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Den Paramenten, dem größten Einzelbestand des StiftsMuseums, sind die Museums-
räume 7 und 8 gewidmet: Zu sehen sind liturgische Gewänder vom Mittelalter, etwa
die Glockenkasel des hl. Bernhard von Clairvaux aus byzantinischer Seide (um
1100), über die Renaissance- und Barockzeit bis zum Klassizismus. Wie die Stifts-
herren und der Ort Xanten in die Landesgeschichte eingebunden waren, wird in
Raum 9, „Historische Ereignisse“, beispielhaft deutlich. Aus der Graphischen
Sammlung des Museums kommen Xantener Stadtansichten, Porträts der
Landesherren aus den Häusern Kleve und Brandenburg-Preußen sowie Feldherren
des 80jährigen und 30jährigen Krieges. Die Darstellung Napoleons im
Krönungsornat markiert das Ende der Stiftsgeschichte. Raum 10 zeigt zwei Bereiche:
Zum einen „Bedeutende Stiftsherren“ wie etwa Norbert von Xanten, zuletzt
Erzbischof von Magdeburg. Zum anderen das Thema „Von der Handschrift zum
Buchdruck“ mit illuminierten Pergamenthandschriften und Inkunabeln. Mit einem
Blick in die historische Stiftsbibliothek auf etwa 15.000 alte Pergament- und
Ledereinbände findet der Rundgang seinen Abschluss.
Wissenschaft und Forschung
Wissenschaftler, Studierende und andere Forscher können im Lesesaal die Bestände
des Stiftsarchivs und der Stiftsbibliothek einsehen und bearbeiten. Lehrende von
partnerschaftlich verbundenen Universitäten oder Schulen halten Übungen vor
Originalen oder Seminare ab. Studierende der Fächer Geschichte oder
Kunstgeschichte können im StiftsMuseum ein studienbegleitendes Praktikum
absolvieren sowie Themen für ihre wissenschaftliche Arbeiten finden. Heimat- und
Familienforscher nutzen regelmäßig den Lesesaal und die moderne Handbibliothek,
die fortlaufend erweitert und ergänzt wird. Zum Veranstaltungsprogramm des
StiftsMuseums gehören Vorträge, Dokumentarfilme oder Lesungen vor allem aus
den Disziplinen Kunstgeschichte, Geschichte und Theologie. Interessenten steht der
Vortragsraum mit Beamer, Leinwand und Sprechpult nach Absprache zur
Verfügung.
Resümee
Das StiftsMuseum Xanten mit StiftsArchiv und StiftsBibliothek ist ein Kulturraum
an historischem Ort mit interdisziplinärem Ausstellungskonzept. Aus dem Kosmos
der über Jahrhunderte gewachsenen Bestände von Archiv, Bibliothek und Schatz-
kammer schöpfen sich die vielfältigen Exponate, die sowohl regionale als auch inter-
nationale Bezüge haben. Diese einzigartige Sammlungskombination und das beinahe
vollständig erhaltene Bauensemble machen das StiftsMuseum zu einem unver-
wechselbaren Ausstellungshaus und Forschungsziel.
Elisabeth Maas M.A. (Stellvertretende Museumsleiterin)
StiftsMuseum Xanten | www.stiftsmuseum-xanten.de
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Ankündigungen
Drillingsberichte 1937-1943 – Website und Ausstellung in der
Universitätsbibliothek der Radboud Universität Nijmegen
Der deutsch-jüdische Arzt Felix Oestreicher und seine Frau, Germanistin Gerda
Laqueur, flohen im Jahr 1938 vor der Bedrohung des Nazi-Terrors mit ihren drei
kleinen Töchtern aus dem tschechischen Karlsbad/Karlovy Vary in die Niederlande.
Sie sind Teil weitläufiger deutsch-jüdischer Familien wie Oestreicher, Laqueur,
Kisch und Löwenthal. Von alters her wohnten die Familienmitglieder im ganzen
Habsburgerreich verstreut, siedelten sich jedoch auch in den Niederlanden an. Sie
sind Weltbürger, die als Wissenschaftler, Unternehmer und Künstler im Leben
stehen.
Felix Oestreicher (1894-1945) hielt die engen Familienbande durch regelmäßigen
Briefkontakt aufrecht. Ab dem Jahr 1937 berichtete er darin über das Wohlbefinden
seiner Töchter Beate (*1934) und den Zwillingen Helli und Maria (*1936). Er nannte
seine 160 vorhandenen Briefe „Drillingsberichte“, da diese die Erziehung (das
„Drillen“) und die Entwicklung seines „Drillings“ beschreiben. Aus den Berichten
tritt ein sensibler Wahrnehmer mit einem Auge für die Charaktere der drei Mädchen
hervor, die von der Außenwelt größtenteils abgeschnitten lebten. Sie durften keine
Schulen besuchen und kaum mit anderen Kindern spielen, erhielten jedoch eine
sogenannte europäische deutsche Bildung von ihren Eltern. Auch während der Zeit
der Unterdrückung wurden sie mit Kenntnissen über Kultur und Wissenschaft
ausgerüstet und sie entwickelten ihre Kreativität und Fantasie.
Die Eltern überlebten die Aufenthalte im Konzentrationslager nicht. Ihre Kinder
Beate (11) und Maria (9) kehrten jedoch zurück und wurden im Jahr 1945 mit der in
den Niederlanden untergetauchten Helli (9) vereint. Die Mädchen besuchten das
Gymnasium und wurden biochemische Forscherin/Friedensaktivistin (Beate), Sozial-
psychologin/Publizistin (Maria, später heiratete sie den Soziologen Joop Gouds-
blom) und bildende Künstlerin/Dozentin (Helly Oestreicher, sie heiratete später den
Architekten Reynoud Groeneveld).
Im Rahmen des Programms „Making of the War“ führt Paul Sars am For-
schungsinstitut Historical, Literary and Cultural Studies (HLCS) der Fakultät der
Geisteswissenschaften ein Forschungsprojekt nach der Familie Oestreicher durch.
Jorien Hollaar, Teilnehmerin des Studiengangs Niederlande-Deutschland-Studien,
untersuchte in den letzten Monaten vor allem die „Drillingsberichte“, die sie nun
über eine Website (http://www.ru.nl/drillingsberichte-de) der Radboud Universität
Nijmegen einem breiten und differenzierten Publikum zugänglich macht.