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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
Zusammenhang mit seiner chilenischen Herkunft
schildert Jaar anhand eines Denkmals für Salvador
Allende, mit dem er in Barcelona beauftragt war. Es
bestand aus einer Reihe von Staffeleien auf dem
Platz vor einer Schule mit Papier und Farben und
einem Schild: „’Playground’ ist ein Anti-Denkmal.
Es ist eine einfache und nützliche Geste, die einen
Platz in einen Raum verwandelt, in dem die Kinder
von Sant-Boi eingeladen sind, neue Welten zu schaf-
fen.‚
64
http://www.alfredojaar.net/
Eyal Sivan, Alex Cordesse: Itsembatsemba,
Rwanda, One Genocide Later, 1996
Eyal Sivan setzte sich 1987 in seinem ersten Film
„Aqabat-Jaber, passing through‚ mit einem palästi-
nensischen Flüchtlingslager auseinander. Als er
sich1996 in „Itsembatsemba, Rwanda, One Genocide
Later‚ mit dem Genozid in Ruanda beschäftigte,
arbeitete er bereits an seiner 1999 vollendeten Do-
kumentation „The Specialist‚ über den Eichmann-
Prozess, 1961 in Jerusalem. ‚One Genocide Later‚
heißt der Film über Ruanda im Untertitel: Der Völ-
kermord in Ruanda steht nicht allein. Sival beschäf-
tigt die Frage, wie es zu solchen Fällen von kollekti-
ver Gewalt und Massenmord kommen kann.
http://www.eyalsivan.info
Film → Eyal Sivan
Sarah Vanagt
Die belgische Künstlerin Sarah Vanagt begann 2002,
sich mit der gewaltsamen Geschichte des Genozids
in Ruanda zu beschäftigen. Bereits in ihrem ersten,
16-minütigen Film „After Years of Walking‚ schließt
sie ihre eigenen Filmbilder über die Auseinander-
setzung mit dem Völkermord mit anderen Filmbil-
dern kurz: Grundlage der Behandlung des Themas
im Klassenzimmer wird ein von Vanagt entdeckter
Film belgischer Missionare von 1959, der bereits alle
Klischees über die von Norden her ins Land einge-
drungenen Tutsi-Rinderhirten enthielt, die 1996 die
Grundlage für Stigmatisierung und Massenmord an
der zahlenmäßig kleineren Volksgruppe bildeten.
64
Ebd., S. 348.
Rassistische Vorurteile, denen zufolge die nomadi-
schen „Hamiten‚ den „negriden‚ Hutu überlegen
sein sollten, verbanden sich mit der Instrumentali-
sierung der Tutsi als privilegierte Führungsschicht
innerhalb des Kolonialsystems, was historisch die
Abneigung gegen die Hutu-Mehrheit erklärt.
In ihren nächsten Filmen „Begin Began Begun‚
(2003) und „First Elections‚ (2006) sowie den für
Kunstausstellungen speziell aufgearbeiteten Video-
Installationen „History Lesson‚ und „Les mouchoirs
de Kabila‚ richtet Vanagt ihren Blick auf Kinder im
Grenzgebiet zur Demokratischen Republik Kongo.
Alles, worüber Erwachsene nicht zu sprechen wag-
ten, kam in den Kinderspielen offen zum Vorschein.
Die Video-Installation „Power Cut‚ (2007) und der
daraus generierte 40-minütige Film „Silent Elec-
tions‚ (2009) zeigt wiederum in einem nachempfun-
denen Studio-Setting, wie kongolesische Soldaten in
Goma, dem Hauptziel ruandischer Flüchtlinge wäh-
rend des Genozids 1994, fernsehen und bei jedem
der häufigen Stromausfälle anfangen sich zu unter-
halten. Die Gespräche sind authentisch. Während
sich Joseph Kabila als Präsidentschaftskandidat zur
Wahl stellt, haben die Soldaten jegliche Hoffnung
auf eine bessere Zukunft verloren.
http://www.balthasar.be
Kofi Setordji: The Scars of Memory, 2004
In einer seiner bekanntesten Arbeiten, „The Scars of
Memory‛, beschäftigt sich der ghanaische Künstler
Kofi Setordji zehn Jahre danach mit dem Genozid in
Ruanda. Wichtigstes Element der raumgreifenden
Installation sind Masken aus Ton. Weit davon
entfernt, als Stellvertreter einer essentialistischen
Auffassung von „afrikanischer Kunst‚ zu dienen,
bieten sich mehrere Assoziationsebenen. Auf ein
Bett aus Erde ausgelegt, erinnern sie an
Totenmasken und durch ihre große Zahl eben an
den Genozid. Nummern verweisen auf die
Entmenschlichung der Opfer und die abstrakten,
letztlich unvorstellbaren Opferzahlen. Schilder mit
Aufschriften wie „Judges: what part did you play?‚
klagen Führungspersönlichkeiten der Verantwor-
tungslosigkeit, Komplizität und des Wegsehens an.
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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
Die Masken fungieren in diesem Fall als Sinnbild
des Sich-Versteckens.
