46
Kartensammlungen der beiden erstgenannten italienischen Kartographen sind niederländische
Karten
der Verlage Danckerts, de Wit und Visscher beigefügt.
192
Im 18. Jahrhundert wurde die süddeutsche Privatkartographie erfolgreich. Karten und Atlanten
aus den Verlagen von Johann Baptist Homann, den Homännischen Erben, Matthäus Seutter,
Tobias Conrad Lotter, Johann David Köhler, Christoph Weigel und Gabriel Bodenehr sind in der
Bibliothek des Schottenstifts vertreten.
193
Zum typischen Bestand einer barocken
Klosterbibliothek gehört der „Atlas Novus“
des Jesuiten Heinrich Scherer, den das Schottenstift
ebenfalls besitzt.
194
In den letzten 20 Jahren des 18. Jahrhunderts erlebte die österreichische
Kartographie einen Aufschwung.
195
Johannes Dörflinger vermutet, dass das Schottenstift
aufgrund der Einrichtung einer Stadtpfarrschule und eines Gymnasiums in dieser Zeit einen sehr
hohen Bedarf an modernen Karten hatte, wodurch in der Bibliothek
viele zeitgenössische
österreichische Atlanten und Einzelkarten vorhanden sind. Darunter der „Allgemeine grosse
Atlass“ von Franz Anton Schrämbl und vier Atlanten von Franz Johann Joseph von Reilly. Mit
dem „Natur und Kunst Producten Atlas der Oesterreichischen, deutschen Staaten“ aus dem Jahr
1796 von Heinrich Wilhelm Blum von Kempen aus Wien ist auch der erste Wirtschaftsatlas
Österreichs ein Teil der Kartensammlung des Schottenstifts. Atlanten, die speziell für den
Gebrauch
in Schulen gedacht waren, sind ebenfalls vertreten: Reillys „Schulatlas“, der „Kleine
Atlas der neuen Geographie zum Gebrauch der österreichischen Schulen“, verlegt vom Kunst-
und Industrie-Comptoir, sowie Schulatlanten der Wiener Schul-Bücher-Verschleiß-
Administration.
196
Der erste Kontakt mit Landkarten fand in der Regel im Schulunterricht statt,
wodurch dem Geschichts- und Geographieunterricht eine nicht zu unterschätzende Rolle für die
Entwicklung der Privatkartographie zuzuschreiben ist.
197
Der früheste Atlas, der speziell für den
Gebrauch
zum Unterricht vorgesehen war, war der 1710 im Homännischen Verlag erschienene
„Kleine Atlas Scholasticus von achtzehn Charten“.
198
192
Dörflinger,
Landkarten und Atlanten, 61f.
193
Dörflinger, Landkarten und Atlanten, 63f.
194
Dörflinger, Landkarten und Atlanten, 62.
195
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 74-78.
196
Dörflinger, Landkarten und Atlanten, 64-66.
197
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 16.
198
Heinz, „allerneueste Landcharten“, 35.
47
3.3.2.1 Entstehungszeit der Atlanten und Einbettung in die Ereignisse der Zeit
Die Bindung der fünf besprochenen Sammelatlanten fällt vermutlich in die Amtszeit von Abt
Andreas Wenzel in den Jahren 1807 bis 1831. Mit der Karte des Vinzenz Klasarek
199
aus der
ersten Grammatikalklasse 1811 ist ein
terminus post quem für den Sammelatlas 3 mit der
Signatur 108.8. vorhanden. Die Ähnlichkeit der fünf Atlanten in Bezug
auf die Verlage und den
Stilen der enthaltenen Karten lässt darauf schließen, dass die Zusammenstellung der Karten in
dieselbe Zeit fällt.
Am Ende des 18. Jahrhunderts veränderte sich der Stil der Landkarten vom verspielten und
ausgeschmückten barocken Kartenbild hin zu einer nüchternen klassischen Ausarbeitung.
200
Barocke Landkarten besitzen reich geschmückte Titelkartuschen, die oft allegorische
Darstellungen, Wappen und Herrscherportraits enthalten. Die dekorativen Elemente beziehen
sich thematisch auf das dargestellte Gebiet, um dessen Charakteristika zu präsentieren. Dabei
kann es sich zum Beispiel um Personifikationen von wichtigen Flüssen oder
um die Darstellung
von regionstypischen Wirtschaftszweigen handeln. An den Rändern und in den Ecken dieser
Karten befinden sich oft kleine Ansichten von bedeutenden Städten, Festungen oder
Landschaften.
201
In diesem üppigen Stil sind vor allem die Produkte der süddeutschen Verlage
wie Homann, Seutter und Lotter gehalten. Die Karten sind bei Homann, Seutter und Lotter
koloriert, wobei die Farben auf das Kartenbild beschränkt sind und die Kartusche von der
Farbgebung ausgenommen ist.
202
In den letzten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts begann der Klassizismus
auf die Gestaltung
von Karten einzuwirken, indem auf reiche Verzierungen und die Farbgebung des Kartenbildes
verzichtet wurde. Statt in prunkvollen Kartuschen wurde der Kartentitel in schlichten
geometrischen Umrahmungen präsentiert. Manchmal wurden diese Umfassungen auch
weggelassen.
203
Dass dieses neue Erscheinungsbild der Karten als Zeitstil aufzufassen ist und
nichts mit geringerer Qualität oder Sorgfalt in der Herstellung der Karten zu tun hatte,
zeigt sich
auch in der schlichten und nüchternen Gestaltung teurer Landkarten dieser Zeit.
204
Bei älteren
199
Schottenstift, Sammelatlas 3, 108.-26, Charte von Africa (Nürnberg 1797).
200
Dörflinger, 19. Jahrhundert, 806. Beispiel für eine klassische Karte: Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-28,
Charte von Oesterreich unter der Enns (Wien 1803).
201
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 127.
202
Manasek, Maps, 1998, 20.
203
Dörflinger, 19. Jahrhundert, 806f.
204
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 156.
Manasek, Maps, 1998, 22f. 44 Fig. 2.7-2.9.