Auch bei den Internisten liegt die durchschnittliche Zahl der intubierten Patienten nicht
deutlich unter derjenigen der Anästhesisten. Die Zahl der verabreichten Dosen sowie
die verabreichte Dosis war allerdings auch bei dieser Gruppe deutlich geringer. Es ist
also davon auszugehen, dass Fentanyl nicht primär aus Angst vor einer möglichen
Atemdepression und damit verbundenen Angst des Notarztes eine nicht beherrschbare
Situation zu schaffen verabreicht wird. Vielmehr scheint der Grund im nicht vertrauten
Umgang vieler Nichtanästhesisten mit dem Medikament zu sein.
4.2.2 Einsatz von Morphin
In unserer Untersuchung wird deutlich, dass es nicht in erster Linie die Anästhesisten
sind, die Morphin einsetzten, sondern die in der Klinik tätigen Ärzte ohne
weitergehenden anästhesiologischen Hintergrund wie Neurologen, Chirurgen und
Internisten. Anästhesisten benutzen dagegen im Vergleich häufiger Fentanyl sowie
Piritramid.
Ähnlich wie bei der Dosierung von Fentanyl war festzustellen, dass Assistenzärzte
deutlich niedriger dosierten als Fachärzte. Ebenfalls lag die verabreichte Menge bei den
Fachgruppen, die weniger häufig Morphin anwendeten, deutlich unter der
durchschnittlichen Menge von Notärzten, die öfter das Medikament anwendeten. Ein
Zusammenhang zwischen dem sicheren Umgang mit dem Medikament und der Höhe
der Dosierung scheint somit vorzuliegen.
Ebenso scheint es, wie bei der mittleren Dosierung von Fentanyl, offensichtlich einen
Zusammenhang zwischen der mittleren Berufserfahrung und der mittleren Dosierung zu
geben. So stellte auch Kern 1997 fest, dass Notärzte nach 5 - 10 jähriger Tätigkeit
deutlich seltener Morphin einsetzten als ältere Kollegen. Bei jüngeren Notärzten scheint
Morphin weniger „en vogue“ zu sein als zum Beispiel Piritramid. In früheren
Untersuchungen stellte sich deutlich dar, dass Morphin im Rettungsdienst doch
wesentlich häufiger verabreicht wurde, als es bei uns tatsächlich der Fall war. Morphin
hatte bei unserer Untersuchung lediglich einen Anteil von 14 % aller verabreichten
Schmerzmittel.
Morphin hat sein Haupteinsatzgebiet hauptsächlich in der Inneren Medizin. Gerade von
dieser Fachgruppe aber sowie von den Allgemeinmedizinern, die auch einen großen
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Zugang zur Inneren Medizin haben, wurde das Medikament in niedrigen Dosierungen
angewendet. Es kann ein Trend weg vom Morphin konstatiert werden.
4.2.3 Einsatz von Piritramid
Von den Opiaten wurde Piritramid am häufigsten verwendet. Überdurchschnittlich oft
und hochdosiert setzten Allgemeinmediziner Piritramid ein. Ebenso setzten Fachärzte
gegenüber Assistenzärzten nicht nur deutlich häufiger Piritramid ein, sondern auch in
höherer Dosierung. Dies entspricht dem gleichen Trend, der schon bei der Dosierung
von Morphin und von Fentanyl zu beobachten war. Eine Ausnahme bildeten dabei die
Anästhesisten, die in der Dosierung eher zurückhaltend waren. Betrachtet man die
mittlere Dosierung von Piritramid bei Anästhesisten im Verhältnis zum Durchschnitt so
scheint sehr häufig die Standarddosierung “eine halbe Ampulle Dipi“ (7,5 mg)
verabreicht worden zu sein. Ähnlich undifferenziert erscheint die Schmerzmitteltherapie
der Notärzte nicht genannter Fachrichtung, die durchgehend 15 mg Piritramid
verabreichten. Neurologen setzten Piritramid dagegen deutlich seltener ein als alle
anderen. Sie präferierten Morphin, im Gegensatz zu den Internisten, die sich insgesamt
zurückhaltender in der Anwendung und der Dosierung von starken Schmerzmittel
verhielten als die anderen Notärzte.