65
Lily Yeh: The Rwanda Healing Project
2005 gründete Lily Yeh die Barefoot Artists und das
Rwanda Healing Project.
66
1941 geboren und seit 1960
in den USA lebend, hatte Yeh 1986 in Philadelphia
The Village of Arts and Humanities ins Leben gerufen,
eine gemeinnützige Initiative mit dem Ziel der Revi-
talisierung eines Quartiers durch Kunst. Seitdem ist
sie als Künstlerin tätig. Das Rwanda Healing Pro-
ject besteht aus zwei Teilen: der Transformation des
1997/98 für Überlebende aus drei benachbarten Or-
ten erbauten Rigerero Survivors Village und der Er-
richtung einer Gedenkstätte. 100 Familien mit 190
Kindern lebten in dem Dorf. Sechs Lehrer wurden
ausgebildet, mit den Kindern Häuser zu bemalen.
Der Cyanzarwe Genocide Memorial Park wurde nach
vorherigen Besuchen der Gedenkstätten Nyamata
und Natarama nach Plänen von Lily Yeh errichtet
und enthält die sterblichen Überreste von 190 Op-
fern des Genozids. Von den Bewohnern des Ortes
wurde die Auseinandersetzung mit den Massakern
und die Erinnerung an die Toten als ebenso wichtig
erachtet wie die Tatsache, dass die amerikanischen
Künstler nicht die Regierung, sondern unmittelbar
die Menschen vor Ort unterstützten.
http://www.communityarts.net/readingroom/archivef
iles/2005/12/the_rwanda_heal.php
Film: Christophe Gargot, D’Arusha à Arusha
Uganda
Die 1927 gegründete Margret Trowell School of Fine
Arts der Makerere University von Kampala, Ugan-
da, galt einmal als führende Kunstschule des afrika-
nischen Kontinents. Diese Zeit ging mit den Regie-
rungen von Idi Amin und Milton Obote in den
1970er Jahren zu Ende. „Meanwhile, the atrocities of
war and destruction were fed into the memories of
65
Kofi Setordji, Die Wunden der Erinnerung / The Scars of Memory.
Skulpturen-Installation zum Gedenken an den Völkermord in
Ruanda 1994, Dokumentation zu der vom EED organisierten
Ausstellung in Berlin, Genf und München, Stuttgart 2004.
66
http://americanswhotellthetruth.org/pgs/portraits/Lily_Yeh.php;
http://www.barefootartists.org.
everyday life as the lecturers and students at Mak-
erere struggled to survive from one moment to the
next‚, schreibt Clémentine Deliss über diese Zeit:
‚The paintings they produced between the late
1960s and early 1980s speak of a stacking of humani-
ty, space swallowed by the nightmares of the imagi-
nation and fears of torture and dying. *<+ Relatively
little is known today of the various students at Mak-
erere who painted these fearful storyboards.‛
67
An-
gelo Kakande sieht in dieser Bildwelt eine ver-
schlüsselte Kritik an den politischen Ereignissen am
Werk, die auch die Arbeit zweier heutiger Künstler,
Mutebi und Sserunkuuma kennzeichne, die in den
Medien der Druckgrafik und Töpferei arbeiten.
68
An
die Zeit des Bürgerkriegs der 1980er Jahre erinnert
die auf einem Bein balancierende Holzskulptur
‚War Victim‛ von Francis Nnaggenda (1982-86) im
Atrium der Universität.
69
Zarina Bhimji
In dem von der Documenta 11 in Auftrag gegebenen
Film „Out of the Blue‚ wendete sich Zarina Bhimji
erstmals wieder ihrem Geburtsland Uganda zu, aus
dem sie mit ihrer indischstämmigen Familie 1974 im
Alter von 11 Jahren fliehen musste. Betörende Land-
schaftsaufnahmen wechseln mit verfallenen Land-
häusern, leeren Gefängnissen aus der Zeit Idi Amins
und dem beschädigten, alten Flughafen Entebbe.
1976 war er Schauplatz einer spektakulären Geisel-
befreiung durch die israelische Luftwaffe, bei der
das Flughafengebäude zur Hälfte zerstört wurde.
Eine spürbare Abwesenheit verweist auf die lange
Zeit, seitdem die Künstlerin das Land unter Zwang
verlassen hatte aber auch auf die Opfer und das
Schweigen einer unaufgearbeiteten Geschichte.
70
67
Clémentine Deliss (Hrsg.), Seven Stories about Modern Art in
Africa, Paris, New York 1995, S. 22 f.
68
Angelo Kakande, Contemporary Art in Uganda: A Nexus between
Art and Politics, Johannesburg 2008,
http://wiredspace.wits.ac.za/bitstream/handle/10539/6856/Angelo
%20A%20Kakande%20Volume%201%20Contemporary%20Ugan
da%20Art%20a%20Nexus%20between%20Art%20and%20Politics
%20PhD%20Thesis.pdf?sequence=1.
69
Abb. S. Deliss, Seven Stories, zit., S. 168.
70
http://www.a-n.co.uk/artists_talking/artists_stories/single/82806.
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