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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
zur Beendigung von Bürgerkrieg, Besatzung und
Apartheid.
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In Angola selbst war der Bürgerkrieg indes erst mit
dem Tod des UNITA-Führers Jonas
Savimbi und der
anschließenden Demobilisierung der Rebellenarmee
im Jahr 2002 beendet. Die Folgen des jahr-
zehntelangen Konflikts waren verheerend: Fast ein
Drittel der Bevölkerung befand sich innerhalb des
Landes auf der Flucht. Viele hatten nur unzu-
reichenden Zugang zu medizinischer Grundversor-
gung und sauberem Wasser. Kindersoldaten und
zwangsverheiratete Mädchen, Landminen und eine
große Zahl Kriegsversehrter prägten das Bild eines
traumatisierten Landes – zu sehen etwa im ersten
Dokumentarfilm des mauretanischen Regisseurs
Abderrahmane Sissako, „Rostov – Luanda‚ über die
Suche nach einem angolanischen Freund, den er in
Rostov kennengelernt hatte.
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Nach mehrjährigen Vorbereitungen besuchte der
angolanische Künstler Fernando Alvim 1997 zu-
sammen mit dem Kubaner Carlos Garaicoa, dem
Südafrikaner Gavin Younge sowie einer Gruppe von
Kunsthistorikern, Kuratoren und einem Fernseh-
team das ehemalige Schlachtfeld im Süden des Lan-
des. Die bei dem zwölftägigen Aufenthalt entstan-
denen Kunstwerke wurden zunächst im portugiesi-
schen Kulturzentrum von Luanda, dann im Castle of
Good Hope in Kapstadt gezeigt. Bei den folgenden
Stationen des Projekts unter dem Titel „Memórias
Intimas Marcas‚ (Erinnerungen, Intimes, Spuren) in
Pretoria und Johannesburg kamen weitere Künstler
wie Wayne Barker, Lien Botha, Moshekwa Langa
oder Colin Richards dazu. Später in Lissabon und
Antwerpen beteiligten sich auch Künstler aus ande-
ren Ländern wie Toma Muteba Luntumbue aus der
Demokratischen Republik Kongo, Billy Bidjocka aus
Kamerun, Aimé Ntakiyica, gebürtig aus Burundi
und aufgewachsen in Belgien, Gast Bouschet aus
Luxemburg sowie Kay Hassan, Jan van de Merwe,
48
So z.B. der südafrikanische Nachrichtenkanal IOL:
http://www.iol.co.za/news/world/turning-point-at-cuito-
cuanavale-1.393891.
49
Deutschland/ Frankreich 1990, aufgeführt im Filmprogramm
der Documenta X,
http://www.ljudmila.org/~vuk/dx/deutsch/news/films/f-
rostov.htm.
Kendell Geers, Willem Boshoff, Minette Vari, Abrie
Fourie und Colin Richards aus Südafrika und N'Dilo
Mutima aus Angola.
50
„Starting with concepts such
as amnesia and autopsy, the project as a whole aims
to analyze the artistic responses to the war and vio-
lence linked to the history of South Africa, but also
to similar events in Africa and elsewhere‛, wie Anne
Pontegine im Artforum schreibt.
51
Zur Zeit der Expedition nach Cuito Cuanavale war
der inner-angolanische Konflikt noch keineswegs
beendet. In Johannesburg meldeten sich Künstler,
die selbst gegen Angola gekämpft hatten. Für Alvim
war das Projekt Ausgangspunkt der Gründung des
Netzwerks
Camouflage, der Zeitschrift
Coartnews und
der
Organisation TACCA (Territorios de Arte e Cul-
tura Contemporanea Africana), die schließlich 2006
die erste
Triennale von Luanda organisierte.
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Wäh-
rend die inhaltlichen Aspekte dabei zusehends zu-
rücktraten und Anne Pontegine Alvims eigene Ar-
beiten zu den schwächeren seiner Ausstellungs-serie
zählt,
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ist doch dem ursprünglichen Projekt eine
kathartische Wirkung auf die angolanische und
südafrikanische Gesellschaft nicht abzusprechen, die
sich anlässlich von „Memórias Intimas Marcas‚
erstmals mit dem Konflikt auseinandersetzten. Al-
vim selbst meint dazu: „Ich denke, Kultur kann ein
sehr interessantes Werkzeug für den Übergang vom
Krieg zum Frieden sein.‚
54
http://www.bpb.de/themen/C08N5W,9,0,Gleichzeitig
_in_Afrika__.html
Weitere Künstler/-innen: Lukas Einsele
Musik: Victor Gama
50
Vgl.
http://www.artmag.com/museums/a_belgi/abeanhk/memorias.ht
ml; http://www.bouschet-hilbert.org/previously/pre-millenium.
51
Anne Pontegine, „Memórias Intimas Marcas‚, in:
Artforum, Mai
2000, http://www.questia.com/library/1G1-65649405/memorias-
intimas-marcas.
52
http://cms.ifa.de/index.php?id=2753&L=0&biennale=&stadt=&la
nd=Angola.
53
Wie Fußnote 53.
54
Christian Hanussek, „Memórias Intimas Marcas. Interview mit
dem Künstler Fernando Alvim
über den Aufbau eines
afrikanischen Kunstnetzwerkes‛, in:
springerin 2/04, S. 50-53.