Niederrhein-Magazin



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Birte Förster/Martin Bauch (Hg.): Wasserinfrastrukturen und Macht von der Antike 

bis zur Gegenwart (Historische Zeitschrift. Beiheft 63). Berlin 2015, 288 S., 85,95 €, 

ISBN 978-3-4867-1731-0. 

Vorliegender Band basiert auf einer im Jahr 2010 unter der Leitung von Jens Ivo 

Engels und Gerrit Jasper Schenk durchgeführten Sektion im Rahmen des Historiker-

tages in Berlin. In insgesamt 12 Beiträgen liefern 15 Autoren, in selbstverständlicher 

Weise  sämtliche  Epochen von der Antike bis in das 20. Jahrhundert berücksichti-

gend, einen eindrucksvollen Überblick über die Verknüpfung der Phänomene Infra-

struktur, Macht und Herrschaft. Der Schwerpunkt wird dabei auf „Wasserinfrastruk-

turen als technische Systeme“ gelegt, welche den Ausgang für die Untersuchung 

ihrer politisch-sozialen Dimensionen einer Gesellschaft bilden. Zwei Einführungs-

beiträge von Birte Förster und Martin Bauch sowie von Engels und Schenk  liefern 

zunächst das infrastrukturhistorische Rüstzeug. Letztere beiden Autoren gehen dabei 

von insgesamt drei Feldern der Machtausübung aus: der politischen, der ökonomisch-

sozialen sowie der Deutungsmacht (S. 53 ff.). Im Hinblick auf die Perspektive künf-

tiger Forschungen betonen sie neben der Frage, ob und inwieweit Infrastruktur zu ei-

ner Machtintensivierung beitragen könnte (S. 57), die Notwendigkeit der Erweite-

rung des Forschungsrahmens auf vorindustrielle Epochen.  

Zwei Beiträge unter der Überschrift „Vormoderne“ thematisieren zunächst das 

Römische Reich. Franziska Lang und Helge Svenshon zeigen auf, dass bereits die 

Tatsache, wer durch das Statthaftwerden der „Kaiserlichen Handlungsmacht“ (S. 81) 

über fließendes Wasser verfügen durfte und wer nicht, als Indiz über die gesell-

schaftliche Stellung der jeweiligen Personen gewertet werden kann. Helmuth Schnei-

der weist anschließend die symbolische Bedeutung verschiedener technischer Versor-

gungsprojekte nach: In einem Brief Plinius des Jüngeren an Trajan schlägt dieser den 

Bau eines Kanals bei Nikomedia vor und empfiehlt dem römischen Kaiser nach-

drücklich insbesondere „solche Projekte, die der Unsterblichkeit seines Namens und 

seines Ruhmes würdig seien“ (S. 94). Die sich anschließenden vier Aufsätze themati-

sieren den Bau und die Nutzung von Wasserstraßen im Mittelalter. In allen Beiträgen 

wird dabei deutlich, dass die Infrastrukturentwicklung sowohl von geographischen 

Veränderungen und Gegebenheiten (Marco Leonardi und Marc Suttor), ökono-

mischen Komponenten (z. B. Sascha Bütow: Konkurrenz zwischen Schifffahrt und 

Wassermühlen, S. 145 f.) als auch von sozialpolitischen Zuständen und technischen 

Neuerungen (Bütow, Martina Maríková) abhängig sind. Maríková legt zudem gezielt 

den Fokus auf den Menschen als  Betreiber technischer Großsysteme, indem sie die 

Rolle der Müller als Wasserbauexperten im Spannungsfeld der obrigkeitlichen 

Herrschaft bis in die Frühe Neuzeit hinein untersucht. Damit schlägt sie zugleich den 

Bogen zur nächsten Epoche, welcher  unter der  Überschrift „Moderne“ die letzten 

vier Aufsätze gewidmet sind. Christian Wieland zeigt am Beispiel der Medici-

Herrschaft in Pratolino eine Äquivalenz hinsichtlich des Symbolismus infrastruk-

tureller Projekte zur Antike auf: Die Bequemlichkeit der Fürstlichkeit, das Wohl-



  

 

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ergehen der Bevölkerung und die Repräsentation der Monarchie nach außen spielten 

bei der Planung und Realisation stets in nahezu gleicher Gewichtung eine Rolle. 