Entgegen älteren Untersuchungen wurde Piritramid deutlich häufiger angewendet als
Morphin. Sefrin (1997) und Kern (1997) berichteten, dass Morphin von 77 % der
Notärzte verabreicht wurde, während es bei Piritramid lediglich 17 % waren. In der hier
vorliegenden Untersuchung dagegen ist ein deutlicher Trend zur Verabreichung von
Piritramid zu erkennen. Die weniger kreislaufdeprimierende Wirkung, die geringere
Ateminsuffizienz und auch die geringere emetische Neigung (Freye, 1995) scheinen
dafür mitverantwortlich zu sein, obwohl sich die Indikationen bei beiden Medikamenten
doch weitgehend entsprechen. Aus den positive Erfahrungen, die mit Piritramid
gegenüber Morphin gemacht wurden, lässt sich der Trend weg von Morphin hin zu
Piritramid erklären.
Einen gleichwertigen Ersatz zu Morphin stellt Piritramid in der Behandlung der
Lungenembolie und des akuten Myokardinfarktes allerdings nicht dar, da die Vorlast
durch Piritramid nicht in dem Maße gesenkt wird, wie es bei Morphin der Fall ist. Es ist
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nicht abschließend geklärt, ob Piritramid gegenüber Morphin weniger oder mehr
emetische Effekte hat. Zahlreiche Autoren beschreiben einen gewissen Vorteil
bezüglich der emetischen Komponente von Piritramid gegenüber Morphin (Freye, 1995;
Larsen, 1994; Rosenow et al., 1998), jedoch wurden auch Hinweise auf eine erhöhte
Inzidenz der Übelkeit nach Anwendung von Piritramid mittels patientenkontrollierter
Analgesie (PCA) im Vergleich zu Morphin beobachtet (Aden et al., 2001; Breitfeld et al.,
2000).
Piritramid wurde von den Notärzten fast doppelt so häufig angewendet wie Morphin.
Dies scheint in der besseren und häufigeren Erfahrungen mit Piritramid zu liegen.
Da Morphin einen etwas kürzeren Wirkungseintritt als Piritramid besitzt und zusätzlich
ein früheres Wirkmaximum hat als Piritramid, scheint es auf Grund der Pharmakokinetik
besser für den Rettungsdienst geeignet zu sein.
Bedenkt man den Eintritt des Wirkmaximums von Piritramid nach 20 - 30 Minuten, so ist
vor allem im städtischen Bereich der Patient häufig schon im Krankenhaus bevor
überhaupt die maximale Wirkung einsetzt. Aus dieser Überlegung her müsste eher
Morphin der Vorrang gegeben werden. Jedoch erkauft man sich die etwas schnellere
Wirkung mit der Möglichkeit eventuell leicht verstärkter unerwünschter Wirkungen.
Insofern ist es durchaus gerechtfertigt, wenn ein Notarzt sich auf Grund größerer und
besserer Erfahrung für den Einsatz von Piritramid entscheidet.
4.2.4 Einsatz von Tramadol
Während Tramadol laut früheren Studien noch häufig benutzt wurde (Kern, 1997; Sefrin
et al., 1998), spielte das Medikament in unserer Untersuchung praktisch kaum noch
eine Rolle in der Notfallmedizin. Nur 2 % der verabreichten Schmerzmittel war
Tramadol.
Es wurde am weitaus häufigsten von Chirurgen verabreicht. Insgesamt ist auffällig, dass
hauptsächlich Assistenzärzte Tramadol einsetzten, während Fachärzte nur sehr
vereinzelt das Medikament gebrauchten. Wahrscheinlich ist der geringe Einsatz an die
starken negativen Erfahrungen mit der hohen Inzidenz von Übelkeit von bis zu 90%
verbunden (Arend et al., 1978), was dem Medikament den Ruf eines “potenten
Emetikums mit starker analgetischer Nebenwirkung“ einbrachte. Wegen des langsamen
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