie bezie-
hen oder aber auf eine bestimmte Ausgangslage:
wiederkehrende
Topoi,
verallge-
meinerbare Begriffe, Diskussionen und Streitpunkte.
Die Art und Weise des Umgangs mit dem Konflikt
ist das Thema, um das es hier geht: Wie versuchen
Künstler/-innen weltweit mit dem Problem des Kon-
flikts umzugehen? Es ist die Frage nach den künstle-
rischen Mitteln, das heißt einerseits den Medien,
darüber hinaus aber auch allgemeiner den künstleri-
schen Strategien und Verfahren; und es schließt
auch die Frage nach den unterschiedlichen künstle-
rischen Disziplinen mit ein, die eben aus verschie-
denen Gründen sehr unterschiedliche Handlungs-
spielräume eröffnen.
Für die Anordnung der Beispiele eröffnen sich da-
mit zwei Möglichkeiten: entweder topografisch nach
Orten, Ländern, Konfliktregionen und Kontinenten;
oder aber nach künstlerischen Disziplinen, Verfah-
ren,
Medien
und
Vorgehens-
weisen. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung,
aber auch ihre Grenzen. Die Frage nach den Verfah-
ren stellt prinzipiell eine Vergleichbarkeit zwischen
Initiativen an verschiedenen Orten her. Aber rigide
gehandhabt würde sie die spezifisch lokalen Bedin-
gungen, auf die es in Konfliktregionen oft noch
mehr als anderswo ankommt, außer Acht lassen.
Zudem lässt sich in der Gegenwartskunst zwischen
verschiedenen Verfahren wie Performance, Kon-
zeptkunst, Video oder Multimediainstallation nicht
immer trennen, weil viele Künstler/-innen in mehre-
ren Medien arbeiten. Umgekehrt stößt auch eine
topografische Anordnung spätestens da an ihre
Grenzen, wo Künstler/-innen aus verschiedenen
Ländern in einer Konfliktregion zusammenarbeiten
oder in verschiedenen Ländern arbeiten. Wie bereits
angedeutet sind an den wenigsten Konflikten heute
nur lokale Akteure beteiligt, vielmehr handelt es
sich zumeist um ein komplexes Geflecht von lokalen
und globalen Akteuren, Interessen und Abhän-
gigkeiten.
Im Folgenden soll daher beiden Ansätzen nachge-
gangen werden: dem topografischen und dem me-
thodischen. Zunächst sollen wiederum exempla-
risch, das heißt ohne Anspruch auf Vollständigkeit,
einzelne groß- und kleinräumige Konfliktregionen
herausgegriffen und auf ihre spezifischen Konditio-
nen untersucht werden. Danach wird der umge-
kehrte Ansatz erprobt, bestimmte Strategien, Ver-
fahren oder Medien unter die Lupe zu nehmen und
einzelne künstlerische Disziplinen wie etwa Theater
oder Musik auf konfliktbearbeitende Wirkungen hin
zu untersuchen. Unter den Konfliktregionen der
Welt lässt sich keine bestimmte logische Reihenfolge
angeben. Da aber die militärischen Konflikte der
Welt in aller Regel nicht in den reichen Ländern des
Nordens ausgefochten werden, scheint es auch nicht
sinnvoll, wie zumeist üblich, mit Europa und Ame-
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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
rika zu beginnen. Daher stellt die vorliegende Un-
tersuchung die gewohnte Perspektive auf den Kopf
und beginnt mit Südafrika, das sich zudem in man-
cher Hinsicht als historischer Präzedenzfall anbietet.
Die Beispiele in diesem Teil beschränken sich auf die
sogenannte zeitgenössische Kunst, also bildende
Kunst oder „Visual Art‚, während im zweiten Teil
andere Disziplinen zur Sprache kommen.
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