Selbst im 19. Jahrhundert änderte sich hinsichtlich der Beziehung Infrastruktur

Herrschaft und Macht nichts; Noyan Dinçkal bestätigt dies eindrucksvoll mit der 

Beschreibung der Errichtung so genannter Water Companies  für Istanbul, welche 

dazu dienten, die verschiedenen Konflikte um Qualität und Quantität bezüglich der 

Wassernutzung  in dieser Großstadt zu regeln. Besonders interessant sind die 

folgenden Ausführungen von Julia Obertreis zur „Infrastrukturpoesie“ am Beispiel 

der Dimensionen des russländischen und sowjetischen Zentralasiens. Darunter 

versteht sie die „poetisch anmutende Beschreibung“ (S. 232) von Infrastruktur-

bauten, die in der Diskussion von Politik und Wirtschaft auch heute noch „keine 

Seltenheit“ (S. 232) darstellen. Obertreis hebt speziell auf die Gruppe der Betreiber – 

die Ingenieure, Agrarexperten oder Geographen  –  ab, welche sich insbesondere in 

Zeiten großer technischer Neuerungen durch eine überzeugende Beschreibung ihres 

Könnens und der zahlreichen Vorteile einer möglichen Infrastrukturmaßnahme bei 

der Obrigkeit Gehör zu verschaffen trachten (S. 237 ff.). Dass der Realisation von 

Infrastrukturprojekten oftmals ein langwieriger Aushandlungsprozess zwischen 

Planern, Betreibern und Nutzern vorangeht, wird im abschließenden Beitrag von 

Julia Tischler über eine der größten Talsperren des britischen Empires, dem Kariba-

Staudamm am Sambesi-Fluss, einmal mehr deutlich. Zugleich zeigt das Beispiel in 

hervorragender Weise, dass Infrastrukturprojekten neben ihrem Versorgungsziel und 

der Herrschaftsstabilisation zugleich auch eine Vermittlerrolle zukommen kann. Im 

vorliegenden Beispiel sollte es dazu dienen, die „bestehenden sozialen Spannungen 

zwischen den privilegierten weißen Siedlern und der schwarzen Bevölkerungs-

mehrheit aufzulösen“ (S. 267), indem eine gemeinsame Lobby für die Realisation des 

Staudamms geschaffen werden sollte.  

Die Konzeption des Bandes unterstreicht mit der Berücksichtigung aller Epochen die 

Position Dirk van Laaks und Engels in eindrucksvoller Weise, wonach Infrastruktur-

Geschichte nicht erst in der Moderne zu beginnen hat. Anhand zahlreicher, unter-

schiedlicher Beispiele ist es den Autoren hervorragend gelungen, den Zusammen-

hang zwischen Infrastrukturplanung, Integration, Herrschaftssicherung und Machter-

halt nachzuzeichnen. Die Sinnhaftigkeit der Bezeichnung von Infrastruktur als 

„Machtspeicher“ (z. B. S. 24), und nicht als „Herrschaftsspeicher“ (die Verfasserin), 

im Hinblick auf die durch soziologische Konzepte geprägten Begriffe „Macht“ und 

Herrschaft“ muss dabei an anderer Stelle diskutiert werden. Ebenso muss sich der In-

frastrukturhistoriker fragen, ob sich in der infrastruktur-historischen Debatte lang-

fristig die stringente Trennung zwischen sozialer, technischer und institutioneller In-

frastruktur für die Aufarbeitung und Beschreibung als zielführend erweist –  alleine 

diese beiden zu diskutierenden Aspekte lassen auf eine Wiederholung einer Sektion 

zur Infrastruktur-Geschichte beim nächsten Historikertag hoffen.   

 

 

 



 

 

  Lina Schröder, Duisburg-Essen 




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